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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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steiler einschlug, um se!n Ziel zu erreichen, zwingt uns. ihm das Wort zu
nehmen und einfach dem Resultat nachzugehen. Wie es bei einem Manne
von der Zähigkeit und dem Geschicke Fleth nicht anders sein konnte. -- er
bewirkte wirklich, daß ihm im August 1744 die reichen Güter von Ober-
pcchlen, Neu-Oberpahlen, Kawershof, Nemmenhof. Woiseck u. s. w., deren
Werth schon damals reichlich eine Million ausgemacht haben muß, restituirt
wurden; er wußte sogar zu bewirken, daß ihm das Allodialeigenthum an
diesen Besitzungen zugesprochen wurde, obgleich die damalige Form des Besitzes
an lip- und estländischen Rittergütern noch die lehnrechtliche war und Allo-
dien eine seltene Ausnahme bildeten. Mit der Unersättlichkeit, die Glücks¬
rittern dieser Art eigenthümlich zu sein scheint, blieb Fick aber nicht bei dem
Erreichten stehen. Er verlangte, daß ihm die während der Zeit seines Exils
entmißten Einkünfte dieser Güter ihrem vollen Betrage nach ersetzt werden
sollten, und gab sich erst nach vieljährigem Petitioniren und Jntriguiren
damit zufrieden, diesen Wunsch unerfüllt zu sehen. Der Einfluß des "frommen
und feinen" Staatssecretairs-, der ihm bisher in dieser Angelegenheit zur
Hand gewesen war, scheint nicht weit genug gereicht zu haben, um auch diese
Entschädigungsforderung zur Anerkennung zu bringen. Wie groß des Erb¬
herrn von Oberpahlen baares Vermögen trotz des "Erilii" und trotz der
der großen Spesen, die die Restitulionsangelegenheit verschlungen haben
muß, geblieben war, geht übrigens daraus hervor, daß er später noch das
Gut Klein-Tappik käuflich erwarb und als Allodialeigenthum seiner Familie
bestätigen ließ.

Seine im Jahre 1730 gewaltsam unterbrochene Hofcarriere nach der
Rückkehr aus Sibirien wieder aufzunehmen, scheint Fick nicht versucht zu
haben. Er mochte das Gefühl haben, zu schwer compromittirt zu sein, um
einen neuen Kampf mit den "teutschen" Gegnern, deren er wiederholentliche
Erwähnung thut, ohne Gefahr aufnehmen zu können; schloß das Uebergewicht,
das die altrussische Partei seit der Thronbesteigung Elisabeths erlangt hatte,
doch nicht aus, daß jede Erinnerung an den einstigen Versuch, den zaarischen
Absolutismus zu beschränken, von den ernstesten Folgen begleitet war und daß
die Frau, welche sich für die Erbin und Testamentsvollstreckerin ihres großen
Vaters ansah, ihre Souveränität eifrig bewachte. Nachdem er seine An¬
sprüche der Hauptsache nach durchgesetzt hatte, zog Fick auf seine Güter, in
deren ungestörtem und, wie es scheint, ungezügelten Genuß er noch bis zum
Frühjahr 1750 lebte.

Nicht nur in Bezug auf die politische Richtung, die er genommen und
die ihn in die Mitte des Lagers geführt, das von jeher die Quelle der er¬
bittertsten Feindschaft gegen das deutsche wie das baltische Element in Ruß-
land gewesen, auch in anderer Beziehung erscheint Heinrich Fick von den


steiler einschlug, um se!n Ziel zu erreichen, zwingt uns. ihm das Wort zu
nehmen und einfach dem Resultat nachzugehen. Wie es bei einem Manne
von der Zähigkeit und dem Geschicke Fleth nicht anders sein konnte. — er
bewirkte wirklich, daß ihm im August 1744 die reichen Güter von Ober-
pcchlen, Neu-Oberpahlen, Kawershof, Nemmenhof. Woiseck u. s. w., deren
Werth schon damals reichlich eine Million ausgemacht haben muß, restituirt
wurden; er wußte sogar zu bewirken, daß ihm das Allodialeigenthum an
diesen Besitzungen zugesprochen wurde, obgleich die damalige Form des Besitzes
an lip- und estländischen Rittergütern noch die lehnrechtliche war und Allo-
dien eine seltene Ausnahme bildeten. Mit der Unersättlichkeit, die Glücks¬
rittern dieser Art eigenthümlich zu sein scheint, blieb Fick aber nicht bei dem
Erreichten stehen. Er verlangte, daß ihm die während der Zeit seines Exils
entmißten Einkünfte dieser Güter ihrem vollen Betrage nach ersetzt werden
sollten, und gab sich erst nach vieljährigem Petitioniren und Jntriguiren
damit zufrieden, diesen Wunsch unerfüllt zu sehen. Der Einfluß des „frommen
und feinen" Staatssecretairs-, der ihm bisher in dieser Angelegenheit zur
Hand gewesen war, scheint nicht weit genug gereicht zu haben, um auch diese
Entschädigungsforderung zur Anerkennung zu bringen. Wie groß des Erb¬
herrn von Oberpahlen baares Vermögen trotz des „Erilii" und trotz der
der großen Spesen, die die Restitulionsangelegenheit verschlungen haben
muß, geblieben war, geht übrigens daraus hervor, daß er später noch das
Gut Klein-Tappik käuflich erwarb und als Allodialeigenthum seiner Familie
bestätigen ließ.

Seine im Jahre 1730 gewaltsam unterbrochene Hofcarriere nach der
Rückkehr aus Sibirien wieder aufzunehmen, scheint Fick nicht versucht zu
haben. Er mochte das Gefühl haben, zu schwer compromittirt zu sein, um
einen neuen Kampf mit den „teutschen" Gegnern, deren er wiederholentliche
Erwähnung thut, ohne Gefahr aufnehmen zu können; schloß das Uebergewicht,
das die altrussische Partei seit der Thronbesteigung Elisabeths erlangt hatte,
doch nicht aus, daß jede Erinnerung an den einstigen Versuch, den zaarischen
Absolutismus zu beschränken, von den ernstesten Folgen begleitet war und daß
die Frau, welche sich für die Erbin und Testamentsvollstreckerin ihres großen
Vaters ansah, ihre Souveränität eifrig bewachte. Nachdem er seine An¬
sprüche der Hauptsache nach durchgesetzt hatte, zog Fick auf seine Güter, in
deren ungestörtem und, wie es scheint, ungezügelten Genuß er noch bis zum
Frühjahr 1750 lebte.

Nicht nur in Bezug auf die politische Richtung, die er genommen und
die ihn in die Mitte des Lagers geführt, das von jeher die Quelle der er¬
bittertsten Feindschaft gegen das deutsche wie das baltische Element in Ruß-
land gewesen, auch in anderer Beziehung erscheint Heinrich Fick von den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/479>, abgerufen am 27.06.2024.