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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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ben, glich diese, den Erstlingswerken des Meisters entnommene Nummer
auch jetzt noch nach einem Jahrhundert einem eben erst gepflückten Strauß
lieblicher Blumen. Eine interessante Beigabe bot in diesem Concert die Mit¬
wirkung der Pianistin Merker und des Tenoristen Niemann, der sich dieses
einzigemal als Liedersänger zeigte.

Die Zahl der Privatconcerte war diesen Winter sehr bedeutend.
Hervorragende Namen waren Clara Schumann, Stockhausen und Brahms.
Frau Schumann gab vier Concerte, in denen sie im Vergleich früherer
Jahre Bach und Händel weniger, um so zahlreicher aber ihres Mannes
Werke vorführte (S-moll-Sonate op. 22 -- Andante mit Var. op. 46 für
2 Claviere mit Begl. von 2 Celli und Waldhorn .- Var. op. 13 -- Fan-
taste op. 17 -- Arabeske op. 18 -- Waldsamen). -- Brahms und Stock'
Hausen gaben vier Concerte, alle zahlreich besucht. Des Sängers Stimme
hat nur wenig gelitten: beeinträchtigt wird sein Vortrag durch die Noth¬
wendigkeit, so Vieles zu transponiren; die künstlerische Durchführung ent¬
spricht den höchsten Anforderungen. Aus seinen Vorträgen sind hervor¬
zuheben: Arien von Händel (aus "Siros"), von Buononcini (aus "Gri-
selda"), Boieldieu (Rothkäppchen). Jsouard (Joconde); Beethoven's "Lieder¬
kreis"; deutsche und französische Volkslieder; aus dem Eichendorssschen Lieder¬
kreis von Schumann; Schubert'sche Lieder (zürnende Diana -- Winterreise
-- Müllerlieder). -- Brahms, der sich diesmal als Componist auffallend
zurückhielt, hatte die Clavierbegleitung sämmtlicher Gesangsachen übernommen.
Von seinen Claviervorträgen standen wieder obenan die Bach'schen O-woU-
Fuge, H-moII-Präludium, Fantasie). Seine eigenen Variationen op. 18
und 21 waren tüchtige Leistungen, denen sich zunächst Sonaten von Schu¬
bert (L-ciur), Beethoven op. 109 und 111 und Schumann op. 14 anreihten.
Sein reiches Programm nannte auch Couperin, Gluck, Rameau, Händel,
Schumann :c. -- Stockhausen gab noch ein Concert im Verein mit
Fräul. Magnus (unter Mitwirkung von Brahms, Epstein. Walter, Rosa
Girzik). Das sehr gewählte Programm beschloß Schumann's "spanisches
Liederspiel". -- Die bereits genannte Fräul. Sophie Merker gab nur ein
einziges Concert und zog es vor. Andern mit ihrem Namen zu nutzen. Der
Applaus nach ihren meisterhaften Vorträgen (Dz-cor-Concert von Beethoven,
Polonaise von Chopin, Concertstück von Weber) erinnerte an die Zeit des
blühendsten Virtuosenthums. Durch staunenswerthe technische Fertigkeit
zeichnete sich auch ein Schüler Liszt's, der jugendliche Pianist Leidner aus.
Unter den Concerten einheimischer Pianisten sind Professor Epstein und der
strebsame Kunstjünger I. Brüll zu nennen. -- Auch Violine und Cello
hatten ihre Vertreter. Concertmeister I. Grün zeigte auch in seinem eige¬
nen Concert sich als gediegener Künstler; den Molinspielern D. Pollack,


ben, glich diese, den Erstlingswerken des Meisters entnommene Nummer
auch jetzt noch nach einem Jahrhundert einem eben erst gepflückten Strauß
lieblicher Blumen. Eine interessante Beigabe bot in diesem Concert die Mit¬
wirkung der Pianistin Merker und des Tenoristen Niemann, der sich dieses
einzigemal als Liedersänger zeigte.

Die Zahl der Privatconcerte war diesen Winter sehr bedeutend.
Hervorragende Namen waren Clara Schumann, Stockhausen und Brahms.
Frau Schumann gab vier Concerte, in denen sie im Vergleich früherer
Jahre Bach und Händel weniger, um so zahlreicher aber ihres Mannes
Werke vorführte (S-moll-Sonate op. 22 — Andante mit Var. op. 46 für
2 Claviere mit Begl. von 2 Celli und Waldhorn .- Var. op. 13 — Fan-
taste op. 17 — Arabeske op. 18 — Waldsamen). — Brahms und Stock'
Hausen gaben vier Concerte, alle zahlreich besucht. Des Sängers Stimme
hat nur wenig gelitten: beeinträchtigt wird sein Vortrag durch die Noth¬
wendigkeit, so Vieles zu transponiren; die künstlerische Durchführung ent¬
spricht den höchsten Anforderungen. Aus seinen Vorträgen sind hervor¬
zuheben: Arien von Händel (aus „Siros"), von Buononcini (aus „Gri-
selda"), Boieldieu (Rothkäppchen). Jsouard (Joconde); Beethoven's „Lieder¬
kreis"; deutsche und französische Volkslieder; aus dem Eichendorssschen Lieder¬
kreis von Schumann; Schubert'sche Lieder (zürnende Diana — Winterreise
— Müllerlieder). — Brahms, der sich diesmal als Componist auffallend
zurückhielt, hatte die Clavierbegleitung sämmtlicher Gesangsachen übernommen.
Von seinen Claviervorträgen standen wieder obenan die Bach'schen O-woU-
Fuge, H-moII-Präludium, Fantasie). Seine eigenen Variationen op. 18
und 21 waren tüchtige Leistungen, denen sich zunächst Sonaten von Schu¬
bert (L-ciur), Beethoven op. 109 und 111 und Schumann op. 14 anreihten.
Sein reiches Programm nannte auch Couperin, Gluck, Rameau, Händel,
Schumann :c. — Stockhausen gab noch ein Concert im Verein mit
Fräul. Magnus (unter Mitwirkung von Brahms, Epstein. Walter, Rosa
Girzik). Das sehr gewählte Programm beschloß Schumann's „spanisches
Liederspiel". — Die bereits genannte Fräul. Sophie Merker gab nur ein
einziges Concert und zog es vor. Andern mit ihrem Namen zu nutzen. Der
Applaus nach ihren meisterhaften Vorträgen (Dz-cor-Concert von Beethoven,
Polonaise von Chopin, Concertstück von Weber) erinnerte an die Zeit des
blühendsten Virtuosenthums. Durch staunenswerthe technische Fertigkeit
zeichnete sich auch ein Schüler Liszt's, der jugendliche Pianist Leidner aus.
Unter den Concerten einheimischer Pianisten sind Professor Epstein und der
strebsame Kunstjünger I. Brüll zu nennen. — Auch Violine und Cello
hatten ihre Vertreter. Concertmeister I. Grün zeigte auch in seinem eige¬
nen Concert sich als gediegener Künstler; den Molinspielern D. Pollack,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/366>, abgerufen am 04.07.2024.