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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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englischer Schiffscapitain eine Besatzung für sein Schiff nehmen soll, so wird
er unter allen Umständen deutsche Matrosen vorziehen, sobald er sie bekom¬
men kann. Diese sind fachlich nicht nur ebenso tüchtig, ebenso ausdauernd
und muthig, wie die Engländer, sondern sie sind außerdem fleißig, willig und
arbeitsam zur Tages- wie zur Nachtzeit, und -- sie besitzen nicht den großen
Fehler des Trunks, der den englischen Matrosen oft zum Thier herabwürdigt,
der ihn der größten Rohheit in die Arme treibt, ihn zu Meutereien ver¬
anlaßt und Schiff und Mannschaft in kritischen Momenten in die größte
Gefahr bringt. Der große Vorzug der deutschen Matrosen besteht gerade,
darin, daß sie im Augenblicke der Gefahr durchaus verläßlich sind, keiner An¬
regung bedürfen und von selbst so viel leisten, als irgend in ihren Kräften
steht. Was es aber heißt, in solchen Augenblicken auf seine Mannschaft sich
ganz und gar verlassen zu können, das vermag nur der zu beurtheilen, der
sich in Lagen befunden hat, wo die Rettung des Schiffs allein durch die
Zuverlässigkeit der Besatzung ermöglicht worden ist.

Außerdem sind die deutschen Seeleute den englischen auch geistig über¬
legen und intelligenter. Zu dieser Ueberzeugung gelangt man nicht nur,
wenn man sich kurze Zeit unter beiden Nationalitäten bewegt, sondern sie
drängt sich uns namentlich bei einer Vergleichung der Leistungsfähigkeit der
Matrosen auf den beiderseitigen Mariner auf. Ein englisches Kriegsschiff
bedarf mit neuer Mannschaft eines Zeitraums von drei Jahren, um die Be-
satzung so auszubilden, daß sie allen Anforderungen genügt und, wie man
sagt, ausexercirt ist. Ein preußisches dagegen braucht dazu unter gleichen
Umständen nur ein Jahr, was nur in der größeren Intelligenz der deutschen
Seeleute begründet sein kann. Wir dürfen ohne Ueberhebung die Behauptung
aufstellen, daß die deutschen Seeleute die besten der Welt sind. Seitdem
unser Seehandel und unsere Schifffahrt einen bedeutenden Aufschwung ge¬
nommen haben, reicht die Küstenbevölkerung zur Deckung des Bedarfs an
Mannschaften nicht mehr aus. Das Binnenland begann deshalb seit den
letzten zwanzig Jahren sein Contingent zu liefern. Allmälig ist dieses zu
Tausenden angewachsen, aber der Umstand, daß diese Leute, welche früher
nie ein Schiff oder die See gesehen, eben so tüchtige Seeleute geworden sind
und werden, wie die Küstenbewohner, gibt das beste Zeugniß dafür, daß das
deutsche Volk die Befähigung besitzt, um eine seefahrende Nation zu werden,
und daß es ihm nicht an den nothwendigen Elementen gebricht, um sich zu
einer Seemacht ersten Ranges emporzuschwingen."




englischer Schiffscapitain eine Besatzung für sein Schiff nehmen soll, so wird
er unter allen Umständen deutsche Matrosen vorziehen, sobald er sie bekom¬
men kann. Diese sind fachlich nicht nur ebenso tüchtig, ebenso ausdauernd
und muthig, wie die Engländer, sondern sie sind außerdem fleißig, willig und
arbeitsam zur Tages- wie zur Nachtzeit, und — sie besitzen nicht den großen
Fehler des Trunks, der den englischen Matrosen oft zum Thier herabwürdigt,
der ihn der größten Rohheit in die Arme treibt, ihn zu Meutereien ver¬
anlaßt und Schiff und Mannschaft in kritischen Momenten in die größte
Gefahr bringt. Der große Vorzug der deutschen Matrosen besteht gerade,
darin, daß sie im Augenblicke der Gefahr durchaus verläßlich sind, keiner An¬
regung bedürfen und von selbst so viel leisten, als irgend in ihren Kräften
steht. Was es aber heißt, in solchen Augenblicken auf seine Mannschaft sich
ganz und gar verlassen zu können, das vermag nur der zu beurtheilen, der
sich in Lagen befunden hat, wo die Rettung des Schiffs allein durch die
Zuverlässigkeit der Besatzung ermöglicht worden ist.

