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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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und vor Allem Vertrauen zu den Kirchenbehörden verlangt, damit diese im
Stande seien, mit thunlichsten Nachdruck allen Feinden entgegenzutreten.

Auf allen Kanzeln aber wurde, da nun von oben das Signal gegeben
war, gegen die Union gepredigt, dieselbe geradezu als Teufelswerk, als
Sünde wider den heiligen Geist bezeichnet. Die orthodoxen Zeitschriften
wimmelten von den gehässigsten Angriffen wider die Union. Ein Pastor
Grote gab eine Anzahl Thesen wider die Union heraus, die von so un-
flathigen Beleidigungen strotzten, daß gegen ihn die öffentliche Anklage er¬
hoben wurde, welche dann zu seiner Amtsentsetzung führte.

Uebrigens bewies die Regierung eine fast zu weit gehende Langmuth
gegen die Schmähungen und Aussetzungen der Orthodoxen, die leider in rein
kirchlicher Hinsicht einen mächtigen Rückhalt an dem Minister Muster fanden,
welcher ihnen sogar manche politische Sünde vergab, um nur in den Ortho¬
doxen ein Gegengewicht gegen die die Politik der Regierung unterstützenden
Liberalen zu finden.

Wir betrachten es als ein wahres Glück für die liberale Sache in Staat
und Kirche, daß Junkerthum und Geistlichkeit zu fest verbissen in ihrer Welfo-
manie waren und sind, um für die Lockungen der Regierung zugänglich
zu sein.

In den inneren kirchlichen Fragen wußte sich zwar das Landesconststo-
rium in Berlin ziemlich freie Hand zu verschaffen, wie die obige Darlegung
hinsichtlich der Ausführung des Synodalgesetzes zeigt -- allein, so bald das
politische Gebiet berührt wurde, war der schärfste Gegensatz da. So hatte
das Landesconsistonum zwar der bestimmten höheren Anweisung entsprechend
den'Geistlichen befohlen, das Kirchengebet für den König zu sprechen, allein
dieselben dabei instruirt, ausdrücklich hervorzuheben, "es geschehe dies auf be¬
stimmten höheren Befehl und es sei eine Pflicht, die zu erfüllen dem Herzen
schwer sei, allein eingedenk des Bibelworts: "Thue Bitte, Gebet, Fürbitte
für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit" könne und
müsse auch dieses Gebet gesprochen werden."

Die Fürbitte für den preußischen Landtag im Kirchengebet anzuordnen
hatte dagegen das Landesconsistonum entschieden verweigert und durch diese
bis zu höchster Stelle verfochten" Weigerung die Sache bis zum Schluß des
Landtages zu verzögern gewußt.

Besonders bitter aber wurde die Opposition gegen die Absicht der Re¬
gierung, die Leitung des Volksschulwesens von den Consistorien auf weltliche
Behörden zu übertragen, geführt. Das Landesconsistorium sprach sich ein¬
hellig dagegen aus und erklärte solche Maßregel für einen Rechts- und Ver-
fassungsbruch. Der bisherige Generalsecretair im früheren hannoverschen
Cultusministerium, Geh. Regierungsrath Bruck, nahm seinen Abschied, um


und vor Allem Vertrauen zu den Kirchenbehörden verlangt, damit diese im
Stande seien, mit thunlichsten Nachdruck allen Feinden entgegenzutreten.

Auf allen Kanzeln aber wurde, da nun von oben das Signal gegeben
war, gegen die Union gepredigt, dieselbe geradezu als Teufelswerk, als
Sünde wider den heiligen Geist bezeichnet. Die orthodoxen Zeitschriften
wimmelten von den gehässigsten Angriffen wider die Union. Ein Pastor
Grote gab eine Anzahl Thesen wider die Union heraus, die von so un-
flathigen Beleidigungen strotzten, daß gegen ihn die öffentliche Anklage er¬
hoben wurde, welche dann zu seiner Amtsentsetzung führte.

Uebrigens bewies die Regierung eine fast zu weit gehende Langmuth
gegen die Schmähungen und Aussetzungen der Orthodoxen, die leider in rein
kirchlicher Hinsicht einen mächtigen Rückhalt an dem Minister Muster fanden,
welcher ihnen sogar manche politische Sünde vergab, um nur in den Ortho¬
doxen ein Gegengewicht gegen die die Politik der Regierung unterstützenden
Liberalen zu finden.

Wir betrachten es als ein wahres Glück für die liberale Sache in Staat
und Kirche, daß Junkerthum und Geistlichkeit zu fest verbissen in ihrer Welfo-
manie waren und sind, um für die Lockungen der Regierung zugänglich
zu sein.

