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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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dem ich so lange diente, seinem untergank sich nahen, ein stand den ich und
die gantze weld Ehrten verachtet und verhöret, daß ist bitter


lebens lang von HErtzen
der Ihrige
Blücher

Stargard den 2ten December 1809.

Es scheint, dieselben Maßregeln, welche der alte Held im Jahr 1809
für Ruin und Schimpf des Heeres hielt, halfen dazu, das preußische Heer
und den zornigen Blücher selbst im Jahr 1813 zu Rettern des Vaterlandes
zu machen.




Literatur.
Livländische Antwort an Juri Samarin. Bon C. Schirren. (Leipzig, Duncker
und Humblot) 1369.

Diese vor kaum drei Wochen erschienene Schrift hat bereits eine ganze Ge¬
schichte hinter sich. Die sehr starke erste Auflage ist binnen weniger Tage voll¬
ständig vergriffen, der Autor, Professor an der Dorpater Universität, sofort nach
dem Erscheinen des Buchs seiner Stellung enthoben und aus dem russischen Staats¬
dienst entlassen worden.

Schon diese Umstände deuten auf den Inhalt hin: es handelt sich um die
Abfertigung eines Moskaner Pamphletisten, der das moralische Existenzrecht des deut¬
schen Wesens an der Ostsee ebenso geleugnet hatte, wie die Verbindlichkeit der Ver¬
träge, durch welche Peter der Große für sich und seine Nachkommen den baltischen
Provinzialstaat, die lutherische Religion, deutsches Recht und deutsche Sprache den
Liv- und Estländern garantirte -- um einen Protest baltisch-deutschen Wesens gegen
die Verunglimpfung durch russischen Haß und russische Verleumdung. Der Verfasser
hat sich zur Aufgabe gemacht, seinen Gegner Schritt für Schritt zu widerlegen und
aus einer Position in die andere zu drängen; er weist nach, daß nur Gewissen¬
losigkeit die Willigkeit der Verträge von 1710 leugnen, nur Barbarei den Anspruch
erheben könne, ein 700 Jahre altes deutsches Gemeinwesen über Nacht zu einem
russischen gemacht, seine Traditionen moskowitischem Nationalitätsdünkel geopfert
zu sehen.

Auf den Inhalt dieser Schrift, die, obgleich nur zwölf Druckbogen stark, die
verschiedensten Fragen und Gebiete berührt, können wir nicht näher eingehen, zumal
wir wissen, daß die in Rede stehende Materie in^Deutschland nur auf das Interesse
eines kleinen Kreises zu rechnen hat. Aber constatiren müssen wir, daß diese Schrift
nicht in die Kategorie der gewöhnlichen Brochüren, noch weniger in die Rubrik der
"offenen Briefe" gehört. Sie ist mit einem Talent geschrieben, wie wir ihm in der


dem ich so lange diente, seinem untergank sich nahen, ein stand den ich und
die gantze weld Ehrten verachtet und verhöret, daß ist bitter


lebens lang von HErtzen
der Ihrige
Blücher

Stargard den 2ten December 1809.

Es scheint, dieselben Maßregeln, welche der alte Held im Jahr 1809
für Ruin und Schimpf des Heeres hielt, halfen dazu, das preußische Heer
und den zornigen Blücher selbst im Jahr 1813 zu Rettern des Vaterlandes
zu machen.




Literatur.
Livländische Antwort an Juri Samarin. Bon C. Schirren. (Leipzig, Duncker
und Humblot) 1369.

Diese vor kaum drei Wochen erschienene Schrift hat bereits eine ganze Ge¬
schichte hinter sich. Die sehr starke erste Auflage ist binnen weniger Tage voll¬
ständig vergriffen, der Autor, Professor an der Dorpater Universität, sofort nach
dem Erscheinen des Buchs seiner Stellung enthoben und aus dem russischen Staats¬
dienst entlassen worden.

