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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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der theologischen Facultät von der Universität, die Erziehung der angehenden
Theologen in bischöflichen Seminarien oder im Jesuitenconvicte zu Innsbruck
und die Gründung einer eigenen jesuitischen Lehranstalt bei.

Der Gewinn mit der Universität vereinigter theologischer Facultäten
liegt bekanntlich in der Möglichkeit allseitiger Ausbildung für die künftigen
Geistlichen und braucht darum nicht besonders nachgewiesen zu werden; ist
sie für den katholischen Geistlichen doch außerdem die einzige Zeit im Leben,
in der derselbe Gelegenheit zum Verkehr mit dem Laienelement und wissen-
schastlichen Lehrern hat. Freilich setzt dies entsprechende Lehrer, freie Bahn
für das Studium und Befreiung der Theologie von der Zwangsjacke der
Jesuiten voraus, lauter Bedingungen, die bei uns in Tirol nicht zu treffen.
Besonders schädlich für jede freiere geistige Bildung sind aber die bischöflichen
Seminarien. In Betreff unseres Trienter Seminars brauchen wir nur an
den traurigen Zustand der Verkommenheit zu erinnern, in dem sich das
Studium der Theologie in Italien überhaupt befindet, und die Anstalt in
Trient hat von jeher ihren Stolz darin gesetzt, sich von ihren südlichen
Schwestern möglichst wenig zu unterscheiden. Mit dem 16. Jahrhundert,
eigentlich dem bekannten Concil, das von jener Stadt seinen Namen trägt,
ist für diese Anstalt die Grenze alles Wissenswerthen geschlossen. Es lernen
die heranwachsenden Seelenhirten, die noch dazu in Wälschtirol außer dem
Messelesen häufig gar keine bestimmte Beschäftigung haben, bei magerer
Kost, strenger Clausur und geistestödtenden Vorträgen nur den bescheidenen
Inhalt der Hefte, aus denen ihnen selbst noch der Schule bedürftige Leh¬
rer vorlesen. Und, damit die jungen Leute ja nicht durch unheiligen Vorwitz
zu überflüssigem Nachdenken verleitet werden, schneidet man ihnen bei jeder
auftauchenden Streitfrage alles weitere Eingehen, namentlich jede Rücksicht
auf die Einwände der (natürlich in Finsterniß versunkenen) Protestanten kurz
mit der Erklärung ab, daß das Dogma hierüber anders entschieden habe. In
*der theologischen Studienanstalt zu Brixen also außerhalb Wälschtirols,
steht es nicht viel besser. Das Bibelstudium wird z. B. ohne Rücksicht auf
das betrieben, was Kritik, Exegese, Sprachenkunde und Archäologie der
letzten zwei Jahrhunderte ans Licht gefördert haben, I'arömmv avcluz noi,
erklärte Pius IX. betreffs der Herstellung des Textes für die unter seinen
Auspicien veranstaltete Ausgabe der vaticanischen Handschrift im stolzen Ver¬
trauen aus seine Jesuiten, und der Erfolg bewies, wie sehr diese ihrer Sache
gewiß sind. Daß Kirchengeschichte und Kirchenrecht in usuw DelMm zu¬
geschnitten und bearbeitet werden, brauchen wir nach dem vorhin Angedeu¬
teten wohl kaum näher auszuführen, für Dogmatik und Moral bürgen schon
die voetoi'68 Zraves, nach denen sie "traäirt" werden. Mit dieser einseitigen
und verkrüppelten Bildung tritt nun der junge Geistliche seinen Beruf an.


Grenzboten III. 1869. 3

der theologischen Facultät von der Universität, die Erziehung der angehenden
Theologen in bischöflichen Seminarien oder im Jesuitenconvicte zu Innsbruck
und die Gründung einer eigenen jesuitischen Lehranstalt bei.

