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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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ihm völlig zuerkannt wären. Das Haus in Se. Petersburg wäre ihm zwar
auch zugebilligt, jedoch Ihrer Kaiser!. Majest. allergnädigsten Wohlgefallen
und Ausspruch überlassen worden, weil die Kaiserin Anna es dem Hrn. von
Keyserling? auf ewig gegeben hätte, ob ihm das Haus abgenommen, oder
dem Fick eine Wiederlage gegeben werden sollte. Fick fuhr hierauf zu dem
Secretär und bat ihn, die Sache beim Vortrage also zu lenken, daß ihm des
Hauses wegen 3000 Rubel Baukosten gut gethan werden möchten. Man
hatte ihm versichert, daß in der folgenden Woche Protocoll, Resolution und
aller schriftliche Vortrag, unter aller Senatoren Unterschrift, an Ihre Kaiserl.
Majestät fertig sein sollte. Er wünschte, daß solches vor Ausgang dieses
Monates geschehen möchte, und setzte hinzu, die Großen des Hofes hätten ihm
zwar versprochen, es dahin zu bringen, daß die Kaiserin solchen Vortrag nach
Peterhof fordern sollte; allein er befürchtete, es möchte ihm dort ein deutscher
Collegiensecretär schädlich sein; was aber Ihre Majestät im Senate abmachten,
darin dürfte er sich nicht mischen. Man hätte kein Beispiel, daß die Kaiserin
den Ausspruch des Senates in Privatsachen abgeändert hätte. In der That
glaubte Fick dem Ziele seiner Wünsche schon recht nahe zu sein. Er war
noch ziemlich weit davon entfernt. Inzwischen trug es sich zu, daß bei Hofe
in Gegenwart der Kaiserin die Frage aufgeworfen ward, ob der russische
Kalender gut wäre, oder nicht? Der eine sagte dies, der andere jenes. Die
Kaiserin ward des Etatsraths Fick gewahr und sagte: da ist Fick, das ist
ein verständiger Mann; wir wollen ihn, des Kalenders halber um seine Mei¬
nung fragen. Der Kalender ist recht gut. äußerte Fick, aber es ist leider kein
Dienstag darin. Darüber konnte sich die Kaiserin nicht genug verwundern
und fragte, wie das zu verstehen wäre. Wäre ein Dienstag im Kalender ge¬
wesen, erklärte Fick, so wäre meine Sache, woran mein und meiner Familie
Wohl und Weh hängt, abgemacht. Der Dienstag jeder Woche war nämlich
der Tag. an welchem die livländischen Sachen im Senate erörtert und ent¬
schieden wurden. Dieser Einfall hatte eine erwünschte Wirkung. Es erfolgte
die Resolution: Wir begnadigen den wirklichen Etatsrath Fick mit der Re¬
stitution seiner 1732 confiscirten oberpahlischen Güter. Nichts desto weniger
mußte Fick gewahr werden, daß diese Resolution mißgedeutet ward, und als
er am 3. August 1744 im Senat war, sah er mit Kummer, daß die Resti-
tutionsukase allein an die rigische Gouvernementscanzlei gehen sollte und
nicht auch an die estländische, die Senatscanzlei, also die in Estland liegenden
Güter Poll und Waiküll ausschließen wollte, weil man nach dem Buchstaben
der Begnadigung gehen wollte und dieser nur von livländischen Gütern
sprach."

Die Ausführlichkett, mit welcher unser Dorpater Gewährsmann sich
über all die weiteren Mittel und Wege verbreitet, die der unermüdliche Bitt-


ihm völlig zuerkannt wären. Das Haus in Se. Petersburg wäre ihm zwar
auch zugebilligt, jedoch Ihrer Kaiser!. Majest. allergnädigsten Wohlgefallen
und Ausspruch überlassen worden, weil die Kaiserin Anna es dem Hrn. von
Keyserling? auf ewig gegeben hätte, ob ihm das Haus abgenommen, oder
dem Fick eine Wiederlage gegeben werden sollte. Fick fuhr hierauf zu dem
Secretär und bat ihn, die Sache beim Vortrage also zu lenken, daß ihm des
Hauses wegen 3000 Rubel Baukosten gut gethan werden möchten. Man
hatte ihm versichert, daß in der folgenden Woche Protocoll, Resolution und
aller schriftliche Vortrag, unter aller Senatoren Unterschrift, an Ihre Kaiserl.
Majestät fertig sein sollte. Er wünschte, daß solches vor Ausgang dieses
Monates geschehen möchte, und setzte hinzu, die Großen des Hofes hätten ihm
zwar versprochen, es dahin zu bringen, daß die Kaiserin solchen Vortrag nach
Peterhof fordern sollte; allein er befürchtete, es möchte ihm dort ein deutscher
Collegiensecretär schädlich sein; was aber Ihre Majestät im Senate abmachten,
darin dürfte er sich nicht mischen. Man hätte kein Beispiel, daß die Kaiserin
den Ausspruch des Senates in Privatsachen abgeändert hätte. In der That
glaubte Fick dem Ziele seiner Wünsche schon recht nahe zu sein. Er war
noch ziemlich weit davon entfernt. Inzwischen trug es sich zu, daß bei Hofe
in Gegenwart der Kaiserin die Frage aufgeworfen ward, ob der russische
Kalender gut wäre, oder nicht? Der eine sagte dies, der andere jenes. Die
Kaiserin ward des Etatsraths Fick gewahr und sagte: da ist Fick, das ist
ein verständiger Mann; wir wollen ihn, des Kalenders halber um seine Mei¬
nung fragen. Der Kalender ist recht gut. äußerte Fick, aber es ist leider kein
Dienstag darin. Darüber konnte sich die Kaiserin nicht genug verwundern
und fragte, wie das zu verstehen wäre. Wäre ein Dienstag im Kalender ge¬
wesen, erklärte Fick, so wäre meine Sache, woran mein und meiner Familie
Wohl und Weh hängt, abgemacht. Der Dienstag jeder Woche war nämlich
der Tag. an welchem die livländischen Sachen im Senate erörtert und ent¬
schieden wurden. Dieser Einfall hatte eine erwünschte Wirkung. Es erfolgte
die Resolution: Wir begnadigen den wirklichen Etatsrath Fick mit der Re¬
stitution seiner 1732 confiscirten oberpahlischen Güter. Nichts desto weniger
mußte Fick gewahr werden, daß diese Resolution mißgedeutet ward, und als
er am 3. August 1744 im Senat war, sah er mit Kummer, daß die Resti-
tutionsukase allein an die rigische Gouvernementscanzlei gehen sollte und
nicht auch an die estländische, die Senatscanzlei, also die in Estland liegenden
Güter Poll und Waiküll ausschließen wollte, weil man nach dem Buchstaben
der Begnadigung gehen wollte und dieser nur von livländischen Gütern
sprach."