Schon diese Umstände deuten auf den Inhalt hin: es handelt sich um die
Abfertigung eines Moskaner Pamphletisten, der das moralische Existenzrecht des deut¬
schen Wesens an der Ostsee ebenso geleugnet hatte, wie die Verbindlichkeit der Ver¬
träge, durch welche Peter der Große für sich und seine Nachkommen den baltischen
Provinzialstaat, die lutherische Religion, deutsches Recht und deutsche Sprache den
Liv- und Estländern garantirte — um einen Protest baltisch-deutschen Wesens gegen
die Verunglimpfung durch russischen Haß und russische Verleumdung. Der Verfasser
hat sich zur Aufgabe gemacht, seinen Gegner Schritt für Schritt zu widerlegen und
aus einer Position in die andere zu drängen; er weist nach, daß nur Gewissen¬
losigkeit die Willigkeit der Verträge von 1710 leugnen, nur Barbarei den Anspruch
erheben könne, ein 700 Jahre altes deutsches Gemeinwesen über Nacht zu einem
russischen gemacht, seine Traditionen moskowitischem Nationalitätsdünkel geopfert
zu sehen.

Auf den Inhalt dieser Schrift, die, obgleich nur zwölf Druckbogen stark, die
verschiedensten Fragen und Gebiete berührt, können wir nicht näher eingehen, zumal
wir wissen, daß die in Rede stehende Materie in^Deutschland nur auf das Interesse
eines kleinen Kreises zu rechnen hat. Aber constatiren müssen wir, daß diese Schrift
nicht in die Kategorie der gewöhnlichen Brochüren, noch weniger in die Rubrik der
„offenen Briefe" gehört. Sie ist mit einem Talent geschrieben, wie wir ihm in der


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[0486] dem ich so lange diente, seinem untergank sich nahen, ein stand den ich und die gantze weld Ehrten verachtet und verhöret, daß ist bitter lebens lang von HErtzen der Ihrige Blücher Stargard den 2ten December 1809. Es scheint, dieselben Maßregeln, welche der alte Held im Jahr 1809 für Ruin und Schimpf des Heeres hielt, halfen dazu, das preußische Heer und den zornigen Blücher selbst im Jahr 1813 zu Rettern des Vaterlandes zu machen. Literatur. Livländische Antwort an Juri Samarin. Bon C. Schirren. (Leipzig, Duncker und Humblot) 1369. Diese vor kaum drei Wochen erschienene Schrift hat bereits eine ganze Ge¬ schichte hinter sich. Die sehr starke erste Auflage ist binnen weniger Tage voll¬ ständig vergriffen, der Autor, Professor an der Dorpater Universität, sofort nach dem Erscheinen des Buchs seiner Stellung enthoben und aus dem russischen Staats¬ dienst entlassen worden. Schon diese Umstände deuten auf den Inhalt hin: es handelt sich um die Abfertigung eines Moskaner Pamphletisten, der das moralische Existenzrecht des deut¬ schen Wesens an der Ostsee ebenso geleugnet hatte, wie die Verbindlichkeit der Ver¬ träge, durch welche Peter der Große für sich und seine Nachkommen den baltischen Provinzialstaat, die lutherische Religion, deutsches Recht und deutsche Sprache den Liv- und Estländern garantirte — um einen Protest baltisch-deutschen Wesens gegen die Verunglimpfung durch russischen Haß und russische Verleumdung. Der Verfasser hat sich zur Aufgabe gemacht, seinen Gegner Schritt für Schritt zu widerlegen und aus einer Position in die andere zu drängen; er weist nach, daß nur Gewissen¬ losigkeit die Willigkeit der Verträge von 1710 leugnen, nur Barbarei den Anspruch erheben könne, ein 700 Jahre altes deutsches Gemeinwesen über Nacht zu einem russischen gemacht, seine Traditionen moskowitischem Nationalitätsdünkel geopfert zu sehen. Auf den Inhalt dieser Schrift, die, obgleich nur zwölf Druckbogen stark, die verschiedensten Fragen und Gebiete berührt, können wir nicht näher eingehen, zumal wir wissen, daß die in Rede stehende Materie in^Deutschland nur auf das Interesse eines kleinen Kreises zu rechnen hat. Aber constatiren müssen wir, daß diese Schrift nicht in die Kategorie der gewöhnlichen Brochüren, noch weniger in die Rubrik der „offenen Briefe" gehört. Sie ist mit einem Talent geschrieben, wie wir ihm in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/486>, abgerufen am 04.07.2024.