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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Concert trat Frl. Sofie Merker zum erstenmal in Wien auf. Voller
runder Ton, vollendete Technik, kernige Auffassung machten sie rasch zum
Liebling der Saison. Nur einer Unpäßlichkeit des Violinisten Laub hatte man
es zu danken, daß man Frau Schumann wenigstens einmal mit einem
orchestrieren Werk hören konnte. Sie spielte Mendelssohn's 6-inoU Concert
vollendet schön. Auch Frau Auguste Kolär verdient für die klare Wieder,
gäbe des Schumann'schen Concerts Anerkennung. Die beiden Concertmeister
Hellmesberger und Grün spielten ein Concert für zwei Violinen von
S. Bach. Letzterer hatte sich vorher mit Mendelssohn's Concert hier ein¬
geführt. Große Fertigkeit, reine Intonation, verständige Auffassung sprachen
für seine Gediegenheit; der Ton ist etwas klein, auch wirkt sein Vortrag
nicht zündend genug auf den Zuhörer. Der am Operntheater mit Grün
zugleich neu engagirte Cellist Popper zeigte seine Vorzüge, vollen reinen
Ton, elegante Cantilöne, in einem Concert von Volkmann. Das Orchester
spielte noch Mozart's in markigen Zügen angelegtes Präludium sammt Fuge
(Omoll) für Streichinstrumente; Gluck's Furientanz aus Orpheus; Pilger¬
marsch von Berlioz (als Nachruf dem Geschiedenen) und dessen Fee Mad,
jenes fantastische, in tausend Farben spielende virtuose Orchesterstück. Die
Ausführung alles Genannten entsprach dem Rufe, den diese Concerte (seit
1860 unter Dessofss Leitung) sich erworben.

Der Orchesterverein unter Heißler veranstaltete für seine Mitglieder
drei Abendunterhaltungen. Schubert's L-moll Sinfonie. Concert-Allegro
von Schumann, Spohr's 9 Concert, Clavierconcert L-woll von Mozart (von
Brahm's, Grün, Frau Kolär gespielt), eine der schönsten Sinfonien von
Haydn (K-aur) und die vollständige Musik zu "König Thamos" von Mozart
(mit verbindenden Text) bildeten die hervorragenderen Nummern. Nament¬
lich Mozart's Werk, an vielen Stellen seiner letzten Periode vorgreifend,
füllte die Zuhörer mit großem Interesse.

Die Singakademie unter Weinwurm's Leitung hat sich diesen Winter
besonders gekräftigt. Brachte das erste Concert in Einzelnem viel Interessantes
(Mendelssohn's "Heilig", Schumann's "Mignon", Nachtigallen-Chor von
Händel) so überbot dasselbe doch das 2. Concert durch eine äußerst gelungene
Aufführung von Händels "Acis und Galatea". Obgleich nur mit Clavier-
begleitung gegeben, machte das Werk einen bedeutenden Eindruck und man
fragte sich umsonst, warum man dasselbe ein halbes Jahrhundert ruhen lassen
konnte. Galatea und Acis namentlich fanden in Frl. Anna Schmidtler
und Herrn Adolf Schuldner zwei tüchtige Repräsentanten. Eine Wider-
holung des Werks mit Orchesterbegleitung (mit der Mozart'schen Instrumen-
tirung) ist schon jetzt in Aussicht genommen. Im dritten Concert kamen zwei
allerliebste Madrigale von älteren englischen Componisten ("Liebe erwacht" von


45 *

Concert trat Frl. Sofie Merker zum erstenmal in Wien auf. Voller
runder Ton, vollendete Technik, kernige Auffassung machten sie rasch zum
Liebling der Saison. Nur einer Unpäßlichkeit des Violinisten Laub hatte man
es zu danken, daß man Frau Schumann wenigstens einmal mit einem
orchestrieren Werk hören konnte. Sie spielte Mendelssohn's 6-inoU Concert
vollendet schön. Auch Frau Auguste Kolär verdient für die klare Wieder,
gäbe des Schumann'schen Concerts Anerkennung. Die beiden Concertmeister
Hellmesberger und Grün spielten ein Concert für zwei Violinen von
S. Bach. Letzterer hatte sich vorher mit Mendelssohn's Concert hier ein¬
geführt. Große Fertigkeit, reine Intonation, verständige Auffassung sprachen
für seine Gediegenheit; der Ton ist etwas klein, auch wirkt sein Vortrag
nicht zündend genug auf den Zuhörer. Der am Operntheater mit Grün
zugleich neu engagirte Cellist Popper zeigte seine Vorzüge, vollen reinen
Ton, elegante Cantilöne, in einem Concert von Volkmann. Das Orchester
spielte noch Mozart's in markigen Zügen angelegtes Präludium sammt Fuge
(Omoll) für Streichinstrumente; Gluck's Furientanz aus Orpheus; Pilger¬
marsch von Berlioz (als Nachruf dem Geschiedenen) und dessen Fee Mad,
jenes fantastische, in tausend Farben spielende virtuose Orchesterstück. Die
Ausführung alles Genannten entsprach dem Rufe, den diese Concerte (seit
1860 unter Dessofss Leitung) sich erworben.

