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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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lung des Inhaltes der deutschen Heldengedichte, sowie durch einzelne feine Be"
merkungen über lyrische Poesie hat die Literaturgeschichte Vilmar^s eine weite Ver¬
breitung unter der strebenden Jugend gefunden. Kluger Weise hütete sich der fromme
Mann, den rasch folgenden neuen Auflagen seines Werkes seinen religiösen und
politischen Standpunkt, der von Jahr zu Jahr einseitiger wurde, aufzuprägen.
Wenn auch ein strengkirchlicher Geist die Literaturgeschichte durchweht, der leibhaftige
Gottseibeiuns, sichtbar und mit Händen greifbar, wie ihn Mlmar in den letzten
Lebensjahren öfter schaute, spielt in ihr noch keine Rolle; auch wird die gepriesene
deutsche Treue nicht ausschließlich auf den Kurfürsten von Hessen und seine Unter¬
thanen bezogen. Anders verhält es sich mit diesen Lebensbildern. .In dem Staats¬
und Gesellschaftslexikon von Wagener mochten sie am Platze sein, in den Schulen
aber können sie nur verderblich wirken. Vom allerchristlichsten und allerunterthänig-
ster Standpunkte aus werden die Heroen unserer Literatur abgeurtheilt. Nur bei
dem Lebensbilde Goethe's erwächst die Kritik aus dem Boden des Wohlwollens.
Goethe's Poesie, meint Vilmar, darf nicht verworfen werden, denn es ist nicht ver¬
boten und kann nicht verboten sein, "die Sünde darzustellen, wie sie ist, in ihrer
reinen Form". Die Weltfreude und das Weltleid, das Suchen und Zweifeln, das
Fallen und Untergehen muß zur vollen Erscheinung in dieser Poesie kommen. Ge¬
schieht dies in völliger Objectivität, dann soll die christliche Anschauung nicht ver¬
dammen. Feindselig aber wird sie sich immer verhalten gegen eine subjective und
rhetorische Dichtung mit ähnlichen Tendenzen und sehr feindselig verhält sich Vilmar
zu dem Leben und den Werken Schillers. Nach der Ansicht des frommen Literar¬
historikers besaß unser großer Dramatiker nicht die mindeste Neigung für die Ord¬
nung einer praktischen Berufsthätigkeit. Mit seiner Dichtung wollte er stets etwas
erreichen, in der früheren Zeit Ruhm und gesicherte Lebensstellung, in der späteren
Zeit die letztere. Seine Beziehungen zu den Frauen sind alles und jedes poetischen
Schmelzes und Duftes baar und ledig. Einzelne Briefe handeln nur von dem ernst¬
lichsten Bestreben, "sich eine reiche Frau zu verschaffen". Um Margarethe Schwan
bewarb er sich ohne tiefe Neigung, lediglich um sich eine Existenz zu bereiten. Der
Charlotte von Kalb ist er "glücklich entschlüpft". -- Die dramatischen Jugend¬
dichtungen Schiller's können als Dramen bedeutenden Ranges nicht gelten, sie strotzen
Von innerer Unwahrheit, dem Don Carlos fehlt die volle Theilnahme und Hin¬
gebung des Dichters. Die fünf großen späteren Dramen Schiller's lassen eine
vollendete dichterische Plastik vermissen. Wilhelm Tell und die Jungfrau von
Orleans werden ausführlicher besprochen, um nachzuweisen, daß Schiller weit ent¬
fernt war, "in dem heutigen Sinne freiheitlich gesinnt zu sein, d. h. die histori¬
schen Grundlagen der deutschen Monarchien erschüttern zu wollen".
In den "Göttern Griechenlands" und dem "Lied an die Freude" , "einem Gewebe
unerträglicher Phrasen", hat Schiller seinen Abfall von dem Offenbarungsglauben
documentirt, zu dem er auch fortwährend in einem unverhüllten, scharf hervortreten¬
den feindlichen Verhältniß stand, obwohl er den wahren Gott sehr gut und zwar
durch seine Mutter kennen gelernt hatte. -- Viel milder als Schiller werden die bei¬
den Schlegel beurtheilt. Sie hatten das edle Streben, den literarischen Rationa¬
lismus auszutreiben und alles Phrasenhafte und dürr Abstracte mit dem schärfsten
Secirmesser wegzuschneiden. Bei Schiller's Abneigung gegen die Schlegel "wirkte
vielleicht sogar der beiden Brüder unleugbare Ueberlegenheit an Kenntnissen mit."
Eine volle Schale des Zornes gießt Vilmar über Johann Heinrich Voß aus;
pflegte dieser doch den lebendigen Gott des alten Testamentes nie anders zu nennen
als den "Hebräer-Tyrann". -- Was soll solch verschrobener Sinn unserer Jugend!




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von A. L. Hervig. -- Druck von Hüthel L Legler in Leipzig.

