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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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auch dann nicht, wenn sein Ruhm in Aller Munde war, wenn er als Günst¬
ling liederlicher Kaiser und Kaiserinnen mit einem Schweif vornehmer Clien¬
ten durch die Straße zog, wenn Kaiser und Senatoren an seinem Gespanne
die Dienste von Stallknechten verrichteten. Nur bei seltenen Rennen an hohen
Götterfesten oder auf Befehl eines eigenwilligen Herrschers oder als verlorene
Söhne betraten einmal Dilettanten aus den höheren Ständen griechischem
Brauche gemäß die Rennbahn; dergleichen fiel im Kreise römischer Natio¬
nalität immer als ein grobes Wagniß auf. Das hinderte die Jockeys natür¬
lich nicht, nach Zeitgeschmack berühmte Leute zu werden, welche auf einen
Consul und Senator übermüthig herabsahen und sich auf den Straßen Roms
Frevel und Gewaltthat erlaubten, ohne daß die Polizei einzuschreiten wagte.
Sie kamen vielleicht aus dem Sclavenstand herauf, aber sie blieben schwerlich
Sclaven, denn wenn sie den Beifall der schauenden Menge gewonnen hatten,
forderte diese im Circus selbst ihre Freilassung, und wir sind zu der An¬
nahme geneigt, daß das Meisterstück ihrer Kunst, der Sieg auf dem Vier¬
gespann, ihnen die Freiheit vermittelte, ja daß sie selbst nur Freigelassene auf
der summa yug>at'iAg, duldeten. Im Ganzen ist ihre sociale Stellung und
ihr Wesen am ersten mit dem unserer Kunstreiter zu vergleichen. -- Nicht
alle übten die gleiche Kunst; sie waren, soweit ihre Thätigkeit erkennbar
ist, entweder Abspringer, clesultorös, welche als Reiter mit zwei Rossen
rannten, und während des Rennens die Rosse wechselten, oder Kutscher, sgi"
es-toiW. Beide traten in ähnlicher Jockeytracht und in den Farben ihrer
Partei auf, aber die Kutscher waren seit der Kaiserzeit die Abtheilung, an
welche sich das leidenschaftlichste Interesse heftete. Als Sieger erhielten sie
im Circus das Siegeszeichen, die Palme, und die ausgesetzten Preise; ihr
Name wurde in die Zeitungen (aetg) und durch Stutuen auf die Nachwelt
gebracht, und berühmte Kutscher müssen selbst Rennpferde als Eigenthum ge¬
habt, oder unabhängig von den Clubs als Vorsteher von Gestüten reicher
Privatleute besorgt haben. Denn ihre Abhängigkeit von dem Club, dem sie
zugehören, ist keine dauernde, sie gehen von einer Partei zur andern über
und nehmen dann ihre Leitpferde mit. Dieser Wechsel der Partei scheint
bei berühmten Jockey's so lange erfolgt zu sein, bis sie selbst als Capita¬
lien unter die Mitglieder eines Clubs aufgenommen wurden. Sie bil¬
deten alle zusammen zu Rom eine Brüderschaft unter Vorstehern mit Heilig-
thum und Lade. Ihre Laufbahn ist nicht ohne Interesse, früh begann die harte
Schule des Stalls, sie übten sich auf den Privatbahnen, welche ihre Clubs
oder vornehme Römerin den großen Gärten angelegt hatten, und traten als
Anfänger im Circus zuerst mit dem Zweigespann auf. Hatten sie darauf
eine große Anzahl Siege gewonnen -- der Jockey Diokles z. B. tausend Siege
auf der Biga, -- so erwarben sie das Bürgerrecht des Circus durch einen


auch dann nicht, wenn sein Ruhm in Aller Munde war, wenn er als Günst¬
ling liederlicher Kaiser und Kaiserinnen mit einem Schweif vornehmer Clien¬
ten durch die Straße zog, wenn Kaiser und Senatoren an seinem Gespanne
die Dienste von Stallknechten verrichteten. Nur bei seltenen Rennen an hohen
Götterfesten oder auf Befehl eines eigenwilligen Herrschers oder als verlorene
Söhne betraten einmal Dilettanten aus den höheren Ständen griechischem
Brauche gemäß die Rennbahn; dergleichen fiel im Kreise römischer Natio¬
nalität immer als ein grobes Wagniß auf. Das hinderte die Jockeys natür¬
lich nicht, nach Zeitgeschmack berühmte Leute zu werden, welche auf einen
Consul und Senator übermüthig herabsahen und sich auf den Straßen Roms
Frevel und Gewaltthat erlaubten, ohne daß die Polizei einzuschreiten wagte.