Der Gewinn mit der Universität vereinigter theologischer Facultäten
liegt bekanntlich in der Möglichkeit allseitiger Ausbildung für die künftigen
Geistlichen und braucht darum nicht besonders nachgewiesen zu werden; ist
sie für den katholischen Geistlichen doch außerdem die einzige Zeit im Leben,
in der derselbe Gelegenheit zum Verkehr mit dem Laienelement und wissen-
schastlichen Lehrern hat. Freilich setzt dies entsprechende Lehrer, freie Bahn
für das Studium und Befreiung der Theologie von der Zwangsjacke der
Jesuiten voraus, lauter Bedingungen, die bei uns in Tirol nicht zu treffen.
Besonders schädlich für jede freiere geistige Bildung sind aber die bischöflichen
Seminarien. In Betreff unseres Trienter Seminars brauchen wir nur an
den traurigen Zustand der Verkommenheit zu erinnern, in dem sich das
Studium der Theologie in Italien überhaupt befindet, und die Anstalt in
Trient hat von jeher ihren Stolz darin gesetzt, sich von ihren südlichen
Schwestern möglichst wenig zu unterscheiden. Mit dem 16. Jahrhundert,
eigentlich dem bekannten Concil, das von jener Stadt seinen Namen trägt,
ist für diese Anstalt die Grenze alles Wissenswerthen geschlossen. Es lernen
die heranwachsenden Seelenhirten, die noch dazu in Wälschtirol außer dem
Messelesen häufig gar keine bestimmte Beschäftigung haben, bei magerer
Kost, strenger Clausur und geistestödtenden Vorträgen nur den bescheidenen
Inhalt der Hefte, aus denen ihnen selbst noch der Schule bedürftige Leh¬
rer vorlesen. Und, damit die jungen Leute ja nicht durch unheiligen Vorwitz
zu überflüssigem Nachdenken verleitet werden, schneidet man ihnen bei jeder
auftauchenden Streitfrage alles weitere Eingehen, namentlich jede Rücksicht
auf die Einwände der (natürlich in Finsterniß versunkenen) Protestanten kurz
mit der Erklärung ab, daß das Dogma hierüber anders entschieden habe. In
*der theologischen Studienanstalt zu Brixen also außerhalb Wälschtirols,
steht es nicht viel besser. Das Bibelstudium wird z. B. ohne Rücksicht auf
das betrieben, was Kritik, Exegese, Sprachenkunde und Archäologie der
letzten zwei Jahrhunderte ans Licht gefördert haben, I'arömmv avcluz noi,
erklärte Pius IX. betreffs der Herstellung des Textes für die unter seinen
Auspicien veranstaltete Ausgabe der vaticanischen Handschrift im stolzen Ver¬
trauen aus seine Jesuiten, und der Erfolg bewies, wie sehr diese ihrer Sache
gewiß sind. Daß Kirchengeschichte und Kirchenrecht in usuw DelMm zu¬
geschnitten und bearbeitet werden, brauchen wir nach dem vorhin Angedeu¬
teten wohl kaum näher auszuführen, für Dogmatik und Moral bürgen schon
die voetoi'68 Zraves, nach denen sie „traäirt" werden. Mit dieser einseitigen
und verkrüppelten Bildung tritt nun der junge Geistliche seinen Beruf an.


Grenzboten III. 1869. 3
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[0025] der theologischen Facultät von der Universität, die Erziehung der angehenden Theologen in bischöflichen Seminarien oder im Jesuitenconvicte zu Innsbruck und die Gründung einer eigenen jesuitischen Lehranstalt bei. Der Gewinn mit der Universität vereinigter theologischer Facultäten liegt bekanntlich in der Möglichkeit allseitiger Ausbildung für die künftigen Geistlichen und braucht darum nicht besonders nachgewiesen zu werden; ist sie für den katholischen Geistlichen doch außerdem die einzige Zeit im Leben, in der derselbe Gelegenheit zum Verkehr mit dem Laienelement und wissen- schastlichen Lehrern hat. Freilich setzt dies entsprechende Lehrer, freie Bahn für das Studium und Befreiung der Theologie von der Zwangsjacke der Jesuiten voraus, lauter Bedingungen, die bei uns in Tirol nicht zu treffen. Besonders schädlich für jede freiere geistige Bildung sind aber die bischöflichen Seminarien. In Betreff unseres Trienter Seminars brauchen wir nur an den traurigen Zustand der Verkommenheit zu erinnern, in dem sich das Studium der Theologie in Italien überhaupt befindet, und die Anstalt in Trient hat von jeher ihren Stolz darin gesetzt, sich von ihren südlichen Schwestern möglichst wenig zu unterscheiden. Mit dem 16. Jahrhundert, eigentlich dem bekannten Concil, das von jener Stadt seinen Namen trägt, ist für diese Anstalt die Grenze alles Wissenswerthen geschlossen. Es lernen die heranwachsenden Seelenhirten, die noch dazu in Wälschtirol außer dem Messelesen häufig gar keine bestimmte Beschäftigung haben, bei magerer Kost, strenger Clausur und geistestödtenden Vorträgen nur den bescheidenen Inhalt der Hefte, aus denen ihnen selbst noch der Schule bedürftige Leh¬ rer vorlesen. Und, damit die jungen Leute ja nicht durch unheiligen Vorwitz zu überflüssigem Nachdenken verleitet werden, schneidet man ihnen bei jeder auftauchenden Streitfrage alles weitere Eingehen, namentlich jede Rücksicht auf die Einwände der (natürlich in Finsterniß versunkenen) Protestanten kurz mit der Erklärung ab, daß das Dogma hierüber anders entschieden habe. In *der theologischen Studienanstalt zu Brixen also außerhalb Wälschtirols, steht es nicht viel besser. Das Bibelstudium wird z. B. ohne Rücksicht auf das betrieben, was Kritik, Exegese, Sprachenkunde und Archäologie der letzten zwei Jahrhunderte ans Licht gefördert haben, I'arömmv avcluz noi, erklärte Pius IX. betreffs der Herstellung des Textes für die unter seinen Auspicien veranstaltete Ausgabe der vaticanischen Handschrift im stolzen Ver¬ trauen aus seine Jesuiten, und der Erfolg bewies, wie sehr diese ihrer Sache gewiß sind. Daß Kirchengeschichte und Kirchenrecht in usuw DelMm zu¬ geschnitten und bearbeitet werden, brauchen wir nach dem vorhin Angedeu¬ teten wohl kaum näher auszuführen, für Dogmatik und Moral bürgen schon die voetoi'68 Zraves, nach denen sie „traäirt" werden. Mit dieser einseitigen und verkrüppelten Bildung tritt nun der junge Geistliche seinen Beruf an. Grenzboten III. 1869. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/25>, abgerufen am 22.07.2024.