lung des Inhaltes der deutschen Heldengedichte, sowie durch einzelne feine Be«
merkungen über lyrische Poesie hat die Literaturgeschichte Vilmar^s eine weite Ver¬
breitung unter der strebenden Jugend gefunden. Kluger Weise hütete sich der fromme
Mann, den rasch folgenden neuen Auflagen seines Werkes seinen religiösen und
politischen Standpunkt, der von Jahr zu Jahr einseitiger wurde, aufzuprägen.
Wenn auch ein strengkirchlicher Geist die Literaturgeschichte durchweht, der leibhaftige
Gottseibeiuns, sichtbar und mit Händen greifbar, wie ihn Mlmar in den letzten
Lebensjahren öfter schaute, spielt in ihr noch keine Rolle; auch wird die gepriesene
deutsche Treue nicht ausschließlich auf den Kurfürsten von Hessen und seine Unter¬
thanen bezogen. Anders verhält es sich mit diesen Lebensbildern. .In dem Staats¬
und Gesellschaftslexikon von Wagener mochten sie am Platze sein, in den Schulen
aber können sie nur verderblich wirken. Vom allerchristlichsten und allerunterthänig-
ster Standpunkte aus werden die Heroen unserer Literatur abgeurtheilt. Nur bei
dem Lebensbilde Goethe's erwächst die Kritik aus dem Boden des Wohlwollens.
Goethe's Poesie, meint Vilmar, darf nicht verworfen werden, denn es ist nicht ver¬
boten und kann nicht verboten sein, „die Sünde darzustellen, wie sie ist, in ihrer
reinen Form". Die Weltfreude und das Weltleid, das Suchen und Zweifeln, das
Fallen und Untergehen muß zur vollen Erscheinung in dieser Poesie kommen. Ge¬
schieht dies in völliger Objectivität, dann soll die christliche Anschauung nicht ver¬
dammen. Feindselig aber wird sie sich immer verhalten gegen eine subjective und
rhetorische Dichtung mit ähnlichen Tendenzen und sehr feindselig verhält sich Vilmar
zu dem Leben und den Werken Schillers. Nach der Ansicht des frommen Literar¬
historikers besaß unser großer Dramatiker nicht die mindeste Neigung für die Ord¬
nung einer praktischen Berufsthätigkeit. Mit seiner Dichtung wollte er stets etwas
erreichen, in der früheren Zeit Ruhm und gesicherte Lebensstellung, in der späteren
Zeit die letztere. Seine Beziehungen zu den Frauen sind alles und jedes poetischen
Schmelzes und Duftes baar und ledig. Einzelne Briefe handeln nur von dem ernst¬
lichsten Bestreben, „sich eine reiche Frau zu verschaffen". Um Margarethe Schwan
bewarb er sich ohne tiefe Neigung, lediglich um sich eine Existenz zu bereiten. Der
Charlotte von Kalb ist er „glücklich entschlüpft". — Die dramatischen Jugend¬
dichtungen Schiller's können als Dramen bedeutenden Ranges nicht gelten, sie strotzen
Von innerer Unwahrheit, dem Don Carlos fehlt die volle Theilnahme und Hin¬
gebung des Dichters. Die fünf großen späteren Dramen Schiller's lassen eine
vollendete dichterische Plastik vermissen. Wilhelm Tell und die Jungfrau von
Orleans werden ausführlicher besprochen, um nachzuweisen, daß Schiller weit ent¬
fernt war, „in dem heutigen Sinne freiheitlich gesinnt zu sein, d. h. die histori¬
schen Grundlagen der deutschen Monarchien erschüttern zu wollen".
In den „Göttern Griechenlands" und dem „Lied an die Freude" , „einem Gewebe
unerträglicher Phrasen", hat Schiller seinen Abfall von dem Offenbarungsglauben
documentirt, zu dem er auch fortwährend in einem unverhüllten, scharf hervortreten¬
den feindlichen Verhältniß stand, obwohl er den wahren Gott sehr gut und zwar
durch seine Mutter kennen gelernt hatte. — Viel milder als Schiller werden die bei¬
den Schlegel beurtheilt. Sie hatten das edle Streben, den literarischen Rationa¬
lismus auszutreiben und alles Phrasenhafte und dürr Abstracte mit dem schärfsten
Secirmesser wegzuschneiden. Bei Schiller's Abneigung gegen die Schlegel „wirkte
vielleicht sogar der beiden Brüder unleugbare Ueberlegenheit an Kenntnissen mit."
Eine volle Schale des Zornes gießt Vilmar über Johann Heinrich Voß aus;
pflegte dieser doch den lebendigen Gott des alten Testamentes nie anders zu nennen
als den „Hebräer-Tyrann". — Was soll solch verschrobener Sinn unserer Jugend!




