Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Sache zaarischen Absolutismus und zaarischer Herrlichkeit bewiesen, bedenkt Und ein solcher ist er in der That gewesen. Während selbst der Grmjboten II. 1LK9. 60
Sache zaarischen Absolutismus und zaarischer Herrlichkeit bewiesen, bedenkt Und ein solcher ist er in der That gewesen. Während selbst der Grmjboten II. 1LK9. 60
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Sache zaarischen Absolutismus und zaarischer Herrlichkeit bewiesen, bedenkt
man, daß alle diese Parteigänger wenigstens an dem Begriff der Lehnstreue
gegen den Souverain, dem sie sich verdungen, mit heiligem Eiser festhielten,
so erscheint Fick als ein aus völlig anderem Holz geschnitzter Mann, als
von all' den gemüthlichen und ungemüthlichen Vorurtheilen seiner Zeit
emancipirter Freigeist.
Und ein solcher ist er in der That gewesen. Während selbst der
eiserne Mummies, der unbedenklichste, selbstwilligste und kühnste dieser Männer
an den religiösen Anschauungen seiner Zeit ehrfurchtsvoll festhielt, alle Vor¬
schriften des strengen orthodoxen Lulherthums gewissenhaft beobachtete, sein
„Familienbuch" mit frommen Sprüchen („Der ewige und lebendige Gott, der
der rechter Vater ist über Alles, was da Kinder heißt, im Himmel und auf
Erden" — „Dem allein weisen Gott sei Ehre. Lob, Preis und Dank von
nun an bis in Ewigkeit") begann und schloß, und sicher keine seiner sittlich
mehr wie zweifelhaften Unternehmungen angriff, bevor er nicht mit seinem
Gotte „zu Rathe gegangen" — hatte Fick mit den religiösen Schranken sel¬
ner Zeit ebenso vollständig kehraus gemacht, wie mit den sittlichen Rück¬
sichten, welche ihrem Wesen nach zu aller Zeit dieselben geblieben sind. Daß
er den Pastor, der ihn in Sibirien besuchte (und von dem ausdrücklich be¬
merkt wird: er sei kein Kopfhänger oder Eiferer gewesen), durch seine Fri¬
volität verletzte, wissen wir bereits — noch sehr viel charakteristischer für
Fick's Libertinismus ist aber, was Gadebusch. der ihn 1749 kennen lernte, von
seinen persönlichen Begegnungen mit dem Herrn „Etatsrath" erzählt. Gleich
bei der ersten Bekanntschaft fordert Fick den ehrbaren Gelehrten zu einem
religiösen Dispüt heraus, in dem er bei Tafel behauptet, „daß alle Re¬
ligionen, die christlichen nicht ausgenommen, durch, List. Gewalt. Krieg und
Blutvergießen ausgebreitet worden seien", und „da er gern viel redete und
sich selbst hörte, auch sehr verdrießlich war, wenn er nicht zu Worte kam",
so weiß er über dieses Thema einen ganzen Vortrag zu halten. Obgleich
Gadebusch wenig Neigung für Auseinandersetzungen dieser Art bewiesen zu
haben scheint, sucht Fick einen Briefwechsel mit ihm anzubinden, in dem er
ihm de la Mettrie's „I'domine mackme" zukommen läßt und eine Meinungs¬
äußerung über dieses, von ihm besonders geschätzte Buch verlangt, die Gade¬
busch denn auch wirklichZabgeben muß. Wenn man in Betracht zieht, daß
das de la Mettrie'sche Buch erst ein Jahr früher erschienen und selbst in
Deutschland wenig bekannt war, auch neben den Mandeville'schen „kensees
libres" (1723) die erste eigentlich materialistische Kundgebung war, die im
18ten Jahrhundert gewagt wurde, so läßt Fick's Bekanntschaft mit demselben auf
ganz besonders „vorgeschrittene" Anschauungen und ein sehr lebhaftes Interesse '
für den Encyklopädismus schließen. Die Anschauungen dieser Philosophie
Grmjboten II. 1LK9. 60
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