Sie kamen vielleicht aus dem Sclavenstand herauf, aber sie blieben schwerlich
Sclaven, denn wenn sie den Beifall der schauenden Menge gewonnen hatten,
forderte diese im Circus selbst ihre Freilassung, und wir sind zu der An¬
nahme geneigt, daß das Meisterstück ihrer Kunst, der Sieg auf dem Vier¬
gespann, ihnen die Freiheit vermittelte, ja daß sie selbst nur Freigelassene auf
der summa yug>at'iAg, duldeten. Im Ganzen ist ihre sociale Stellung und
ihr Wesen am ersten mit dem unserer Kunstreiter zu vergleichen. — Nicht
alle übten die gleiche Kunst; sie waren, soweit ihre Thätigkeit erkennbar
ist, entweder Abspringer, clesultorös, welche als Reiter mit zwei Rossen
rannten, und während des Rennens die Rosse wechselten, oder Kutscher, sgi»
es-toiW. Beide traten in ähnlicher Jockeytracht und in den Farben ihrer
Partei auf, aber die Kutscher waren seit der Kaiserzeit die Abtheilung, an
welche sich das leidenschaftlichste Interesse heftete. Als Sieger erhielten sie
im Circus das Siegeszeichen, die Palme, und die ausgesetzten Preise; ihr
Name wurde in die Zeitungen (aetg) und durch Stutuen auf die Nachwelt
gebracht, und berühmte Kutscher müssen selbst Rennpferde als Eigenthum ge¬
habt, oder unabhängig von den Clubs als Vorsteher von Gestüten reicher
Privatleute besorgt haben. Denn ihre Abhängigkeit von dem Club, dem sie
zugehören, ist keine dauernde, sie gehen von einer Partei zur andern über
und nehmen dann ihre Leitpferde mit. Dieser Wechsel der Partei scheint
bei berühmten Jockey's so lange erfolgt zu sein, bis sie selbst als Capita¬
lien unter die Mitglieder eines Clubs aufgenommen wurden. Sie bil¬
deten alle zusammen zu Rom eine Brüderschaft unter Vorstehern mit Heilig-
thum und Lade. Ihre Laufbahn ist nicht ohne Interesse, früh begann die harte
Schule des Stalls, sie übten sich auf den Privatbahnen, welche ihre Clubs
oder vornehme Römerin den großen Gärten angelegt hatten, und traten als
Anfänger im Circus zuerst mit dem Zweigespann auf. Hatten sie darauf
eine große Anzahl Siege gewonnen — der Jockey Diokles z. B. tausend Siege
auf der Biga, — so erwarben sie das Bürgerrecht des Circus durch einen


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[0456] auch dann nicht, wenn sein Ruhm in Aller Munde war, wenn er als Günst¬ ling liederlicher Kaiser und Kaiserinnen mit einem Schweif vornehmer Clien¬ ten durch die Straße zog, wenn Kaiser und Senatoren an seinem Gespanne die Dienste von Stallknechten verrichteten. Nur bei seltenen Rennen an hohen Götterfesten oder auf Befehl eines eigenwilligen Herrschers oder als verlorene Söhne betraten einmal Dilettanten aus den höheren Ständen griechischem Brauche gemäß die Rennbahn; dergleichen fiel im Kreise römischer Natio¬ nalität immer als ein grobes Wagniß auf. Das hinderte die Jockeys natür¬ lich nicht, nach Zeitgeschmack berühmte Leute zu werden, welche auf einen Consul und Senator übermüthig herabsahen und sich auf den Straßen Roms Frevel und Gewaltthat erlaubten, ohne daß die Polizei einzuschreiten wagte. Sie kamen vielleicht aus dem Sclavenstand herauf, aber sie blieben schwerlich Sclaven, denn wenn sie den Beifall der schauenden Menge gewonnen hatten, forderte diese im Circus selbst ihre Freilassung, und wir sind zu der An¬ nahme geneigt, daß das Meisterstück ihrer Kunst, der Sieg auf dem Vier¬ gespann, ihnen die Freiheit vermittelte, ja daß sie selbst nur Freigelassene auf der summa yug>at'iAg, duldeten. Im Ganzen ist ihre sociale Stellung und ihr Wesen am ersten mit dem unserer Kunstreiter zu vergleichen. — Nicht alle übten die gleiche Kunst; sie waren, soweit ihre Thätigkeit erkennbar ist, entweder Abspringer, clesultorös, welche als Reiter mit zwei Rossen rannten, und während des Rennens die Rosse wechselten, oder Kutscher, sgi» es-toiW. Beide traten in ähnlicher Jockeytracht und in den Farben ihrer Partei auf, aber die Kutscher waren seit der Kaiserzeit die Abtheilung, an welche sich das leidenschaftlichste Interesse heftete. Als Sieger erhielten sie im Circus das Siegeszeichen, die Palme, und die ausgesetzten Preise; ihr Name wurde in die Zeitungen (aetg) und durch Stutuen auf die Nachwelt gebracht, und berühmte Kutscher müssen selbst Rennpferde als Eigenthum ge¬ habt, oder unabhängig von den Clubs als Vorsteher von Gestüten reicher Privatleute besorgt haben. Denn ihre Abhängigkeit von dem Club, dem sie zugehören, ist keine dauernde, sie gehen von einer Partei zur andern über und nehmen dann ihre Leitpferde mit. Dieser Wechsel der Partei scheint bei berühmten Jockey's so lange erfolgt zu sein, bis sie selbst als Capita¬ lien unter die Mitglieder eines Clubs aufgenommen wurden. Sie bil¬ deten alle zusammen zu Rom eine Brüderschaft unter Vorstehern mit Heilig- thum und Lade. Ihre Laufbahn ist nicht ohne Interesse, früh begann die harte Schule des Stalls, sie übten sich auf den Privatbahnen, welche ihre Clubs oder vornehme Römerin den großen Gärten angelegt hatten, und traten als Anfänger im Circus zuerst mit dem Zweigespann auf. Hatten sie darauf eine große Anzahl Siege gewonnen — der Jockey Diokles z. B. tausend Siege auf der Biga, — so erwarben sie das Bürgerrecht des Circus durch einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/456>, abgerufen am 04.07.2024.