Die Ausführlichkett, mit welcher unser Dorpater Gewährsmann sich
über all die weiteren Mittel und Wege verbreitet, die der unermüdliche Bitt-


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[0478] ihm völlig zuerkannt wären. Das Haus in Se. Petersburg wäre ihm zwar auch zugebilligt, jedoch Ihrer Kaiser!. Majest. allergnädigsten Wohlgefallen und Ausspruch überlassen worden, weil die Kaiserin Anna es dem Hrn. von Keyserling? auf ewig gegeben hätte, ob ihm das Haus abgenommen, oder dem Fick eine Wiederlage gegeben werden sollte. Fick fuhr hierauf zu dem Secretär und bat ihn, die Sache beim Vortrage also zu lenken, daß ihm des Hauses wegen 3000 Rubel Baukosten gut gethan werden möchten. Man hatte ihm versichert, daß in der folgenden Woche Protocoll, Resolution und aller schriftliche Vortrag, unter aller Senatoren Unterschrift, an Ihre Kaiserl. Majestät fertig sein sollte. Er wünschte, daß solches vor Ausgang dieses Monates geschehen möchte, und setzte hinzu, die Großen des Hofes hätten ihm zwar versprochen, es dahin zu bringen, daß die Kaiserin solchen Vortrag nach Peterhof fordern sollte; allein er befürchtete, es möchte ihm dort ein deutscher Collegiensecretär schädlich sein; was aber Ihre Majestät im Senate abmachten, darin dürfte er sich nicht mischen. Man hätte kein Beispiel, daß die Kaiserin den Ausspruch des Senates in Privatsachen abgeändert hätte. In der That glaubte Fick dem Ziele seiner Wünsche schon recht nahe zu sein. Er war noch ziemlich weit davon entfernt. Inzwischen trug es sich zu, daß bei Hofe in Gegenwart der Kaiserin die Frage aufgeworfen ward, ob der russische Kalender gut wäre, oder nicht? Der eine sagte dies, der andere jenes. Die Kaiserin ward des Etatsraths Fick gewahr und sagte: da ist Fick, das ist ein verständiger Mann; wir wollen ihn, des Kalenders halber um seine Mei¬ nung fragen. Der Kalender ist recht gut. äußerte Fick, aber es ist leider kein Dienstag darin. Darüber konnte sich die Kaiserin nicht genug verwundern und fragte, wie das zu verstehen wäre. Wäre ein Dienstag im Kalender ge¬ wesen, erklärte Fick, so wäre meine Sache, woran mein und meiner Familie Wohl und Weh hängt, abgemacht. Der Dienstag jeder Woche war nämlich der Tag. an welchem die livländischen Sachen im Senate erörtert und ent¬ schieden wurden. Dieser Einfall hatte eine erwünschte Wirkung. Es erfolgte die Resolution: Wir begnadigen den wirklichen Etatsrath Fick mit der Re¬ stitution seiner 1732 confiscirten oberpahlischen Güter. Nichts desto weniger mußte Fick gewahr werden, daß diese Resolution mißgedeutet ward, und als er am 3. August 1744 im Senat war, sah er mit Kummer, daß die Resti- tutionsukase allein an die rigische Gouvernementscanzlei gehen sollte und nicht auch an die estländische, die Senatscanzlei, also die in Estland liegenden Güter Poll und Waiküll ausschließen wollte, weil man nach dem Buchstaben der Begnadigung gehen wollte und dieser nur von livländischen Gütern sprach." Die Ausführlichkett, mit welcher unser Dorpater Gewährsmann sich über all die weiteren Mittel und Wege verbreitet, die der unermüdliche Bitt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/478>, abgerufen am 21.06.2024.