Außerdem sind die deutschen Seeleute den englischen auch geistig über¬
legen und intelligenter. Zu dieser Ueberzeugung gelangt man nicht nur,
wenn man sich kurze Zeit unter beiden Nationalitäten bewegt, sondern sie
drängt sich uns namentlich bei einer Vergleichung der Leistungsfähigkeit der
Matrosen auf den beiderseitigen Mariner auf. Ein englisches Kriegsschiff
bedarf mit neuer Mannschaft eines Zeitraums von drei Jahren, um die Be-
satzung so auszubilden, daß sie allen Anforderungen genügt und, wie man
sagt, ausexercirt ist. Ein preußisches dagegen braucht dazu unter gleichen
Umständen nur ein Jahr, was nur in der größeren Intelligenz der deutschen
Seeleute begründet sein kann. Wir dürfen ohne Ueberhebung die Behauptung
aufstellen, daß die deutschen Seeleute die besten der Welt sind. Seitdem
unser Seehandel und unsere Schifffahrt einen bedeutenden Aufschwung ge¬
nommen haben, reicht die Küstenbevölkerung zur Deckung des Bedarfs an
Mannschaften nicht mehr aus. Das Binnenland begann deshalb seit den
letzten zwanzig Jahren sein Contingent zu liefern. Allmälig ist dieses zu
Tausenden angewachsen, aber der Umstand, daß diese Leute, welche früher
nie ein Schiff oder die See gesehen, eben so tüchtige Seeleute geworden sind
und werden, wie die Küstenbewohner, gibt das beste Zeugniß dafür, daß das
deutsche Volk die Befähigung besitzt, um eine seefahrende Nation zu werden,
und daß es ihm nicht an den nothwendigen Elementen gebricht, um sich zu
einer Seemacht ersten Ranges emporzuschwingen."




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[0474] englischer Schiffscapitain eine Besatzung für sein Schiff nehmen soll, so wird er unter allen Umständen deutsche Matrosen vorziehen, sobald er sie bekom¬ men kann. Diese sind fachlich nicht nur ebenso tüchtig, ebenso ausdauernd und muthig, wie die Engländer, sondern sie sind außerdem fleißig, willig und arbeitsam zur Tages- wie zur Nachtzeit, und — sie besitzen nicht den großen Fehler des Trunks, der den englischen Matrosen oft zum Thier herabwürdigt, der ihn der größten Rohheit in die Arme treibt, ihn zu Meutereien ver¬ anlaßt und Schiff und Mannschaft in kritischen Momenten in die größte Gefahr bringt. Der große Vorzug der deutschen Matrosen besteht gerade, darin, daß sie im Augenblicke der Gefahr durchaus verläßlich sind, keiner An¬ regung bedürfen und von selbst so viel leisten, als irgend in ihren Kräften steht. Was es aber heißt, in solchen Augenblicken auf seine Mannschaft sich ganz und gar verlassen zu können, das vermag nur der zu beurtheilen, der sich in Lagen befunden hat, wo die Rettung des Schiffs allein durch die Zuverlässigkeit der Besatzung ermöglicht worden ist. Außerdem sind die deutschen Seeleute den englischen auch geistig über¬ legen und intelligenter. Zu dieser Ueberzeugung gelangt man nicht nur, wenn man sich kurze Zeit unter beiden Nationalitäten bewegt, sondern sie drängt sich uns namentlich bei einer Vergleichung der Leistungsfähigkeit der Matrosen auf den beiderseitigen Mariner auf. Ein englisches Kriegsschiff bedarf mit neuer Mannschaft eines Zeitraums von drei Jahren, um die Be- satzung so auszubilden, daß sie allen Anforderungen genügt und, wie man sagt, ausexercirt ist. Ein preußisches dagegen braucht dazu unter gleichen Umständen nur ein Jahr, was nur in der größeren Intelligenz der deutschen Seeleute begründet sein kann. Wir dürfen ohne Ueberhebung die Behauptung aufstellen, daß die deutschen Seeleute die besten der Welt sind. Seitdem unser Seehandel und unsere Schifffahrt einen bedeutenden Aufschwung ge¬ nommen haben, reicht die Küstenbevölkerung zur Deckung des Bedarfs an Mannschaften nicht mehr aus. Das Binnenland begann deshalb seit den letzten zwanzig Jahren sein Contingent zu liefern. Allmälig ist dieses zu Tausenden angewachsen, aber der Umstand, daß diese Leute, welche früher nie ein Schiff oder die See gesehen, eben so tüchtige Seeleute geworden sind und werden, wie die Küstenbewohner, gibt das beste Zeugniß dafür, daß das deutsche Volk die Befähigung besitzt, um eine seefahrende Nation zu werden, und daß es ihm nicht an den nothwendigen Elementen gebricht, um sich zu einer Seemacht ersten Ranges emporzuschwingen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/474>, abgerufen am 04.07.2024.