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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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denselben abnahm. Diese Uebernahme des Sperbers verpflichtete den Be¬
treffenden die oft nicht unbeträchtlichen Kosten des Festes zu tragen. Daß
man unsern Mönch zu einem solchen Ehrenamte erwählte, zeugt deutlich von
seinem Ruhm als Dichter, und von der Unbefangenheit, mit welcher seine
Zeit die bindende Kraft klösterlicher Gelübde ansah. --

Nachdem sich der Hof von Puy aufgelöst hatte, begab sich der Mönch
nach Spanien, wo ihm sein Abt die Priorei Villafranca übertragen hatte.
Auch diese bereicherte er durch seinen Sängerlohn und starb dort in hohem
Ansehen. Die Zeit seiner Blüthe fällt in die Wende des 12. und 13. Jahr¬
hunderts. -- Wenn wir aus dieser kurzen Lebensskizze schon einen Schluß
auf den frischen ungezügelten Frohsinn des Dichters machen konnten, so wird
derselbe durch seine Lieder in vollem Maße bestätigt. Um über seine Nei¬
gungen gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, setzt der Mönch in zwei
umfangreichen Liedern mit seltener Offenheit auseinander, was in der Welt
sein gerechtes Mißfallen erregen muß. Ein drittes Lied schildert die ange¬
nehme Kehrseite der menschlichen Dinge.

Als verabscheuenswürdig gelten ihm in erster Reihe raufsüchtige und
prahlerische Menschen, ein lähmendes Pferd, ein junger Ritter mit unver-
hauenem Schilde, ein bärtiger Mönch, eine stolze, obwohl arme Dame, und
endlich ein Gemahl, der seine bessere Hälfte mit zu großer Zärtlichkeit im
Herzen trägt. Besonders dieser letztere Punkt ist für die Auffassung ehelicher
Verhältnisse unter den Trobadors charakteristisch. Ferner mißfällt ihm ein
kleines Stück Fleisch in einer großen Schüssel; daß ihn zu viel Wasser mit
wenig Wein gemischt vollends zur Verzweiflung bringen kann, würden wir
auch ohne das angerufene Zeugniß des heiligen Martin glauben. Nachdem
wir über die culinarischer Grundsätze des Mönches unterrichtet sind, läßt er
uns in gleicher Weise in die Geheimnisse seines Herzens Einblick thun. Be-
sonders üble Erfahrungen scheint er an schon gereifteren aber doch noch liebe-
bedürftigen Mitgliedern des schönen Geschlechts gemacht zu haben. Drei¬
viermal kommt er auf diesen verhaßten Punkt zurück und immer werden seine
Ausdrücke bitterer und gereizter. So:


Ich sag' euch, daß mir schrecklich widersteht
Ein altes Weib, das noch verliebt sich dreht.

Einmal versteigt er sich sogar zu dem ungalanter Ausdruck visllut e^an-RA,
altes Haus. -- So fährt er fort mit Klagen über bösen Wind bei beab¬
sichtigter Seefahrt, schlecht gefütterte Pelzkappen, falsche Freunde, ungeschickte
Geigenspieler und Sänger und andere Uebelstände dieser bösen Welt. Die
ganze Litanei der Heiligen wird zu Zeugniß und Hülfe angerufen, oft bei
Veranlassungen so bedenklicher Art. daß man geradezu an einen italienischen


denselben abnahm. Diese Uebernahme des Sperbers verpflichtete den Be¬
treffenden die oft nicht unbeträchtlichen Kosten des Festes zu tragen. Daß
man unsern Mönch zu einem solchen Ehrenamte erwählte, zeugt deutlich von
seinem Ruhm als Dichter, und von der Unbefangenheit, mit welcher seine
Zeit die bindende Kraft klösterlicher Gelübde ansah. —

Nachdem sich der Hof von Puy aufgelöst hatte, begab sich der Mönch
nach Spanien, wo ihm sein Abt die Priorei Villafranca übertragen hatte.
Auch diese bereicherte er durch seinen Sängerlohn und starb dort in hohem
Ansehen. Die Zeit seiner Blüthe fällt in die Wende des 12. und 13. Jahr¬
hunderts. — Wenn wir aus dieser kurzen Lebensskizze schon einen Schluß
auf den frischen ungezügelten Frohsinn des Dichters machen konnten, so wird
derselbe durch seine Lieder in vollem Maße bestätigt. Um über seine Nei¬
gungen gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, setzt der Mönch in zwei
umfangreichen Liedern mit seltener Offenheit auseinander, was in der Welt
sein gerechtes Mißfallen erregen muß. Ein drittes Lied schildert die ange¬
nehme Kehrseite der menschlichen Dinge.

Als verabscheuenswürdig gelten ihm in erster Reihe raufsüchtige und
prahlerische Menschen, ein lähmendes Pferd, ein junger Ritter mit unver-
hauenem Schilde, ein bärtiger Mönch, eine stolze, obwohl arme Dame, und
endlich ein Gemahl, der seine bessere Hälfte mit zu großer Zärtlichkeit im
Herzen trägt. Besonders dieser letztere Punkt ist für die Auffassung ehelicher
Verhältnisse unter den Trobadors charakteristisch. Ferner mißfällt ihm ein
kleines Stück Fleisch in einer großen Schüssel; daß ihn zu viel Wasser mit
wenig Wein gemischt vollends zur Verzweiflung bringen kann, würden wir
auch ohne das angerufene Zeugniß des heiligen Martin glauben. Nachdem
wir über die culinarischer Grundsätze des Mönches unterrichtet sind, läßt er
uns in gleicher Weise in die Geheimnisse seines Herzens Einblick thun. Be-
sonders üble Erfahrungen scheint er an schon gereifteren aber doch noch liebe-
bedürftigen Mitgliedern des schönen Geschlechts gemacht zu haben. Drei¬
viermal kommt er auf diesen verhaßten Punkt zurück und immer werden seine
Ausdrücke bitterer und gereizter. So:


Ich sag' euch, daß mir schrecklich widersteht
Ein altes Weib, das noch verliebt sich dreht.

Einmal versteigt er sich sogar zu dem ungalanter Ausdruck visllut e^an-RA,
altes Haus. — So fährt er fort mit Klagen über bösen Wind bei beab¬
sichtigter Seefahrt, schlecht gefütterte Pelzkappen, falsche Freunde, ungeschickte
Geigenspieler und Sänger und andere Uebelstände dieser bösen Welt. Die
ganze Litanei der Heiligen wird zu Zeugniß und Hülfe angerufen, oft bei
Veranlassungen so bedenklicher Art. daß man geradezu an einen italienischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/53>, abgerufen am 24.07.2024.