In den inneren kirchlichen Fragen wußte sich zwar das Landesconststo-
rium in Berlin ziemlich freie Hand zu verschaffen, wie die obige Darlegung
hinsichtlich der Ausführung des Synodalgesetzes zeigt — allein, so bald das
politische Gebiet berührt wurde, war der schärfste Gegensatz da. So hatte
das Landesconsistonum zwar der bestimmten höheren Anweisung entsprechend
den'Geistlichen befohlen, das Kirchengebet für den König zu sprechen, allein
dieselben dabei instruirt, ausdrücklich hervorzuheben, „es geschehe dies auf be¬
stimmten höheren Befehl und es sei eine Pflicht, die zu erfüllen dem Herzen
schwer sei, allein eingedenk des Bibelworts: „Thue Bitte, Gebet, Fürbitte
für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit" könne und
müsse auch dieses Gebet gesprochen werden."

Die Fürbitte für den preußischen Landtag im Kirchengebet anzuordnen
hatte dagegen das Landesconsistonum entschieden verweigert und durch diese
bis zu höchster Stelle verfochten« Weigerung die Sache bis zum Schluß des
Landtages zu verzögern gewußt.

Besonders bitter aber wurde die Opposition gegen die Absicht der Re¬
gierung, die Leitung des Volksschulwesens von den Consistorien auf weltliche
Behörden zu übertragen, geführt. Das Landesconsistorium sprach sich ein¬
hellig dagegen aus und erklärte solche Maßregel für einen Rechts- und Ver-
fassungsbruch. Der bisherige Generalsecretair im früheren hannoverschen
Cultusministerium, Geh. Regierungsrath Bruck, nahm seinen Abschied, um


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[0426] und vor Allem Vertrauen zu den Kirchenbehörden verlangt, damit diese im Stande seien, mit thunlichsten Nachdruck allen Feinden entgegenzutreten. Auf allen Kanzeln aber wurde, da nun von oben das Signal gegeben war, gegen die Union gepredigt, dieselbe geradezu als Teufelswerk, als Sünde wider den heiligen Geist bezeichnet. Die orthodoxen Zeitschriften wimmelten von den gehässigsten Angriffen wider die Union. Ein Pastor Grote gab eine Anzahl Thesen wider die Union heraus, die von so un- flathigen Beleidigungen strotzten, daß gegen ihn die öffentliche Anklage er¬ hoben wurde, welche dann zu seiner Amtsentsetzung führte. Uebrigens bewies die Regierung eine fast zu weit gehende Langmuth gegen die Schmähungen und Aussetzungen der Orthodoxen, die leider in rein kirchlicher Hinsicht einen mächtigen Rückhalt an dem Minister Muster fanden, welcher ihnen sogar manche politische Sünde vergab, um nur in den Ortho¬ doxen ein Gegengewicht gegen die die Politik der Regierung unterstützenden Liberalen zu finden. Wir betrachten es als ein wahres Glück für die liberale Sache in Staat und Kirche, daß Junkerthum und Geistlichkeit zu fest verbissen in ihrer Welfo- manie waren und sind, um für die Lockungen der Regierung zugänglich zu sein. In den inneren kirchlichen Fragen wußte sich zwar das Landesconststo- rium in Berlin ziemlich freie Hand zu verschaffen, wie die obige Darlegung hinsichtlich der Ausführung des Synodalgesetzes zeigt — allein, so bald das politische Gebiet berührt wurde, war der schärfste Gegensatz da. So hatte das Landesconsistonum zwar der bestimmten höheren Anweisung entsprechend den'Geistlichen befohlen, das Kirchengebet für den König zu sprechen, allein dieselben dabei instruirt, ausdrücklich hervorzuheben, „es geschehe dies auf be¬ stimmten höheren Befehl und es sei eine Pflicht, die zu erfüllen dem Herzen schwer sei, allein eingedenk des Bibelworts: „Thue Bitte, Gebet, Fürbitte für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit" könne und müsse auch dieses Gebet gesprochen werden." Die Fürbitte für den preußischen Landtag im Kirchengebet anzuordnen hatte dagegen das Landesconsistonum entschieden verweigert und durch diese bis zu höchster Stelle verfochten« Weigerung die Sache bis zum Schluß des Landtages zu verzögern gewußt. Besonders bitter aber wurde die Opposition gegen die Absicht der Re¬ gierung, die Leitung des Volksschulwesens von den Consistorien auf weltliche Behörden zu übertragen, geführt. Das Landesconsistorium sprach sich ein¬ hellig dagegen aus und erklärte solche Maßregel für einen Rechts- und Ver- fassungsbruch. Der bisherige Generalsecretair im früheren hannoverschen Cultusministerium, Geh. Regierungsrath Bruck, nahm seinen Abschied, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/426>, abgerufen am 24.07.2024.