Der Orchesterverein unter Heißler veranstaltete für seine Mitglieder
drei Abendunterhaltungen. Schubert's L-moll Sinfonie. Concert-Allegro
von Schumann, Spohr's 9 Concert, Clavierconcert L-woll von Mozart (von
Brahm's, Grün, Frau Kolär gespielt), eine der schönsten Sinfonien von
Haydn (K-aur) und die vollständige Musik zu „König Thamos" von Mozart
(mit verbindenden Text) bildeten die hervorragenderen Nummern. Nament¬
lich Mozart's Werk, an vielen Stellen seiner letzten Periode vorgreifend,
füllte die Zuhörer mit großem Interesse.

Die Singakademie unter Weinwurm's Leitung hat sich diesen Winter
besonders gekräftigt. Brachte das erste Concert in Einzelnem viel Interessantes
(Mendelssohn's „Heilig", Schumann's „Mignon", Nachtigallen-Chor von
Händel) so überbot dasselbe doch das 2. Concert durch eine äußerst gelungene
Aufführung von Händels „Acis und Galatea". Obgleich nur mit Clavier-
begleitung gegeben, machte das Werk einen bedeutenden Eindruck und man
fragte sich umsonst, warum man dasselbe ein halbes Jahrhundert ruhen lassen
konnte. Galatea und Acis namentlich fanden in Frl. Anna Schmidtler
und Herrn Adolf Schuldner zwei tüchtige Repräsentanten. Eine Wider-
holung des Werks mit Orchesterbegleitung (mit der Mozart'schen Instrumen-
tirung) ist schon jetzt in Aussicht genommen. Im dritten Concert kamen zwei
allerliebste Madrigale von älteren englischen Componisten („Liebe erwacht" von


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[0363] Concert trat Frl. Sofie Merker zum erstenmal in Wien auf. Voller runder Ton, vollendete Technik, kernige Auffassung machten sie rasch zum Liebling der Saison. Nur einer Unpäßlichkeit des Violinisten Laub hatte man es zu danken, daß man Frau Schumann wenigstens einmal mit einem orchestrieren Werk hören konnte. Sie spielte Mendelssohn's 6-inoU Concert vollendet schön. Auch Frau Auguste Kolär verdient für die klare Wieder, gäbe des Schumann'schen Concerts Anerkennung. Die beiden Concertmeister Hellmesberger und Grün spielten ein Concert für zwei Violinen von S. Bach. Letzterer hatte sich vorher mit Mendelssohn's Concert hier ein¬ geführt. Große Fertigkeit, reine Intonation, verständige Auffassung sprachen für seine Gediegenheit; der Ton ist etwas klein, auch wirkt sein Vortrag nicht zündend genug auf den Zuhörer. Der am Operntheater mit Grün zugleich neu engagirte Cellist Popper zeigte seine Vorzüge, vollen reinen Ton, elegante Cantilöne, in einem Concert von Volkmann. Das Orchester spielte noch Mozart's in markigen Zügen angelegtes Präludium sammt Fuge (Omoll) für Streichinstrumente; Gluck's Furientanz aus Orpheus; Pilger¬ marsch von Berlioz (als Nachruf dem Geschiedenen) und dessen Fee Mad, jenes fantastische, in tausend Farben spielende virtuose Orchesterstück. Die Ausführung alles Genannten entsprach dem Rufe, den diese Concerte (seit 1860 unter Dessofss Leitung) sich erworben. Der Orchesterverein unter Heißler veranstaltete für seine Mitglieder drei Abendunterhaltungen. Schubert's L-moll Sinfonie. Concert-Allegro von Schumann, Spohr's 9 Concert, Clavierconcert L-woll von Mozart (von Brahm's, Grün, Frau Kolär gespielt), eine der schönsten Sinfonien von Haydn (K-aur) und die vollständige Musik zu „König Thamos" von Mozart (mit verbindenden Text) bildeten die hervorragenderen Nummern. Nament¬ lich Mozart's Werk, an vielen Stellen seiner letzten Periode vorgreifend, füllte die Zuhörer mit großem Interesse. Die Singakademie unter Weinwurm's Leitung hat sich diesen Winter besonders gekräftigt. Brachte das erste Concert in Einzelnem viel Interessantes (Mendelssohn's „Heilig", Schumann's „Mignon", Nachtigallen-Chor von Händel) so überbot dasselbe doch das 2. Concert durch eine äußerst gelungene Aufführung von Händels „Acis und Galatea". Obgleich nur mit Clavier- begleitung gegeben, machte das Werk einen bedeutenden Eindruck und man fragte sich umsonst, warum man dasselbe ein halbes Jahrhundert ruhen lassen konnte. Galatea und Acis namentlich fanden in Frl. Anna Schmidtler und Herrn Adolf Schuldner zwei tüchtige Repräsentanten. Eine Wider- holung des Werks mit Orchesterbegleitung (mit der Mozart'schen Instrumen- tirung) ist schon jetzt in Aussicht genommen. Im dritten Concert kamen zwei allerliebste Madrigale von älteren englischen Componisten („Liebe erwacht" von 45 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/363>, abgerufen am 25.07.2024.