Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pflichtig sind, sich mit preußischen Schiffen außer Landes befinden, und die
Handelsmarine würde die Einziehung der Matrosen weniger spüren). Mit
Hinzuziehung der Seewehr (8.--12. Jahrgang) ist aber auch jetzt schon die
norddeutsche Marine in der Lage, alle ihre Bedürfnisse an Mannschaft im
Kriege decken zu können, wenn auch mit mehr Belästigung des Handels als
es nach Ausführung jener Maßregel möglich sein wird. Der Friedensetat
der aus der Handelsmarine eingezogenen Matrosen aber würde sich, wenn
unser Vorschlag 1^/" jähriger Dienstzeit durchgeführt würde, bei 1600--1700
Mann Stärke der Jahrgänge auf etwa 2100 Mann stellen, also eine Zahl,
deren Einziehung der Handelsmarine kaum fühlbar werden würde, namentlich,
da die oben angegebene Zahl von 20,000 Seeleuten eben nur die dienstpflich¬
tigen Classen umfaßt, während mit Einrechnung der älteren Leute wenigstens
46.000 Seeleute in Deutschland vorhanden sind. Nach amtlichen Aufnahmen
(gelegentlich der Volkszählung 1867) waren Seeleute (incl. der nicht dienst¬
pflichtigen Jahrgänge) vorhanden: 12,005 in Altpreußen (bei 263.016 Köpfen
Küstenbevölkerung). 17.420 in den drei neuen Provinzen (407,701 K), also
zusammen in Preußen 29,425 Seeleute (670,717 K.), 3462 in Mecklenburg
(56.576 K.). 2440 in Oldenburg (58.124 K.), 600 in Lübeck, 7243 in Ham-
burg. 6150 in Bremen (384,706 Köpfe Küstenbevölkerung in den Hanse¬
städten), also zusammen in Norddeutschland 48.320 Seeleute bei 1.170,121
Küstenbevölkerung. Wir sehen also, daß, wenn die geeigneten Maßregeln
getroffen werden, die Bemannungsfrage für unsere Kriegsmarine gar keine
ernstlichen Schwierigkeiten macht, und am wenigsten die Folge haben kann,
die Bemannung der Handelsmarine zu beeinträchtigen. .Im Gegentheil,
durch die vielfache Anregung in den neuen Verhältnissen und besonders durch
die Disciplinirung der Leute, durch die Gewöhnung an Gehorsam, Ordnung,
Reinlichkeit und Schnelligkeit, wird sie die gedienten Matrosen brauchbarer
und mehr gesucht machen, als die anderen, ebenso wie im Binnenlande für
viele Verhältnisse die Leute gesucht sind, welche beim Militair gedient haben.
Die Tüchtigkeit des norddeutschen Seemanns wird dadurch noch höher stei¬
gen, er wird denen fremder Nationen noch mehr überlegen werden, als bis¬
her, wo der öfters von uns erwähnte, im Dienst der Handels- wie der Kriegs¬
marine gleich erfahrene "Fachmann" das folgende Urtheil aussprechen konnte:
"In Deutschland selbst ist man gewohnt, den englischen Seemann als den
Typus eines solchen hinzustellen, der für jede andere Nation unerreichbar
bleibt. Es ist dies aber ein großer Irrthum, und wir sind gegen uns selbst
ungerecht, wenn wir diese Ansicht theilen. Der englische Seemann ist un¬
zweifelhaft tüchtig, aber der deutsche ist ihm überlegen, und von Niemand
wird dies bereitwilliger anerkannt, als von den Engländern selbst, vielleicht
nicht öffentlich und in Zeitungsartikeln, aber durch die That, Wenn ein


Grenjboten II. 1869. 59

Pflichtig sind, sich mit preußischen Schiffen außer Landes befinden, und die
Handelsmarine würde die Einziehung der Matrosen weniger spüren). Mit
Hinzuziehung der Seewehr (8.—12. Jahrgang) ist aber auch jetzt schon die
norddeutsche Marine in der Lage, alle ihre Bedürfnisse an Mannschaft im
Kriege decken zu können, wenn auch mit mehr Belästigung des Handels als
es nach Ausführung jener Maßregel möglich sein wird. Der Friedensetat
der aus der Handelsmarine eingezogenen Matrosen aber würde sich, wenn
unser Vorschlag 1^/« jähriger Dienstzeit durchgeführt würde, bei 1600—1700
Mann Stärke der Jahrgänge auf etwa 2100 Mann stellen, also eine Zahl,
deren Einziehung der Handelsmarine kaum fühlbar werden würde, namentlich,
da die oben angegebene Zahl von 20,000 Seeleuten eben nur die dienstpflich¬
tigen Classen umfaßt, während mit Einrechnung der älteren Leute wenigstens
46.000 Seeleute in Deutschland vorhanden sind. Nach amtlichen Aufnahmen
(gelegentlich der Volkszählung 1867) waren Seeleute (incl. der nicht dienst¬
pflichtigen Jahrgänge) vorhanden: 12,005 in Altpreußen (bei 263.016 Köpfen
Küstenbevölkerung). 17.420 in den drei neuen Provinzen (407,701 K), also
zusammen in Preußen 29,425 Seeleute (670,717 K.), 3462 in Mecklenburg
(56.576 K.). 2440 in Oldenburg (58.124 K.), 600 in Lübeck, 7243 in Ham-
burg. 6150 in Bremen (384,706 Köpfe Küstenbevölkerung in den Hanse¬
städten), also zusammen in Norddeutschland 48.320 Seeleute bei 1.170,121
Küstenbevölkerung. Wir sehen also, daß, wenn die geeigneten Maßregeln
getroffen werden, die Bemannungsfrage für unsere Kriegsmarine gar keine
ernstlichen Schwierigkeiten macht, und am wenigsten die Folge haben kann,
die Bemannung der Handelsmarine zu beeinträchtigen. .Im Gegentheil,
durch die vielfache Anregung in den neuen Verhältnissen und besonders durch
die Disciplinirung der Leute, durch die Gewöhnung an Gehorsam, Ordnung,
Reinlichkeit und Schnelligkeit, wird sie die gedienten Matrosen brauchbarer
und mehr gesucht machen, als die anderen, ebenso wie im Binnenlande für
viele Verhältnisse die Leute gesucht sind, welche beim Militair gedient haben.