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von A. L. Hervig. — Druck von Hüthel L Legler in Leipzig.
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[0368] lung des Inhaltes der deutschen Heldengedichte, sowie durch einzelne feine Be« merkungen über lyrische Poesie hat die Literaturgeschichte Vilmar^s eine weite Ver¬ breitung unter der strebenden Jugend gefunden. Kluger Weise hütete sich der fromme Mann, den rasch folgenden neuen Auflagen seines Werkes seinen religiösen und politischen Standpunkt, der von Jahr zu Jahr einseitiger wurde, aufzuprägen. Wenn auch ein strengkirchlicher Geist die Literaturgeschichte durchweht, der leibhaftige Gottseibeiuns, sichtbar und mit Händen greifbar, wie ihn Mlmar in den letzten Lebensjahren öfter schaute, spielt in ihr noch keine Rolle; auch wird die gepriesene deutsche Treue nicht ausschließlich auf den Kurfürsten von Hessen und seine Unter¬ thanen bezogen. Anders verhält es sich mit diesen Lebensbildern. .In dem Staats¬ und Gesellschaftslexikon von Wagener mochten sie am Platze sein, in den Schulen aber können sie nur verderblich wirken. Vom allerchristlichsten und allerunterthänig- ster Standpunkte aus werden die Heroen unserer Literatur abgeurtheilt. Nur bei dem Lebensbilde Goethe's erwächst die Kritik aus dem Boden des Wohlwollens. Goethe's Poesie, meint Vilmar, darf nicht verworfen werden, denn es ist nicht ver¬ boten und kann nicht verboten sein, „die Sünde darzustellen, wie sie ist, in ihrer reinen Form". Die Weltfreude und das Weltleid, das Suchen und Zweifeln, das Fallen und Untergehen muß zur vollen Erscheinung in dieser Poesie kommen. Ge¬ schieht dies in völliger Objectivität, dann soll die christliche Anschauung nicht ver¬ dammen. Feindselig aber wird sie sich immer verhalten gegen eine subjective und rhetorische Dichtung mit ähnlichen Tendenzen und sehr feindselig verhält sich Vilmar zu dem Leben und den Werken Schillers. Nach der Ansicht des frommen Literar¬ historikers besaß unser großer Dramatiker nicht die mindeste Neigung für die Ord¬ nung einer praktischen Berufsthätigkeit. Mit seiner Dichtung wollte er stets etwas erreichen, in der früheren Zeit Ruhm und gesicherte Lebensstellung, in der späteren Zeit die letztere. Seine Beziehungen zu den Frauen sind alles und jedes poetischen Schmelzes und Duftes baar und ledig. Einzelne Briefe handeln nur von dem ernst¬ lichsten Bestreben, „sich eine reiche Frau zu verschaffen". Um Margarethe Schwan bewarb er sich ohne tiefe Neigung, lediglich um sich eine Existenz zu bereiten. Der Charlotte von Kalb ist er „glücklich entschlüpft". — Die dramatischen Jugend¬ dichtungen Schiller's können als Dramen bedeutenden Ranges nicht gelten, sie strotzen Von innerer Unwahrheit, dem Don Carlos fehlt die volle Theilnahme und Hin¬ gebung des Dichters. Die fünf großen späteren Dramen Schiller's lassen eine vollendete dichterische Plastik vermissen. Wilhelm Tell und die Jungfrau von Orleans werden ausführlicher besprochen, um nachzuweisen, daß Schiller weit ent¬ fernt war, „in dem heutigen Sinne freiheitlich gesinnt zu sein, d. h. die histori¬ schen Grundlagen der deutschen Monarchien erschüttern zu wollen". In den „Göttern Griechenlands" und dem „Lied an die Freude" , „einem Gewebe unerträglicher Phrasen", hat Schiller seinen Abfall von dem Offenbarungsglauben documentirt, zu dem er auch fortwährend in einem unverhüllten, scharf hervortreten¬ den feindlichen Verhältniß stand, obwohl er den wahren Gott sehr gut und zwar durch seine Mutter kennen gelernt hatte. — Viel milder als Schiller werden die bei¬ den Schlegel beurtheilt. Sie hatten das edle Streben, den literarischen Rationa¬ lismus auszutreiben und alles Phrasenhafte und dürr Abstracte mit dem schärfsten Secirmesser wegzuschneiden. Bei Schiller's Abneigung gegen die Schlegel „wirkte vielleicht sogar der beiden Brüder unleugbare Ueberlegenheit an Kenntnissen mit." Eine volle Schale des Zornes gießt Vilmar über Johann Heinrich Voß aus; pflegte dieser doch den lebendigen Gott des alten Testamentes nie anders zu nennen als den „Hebräer-Tyrann". — Was soll solch verschrobener Sinn unserer Jugend! Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von A. L. Hervig. — Druck von Hüthel L Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/368>, abgerufen am 04.07.2024.