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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Handel eine Concurrenz, die lästig wurde, so verbot sie mit einem Male
alle Ausfuhr. Dadurch wurden natürlich alle Industrie und aller Handel ge¬
lähmt, die beide denn auch am Ende des vorigen Jahrhunderts sehr im Ver¬
fall waren.

Mit dem 1. Januar des Jahres 1800 übernahm der holländische Staat
(die damalige batavische Republik) die ostindische Compagnie mit einem Defi¬
cit von 136 Million Gulden. So schlimm hatte die Compagnie gewirth¬
schaftet, daß das Resultat für Ostindien ebenso unglücklich war wie für Hol¬
land: Und doch hatte sie seit ihrer Begründung jährlich durchschnittlich
19 Procent Dividende gezahlt. Nach Uebernahme der Verwaltung durch die
holländische Negierung (unter dem General-Gouverneur Daendels) wurde
das System der Pflichtlieferungen von Marktproducten beibehalten, jedoch
mit einigen Verbesserungen; namentlich wurden bessere Preise bezahlt, und
die ganz unbezahlten Lieferungen abgeschafft. Dagegen verpflichtete Daendels
die Bevölkerung zum Bau einer großen Militairstraße durch die ganze Länge
der Insel. Dieses ausgezeichnete Werk ist in außergewöhnlich kurzer Zeit,
aber mit der größten Rücksichtslosigkeit gegen die Eingeborenen, ausgeführt
worden. -- Es war darum nicht zu verwundern, daß die Javanen im
Jahre 1811 den Einzug der Engländer mit Freuden begrüßten. Der englische
Generallieutenant Raffles schaffte sofort das System der ostindischen Com¬
pagnie ab und führte dagegen das System der "Landrente", so wie es noch
jetzt besteht, ein. Die Einwohner konnten produciren, was sie wollten
und damit nach Gutdünken Handel treiben. Aber schon im Jahre 1816
kam Java wieder an die Holländer, und obgleich diese im Anfang geneigt
schienen, dem System des Generallieutenants Raffles zu folgen, so ver¬
ließen sie dasselbe doch allmälig. Es scheint, daß König Wilhelm I. per¬
sönlich gegen die liberale, englische Einrichtung eingenommen war, und daß
seine Regierung wegen ihrer liederlichen Finanzwirthschaft darauf bedacht
sein mußte, auf jede nur mögliche Weise von Java Vortheile zu ziehn. Dazu
kam. daß Raffles Reformen auf Schwierigkeiten gestoßen waren, die nur
durch die Zeit gelöst werden konnten. Aber im Mutterlande hatte man
keine Zeit; die Schulden häuften sich entsetzlich und die Colonien kosteten
jährlich noch einige Millionen. Zwar verbesserte sich der Zustand derselben
sichtlich, ihr Deficit machte allmälig Ueberschüssen Platz, aber das Mutter¬
land mußte Geld haben und zwar sogleich.

Die bestehenden Plantagen wurden Anfangs an die Einwohner ver¬
pachtet, und zwar mit der Verpflichtung dieselben zu unterhalten, und die
darauf fallende Landrente zu bezahlen. Mit ihren Erzeugnissen konnten die
Pächter damals nach Gutdünken handeln. Nach Ablauf des ersten Contractes
aber im Jahre 1823 wurde den Pächtern bekannt gemacht, daß sie zur


Handel eine Concurrenz, die lästig wurde, so verbot sie mit einem Male
alle Ausfuhr. Dadurch wurden natürlich alle Industrie und aller Handel ge¬
lähmt, die beide denn auch am Ende des vorigen Jahrhunderts sehr im Ver¬
fall waren.

Mit dem 1. Januar des Jahres 1800 übernahm der holländische Staat
(die damalige batavische Republik) die ostindische Compagnie mit einem Defi¬
cit von 136 Million Gulden. So schlimm hatte die Compagnie gewirth¬
schaftet, daß das Resultat für Ostindien ebenso unglücklich war wie für Hol¬
land: Und doch hatte sie seit ihrer Begründung jährlich durchschnittlich
19 Procent Dividende gezahlt. Nach Uebernahme der Verwaltung durch die
holländische Negierung (unter dem General-Gouverneur Daendels) wurde
das System der Pflichtlieferungen von Marktproducten beibehalten, jedoch
mit einigen Verbesserungen; namentlich wurden bessere Preise bezahlt, und
die ganz unbezahlten Lieferungen abgeschafft. Dagegen verpflichtete Daendels
die Bevölkerung zum Bau einer großen Militairstraße durch die ganze Länge
der Insel. Dieses ausgezeichnete Werk ist in außergewöhnlich kurzer Zeit,
aber mit der größten Rücksichtslosigkeit gegen die Eingeborenen, ausgeführt
worden. — Es war darum nicht zu verwundern, daß die Javanen im
Jahre 1811 den Einzug der Engländer mit Freuden begrüßten. Der englische
Generallieutenant Raffles schaffte sofort das System der ostindischen Com¬
pagnie ab und führte dagegen das System der „Landrente", so wie es noch
jetzt besteht, ein. Die Einwohner konnten produciren, was sie wollten
und damit nach Gutdünken Handel treiben. Aber schon im Jahre 1816
kam Java wieder an die Holländer, und obgleich diese im Anfang geneigt
schienen, dem System des Generallieutenants Raffles zu folgen, so ver¬
ließen sie dasselbe doch allmälig. Es scheint, daß König Wilhelm I. per¬
sönlich gegen die liberale, englische Einrichtung eingenommen war, und daß
seine Regierung wegen ihrer liederlichen Finanzwirthschaft darauf bedacht
sein mußte, auf jede nur mögliche Weise von Java Vortheile zu ziehn. Dazu
kam. daß Raffles Reformen auf Schwierigkeiten gestoßen waren, die nur
durch die Zeit gelöst werden konnten. Aber im Mutterlande hatte man
keine Zeit; die Schulden häuften sich entsetzlich und die Colonien kosteten
jährlich noch einige Millionen. Zwar verbesserte sich der Zustand derselben
sichtlich, ihr Deficit machte allmälig Ueberschüssen Platz, aber das Mutter¬
land mußte Geld haben und zwar sogleich.

Die bestehenden Plantagen wurden Anfangs an die Einwohner ver¬
pachtet, und zwar mit der Verpflichtung dieselben zu unterhalten, und die
darauf fallende Landrente zu bezahlen. Mit ihren Erzeugnissen konnten die
Pächter damals nach Gutdünken handeln. Nach Ablauf des ersten Contractes
aber im Jahre 1823 wurde den Pächtern bekannt gemacht, daß sie zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/112>, abgerufen am 25.08.2024.