Die Tüchtigkeit des norddeutschen Seemanns wird dadurch noch höher stei¬
gen, er wird denen fremder Nationen noch mehr überlegen werden, als bis¬
her, wo der öfters von uns erwähnte, im Dienst der Handels- wie der Kriegs¬
marine gleich erfahrene „Fachmann" das folgende Urtheil aussprechen konnte:
„In Deutschland selbst ist man gewohnt, den englischen Seemann als den
Typus eines solchen hinzustellen, der für jede andere Nation unerreichbar
bleibt. Es ist dies aber ein großer Irrthum, und wir sind gegen uns selbst
ungerecht, wenn wir diese Ansicht theilen. Der englische Seemann ist un¬
zweifelhaft tüchtig, aber der deutsche ist ihm überlegen, und von Niemand
wird dies bereitwilliger anerkannt, als von den Engländern selbst, vielleicht
nicht öffentlich und in Zeitungsartikeln, aber durch die That, Wenn ein


Grenjboten II. 1869. 59
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121160"/>
            <p xml:id="ID_1426" prev="#ID_1425" next="#ID_1427"> Pflichtig sind, sich mit preußischen Schiffen außer Landes befinden, und die<lb/>
Handelsmarine würde die Einziehung der Matrosen weniger spüren). Mit<lb/>
Hinzuziehung der Seewehr (8.&#x2014;12. Jahrgang) ist aber auch jetzt schon die<lb/>
norddeutsche Marine in der Lage, alle ihre Bedürfnisse an Mannschaft im<lb/>
Kriege decken zu können, wenn auch mit mehr Belästigung des Handels als<lb/>
es nach Ausführung jener Maßregel möglich sein wird.  Der Friedensetat<lb/>
der aus der Handelsmarine eingezogenen Matrosen aber würde sich, wenn<lb/>
unser Vorschlag 1^/« jähriger Dienstzeit durchgeführt würde, bei 1600&#x2014;1700<lb/>
Mann Stärke der Jahrgänge auf etwa 2100 Mann stellen, also eine Zahl,<lb/>
deren Einziehung der Handelsmarine kaum fühlbar werden würde, namentlich,<lb/>
da die oben angegebene Zahl von 20,000 Seeleuten eben nur die dienstpflich¬<lb/>
tigen Classen umfaßt, während mit Einrechnung der älteren Leute wenigstens<lb/>
46.000 Seeleute in Deutschland vorhanden sind.  Nach amtlichen Aufnahmen<lb/>
(gelegentlich der Volkszählung 1867) waren Seeleute (incl. der nicht dienst¬<lb/>
pflichtigen Jahrgänge) vorhanden: 12,005 in Altpreußen (bei 263.016 Köpfen<lb/>
Küstenbevölkerung). 17.420 in den drei neuen Provinzen (407,701 K), also<lb/>
zusammen in Preußen 29,425 Seeleute (670,717 K.), 3462 in Mecklenburg<lb/>
(56.576 K.). 2440 in Oldenburg (58.124 K.), 600 in Lübeck, 7243 in Ham-<lb/>
burg. 6150 in Bremen (384,706 Köpfe Küstenbevölkerung in den Hanse¬<lb/>
städten), also zusammen in Norddeutschland 48.320 Seeleute bei 1.170,121<lb/>
Küstenbevölkerung.  Wir sehen also, daß, wenn die geeigneten Maßregeln<lb/>
getroffen werden, die Bemannungsfrage für unsere Kriegsmarine gar keine<lb/>
ernstlichen Schwierigkeiten macht, und am wenigsten die Folge haben kann,<lb/>
die Bemannung der Handelsmarine zu beeinträchtigen. .Im Gegentheil,<lb/>
durch die vielfache Anregung in den neuen Verhältnissen und besonders durch<lb/>
die Disciplinirung der Leute, durch die Gewöhnung an Gehorsam, Ordnung,<lb/>
Reinlichkeit und Schnelligkeit, wird sie die gedienten Matrosen brauchbarer<lb/>
und mehr gesucht machen, als die anderen, ebenso wie im Binnenlande für<lb/>
viele Verhältnisse die Leute gesucht sind, welche beim Militair gedient haben.<lb/>
Die Tüchtigkeit des norddeutschen Seemanns wird dadurch noch höher stei¬<lb/>
gen, er wird denen fremder Nationen noch mehr überlegen werden, als bis¬<lb/>
her, wo der öfters von uns erwähnte, im Dienst der Handels- wie der Kriegs¬<lb/>
marine gleich erfahrene &#x201E;Fachmann" das folgende Urtheil aussprechen konnte:<lb/>
&#x201E;In Deutschland selbst ist man gewohnt, den englischen Seemann als den<lb/>
Typus eines solchen hinzustellen, der für jede andere Nation unerreichbar<lb/>
bleibt.  Es ist dies aber ein großer Irrthum, und wir sind gegen uns selbst<lb/>
ungerecht, wenn wir diese Ansicht theilen.  Der englische Seemann ist un¬<lb/>
zweifelhaft tüchtig, aber der deutsche ist ihm überlegen, und von Niemand<lb/>
wird dies bereitwilliger anerkannt, als von den Engländern selbst, vielleicht<lb/>
nicht öffentlich und in Zeitungsartikeln, aber durch die That,  Wenn ein</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenjboten II. 1869. 59</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] Pflichtig sind, sich mit preußischen Schiffen außer Landes befinden, und die Handelsmarine würde die Einziehung der Matrosen weniger spüren). Mit Hinzuziehung der Seewehr (8.—12. Jahrgang) ist aber auch jetzt schon die norddeutsche Marine in der Lage, alle ihre Bedürfnisse an Mannschaft im Kriege decken zu können, wenn auch mit mehr Belästigung des Handels als es nach Ausführung jener Maßregel möglich sein wird. Der Friedensetat der aus der Handelsmarine eingezogenen Matrosen aber würde sich, wenn unser Vorschlag 1^/« jähriger Dienstzeit durchgeführt würde, bei 1600—1700 Mann Stärke der Jahrgänge auf etwa 2100 Mann stellen, also eine Zahl, deren Einziehung der Handelsmarine kaum fühlbar werden würde, namentlich, da die oben angegebene Zahl von 20,000 Seeleuten eben nur die dienstpflich¬ tigen Classen umfaßt, während mit Einrechnung der älteren Leute wenigstens 46.000 Seeleute in Deutschland vorhanden sind. Nach amtlichen Aufnahmen (gelegentlich der Volkszählung 1867) waren Seeleute (incl. der nicht dienst¬ pflichtigen Jahrgänge) vorhanden: 12,005 in Altpreußen (bei 263.016 Köpfen Küstenbevölkerung). 17.420 in den drei neuen Provinzen (407,701 K), also zusammen in Preußen 29,425 Seeleute (670,717 K.), 3462 in Mecklenburg (56.576 K.). 2440 in Oldenburg (58.124 K.), 600 in Lübeck, 7243 in Ham- burg. 6150 in Bremen (384,706 Köpfe Küstenbevölkerung in den Hanse¬ städten), also zusammen in Norddeutschland 48.320 Seeleute bei 1.170,121 Küstenbevölkerung. Wir sehen also, daß, wenn die geeigneten Maßregeln getroffen werden, die Bemannungsfrage für unsere Kriegsmarine gar keine ernstlichen Schwierigkeiten macht, und am wenigsten die Folge haben kann, die Bemannung der Handelsmarine zu beeinträchtigen. .Im Gegentheil, durch die vielfache Anregung in den neuen Verhältnissen und besonders durch die Disciplinirung der Leute, durch die Gewöhnung an Gehorsam, Ordnung, Reinlichkeit und Schnelligkeit, wird sie die gedienten Matrosen brauchbarer und mehr gesucht machen, als die anderen, ebenso wie im Binnenlande für viele Verhältnisse die Leute gesucht sind, welche beim Militair gedient haben. Die Tüchtigkeit des norddeutschen Seemanns wird dadurch noch höher stei¬ gen, er wird denen fremder Nationen noch mehr überlegen werden, als bis¬ her, wo der öfters von uns erwähnte, im Dienst der Handels- wie der Kriegs¬ marine gleich erfahrene „Fachmann" das folgende Urtheil aussprechen konnte: „In Deutschland selbst ist man gewohnt, den englischen Seemann als den Typus eines solchen hinzustellen, der für jede andere Nation unerreichbar bleibt. Es ist dies aber ein großer Irrthum, und wir sind gegen uns selbst ungerecht, wenn wir diese Ansicht theilen. Der englische Seemann ist un¬ zweifelhaft tüchtig, aber der deutsche ist ihm überlegen, und von Niemand wird dies bereitwilliger anerkannt, als von den Engländern selbst, vielleicht nicht öffentlich und in Zeitungsartikeln, aber durch die That, Wenn ein Grenjboten II. 1869. 59

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/473>, abgerufen am 04.07.2024.