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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Meister nahm. An diesen Adlatus reihten sich zwei neue Räthe, von
denen der eine, vorher Bezirksvorsteher in Schwaz, die Wahl seines ge¬
lehrten Freundes, des bekannten glaubensfrohen Wiener Professors Pater
Albert Jäger, durch einen ungesetzlichen Vorgang durchgesetzt, der andere
aber sich nicht lange vorher an die Spitze einer Deputation gestellt hatte,
die den Jesuiten für ihre in Innsbruck gehaltene Mission dankte, er hatte
auch sonst ganz offen das Streben der Ultramontanen Tirols nach Sonder¬
stellung vertheidigt. Das Referat für Volksschulen blieb in den Händen
eines jesuitischen Czechen, der sich außer vielen wunderlichen Einfällen, womit
er sich berühmt zu machen glaubte, durch nichts als seine servile Devotion
vor dem Clerus auszeichnete. Daß auch die Ernennung einiger Bezirks¬
hauptleute ebenso unglücklich ausfiel, zeigte sich in der Folge, und ist um
so mehr zu beklagen, als es ihnen an Gelegenheiten nicht fehlt, auf eigene
Faust clericale Politik zu treiben. Die Richterstellen wurden wenigstens zu
zwei Dritttheilen mit Leuten von schwarzer Farbe besetzt, wiewohl das Volk
bei dem großen Umfange der Sprengel der Bezirkshauptmannschaften in den
meisten Angelegenheiten zunächst an sie gewiesen, und sich bei ihnen Raths
zu erholen gewohnt ist. Finanzielle Rücksichten wegen der Uebersetzungs¬
kosten und Pensionirung sollen hierfür maßgebend gewesen sein. Was aber
noch mehr im Argen liegt, ist das k. k. Oberlandesgericht. Sein Präsident
benützt seine Berufung ins Herrenhaus, um den größten Theil des Jahres in
Wien zu verbringen, und kommt nur auf kurze Zeit nach Innsbruck. Er
zählt zwar schon mehr als vierzig Dienstjahre, würde aber seine Zulage ein¬
büßen, wenn er in den Ruhestand träte. Dessen Stellvertreter, einem hart¬
gesottenen Ultramontanen, wird vom Brixener Bischöfe die Bewilligung ver¬
sagt, sich seines Amtes zu entledigen. Alle übrigen Räthe zählen nachgerade
zur clericalen Innung, ihnen soll der wackere Mann, der nachgerade die
Stelle eines Oberstaatsanwalts vertritt, ein weißer Rabe unter den Krähen,
Urtheile und Entscheidungen abnöthigen, welche über ihre Herzensfreude und
Kampfgenossen in den katholischen Vereinen und über die Redacteure der jesui¬
tischen Tagesblätter, woran sie mitunter selbst als Actionäre betheiligt sind,
scharfe Strafen verhängen. Dies also die feste Stütze, deren sich die Re¬
gierung zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und des Ansehens der
Gesetze versehen darf. Es ist in der That zu wundern, daß noch keiner der
konstitutionellen Vereine in Pön und Acht verfiel.

Die Staatsgesetze Oestreichs aus den letzten zwei Jahren sind, wer möchte
es leugnen, konstitutionell und freisinnig, aber die Executive fehlt Sie fehlt,
weil feudal-clericale Landtage sich ihrer Durchführung ungestraft widersetzen
dürfen, und die Aufwieglungsversuche des Clerus mit einer an Schwäche
grenzenden Nachsicht geduldet werden, ^le fehlt aber auch, weil die Organe,


Meister nahm. An diesen Adlatus reihten sich zwei neue Räthe, von
denen der eine, vorher Bezirksvorsteher in Schwaz, die Wahl seines ge¬
lehrten Freundes, des bekannten glaubensfrohen Wiener Professors Pater
Albert Jäger, durch einen ungesetzlichen Vorgang durchgesetzt, der andere
aber sich nicht lange vorher an die Spitze einer Deputation gestellt hatte,
die den Jesuiten für ihre in Innsbruck gehaltene Mission dankte, er hatte
auch sonst ganz offen das Streben der Ultramontanen Tirols nach Sonder¬
stellung vertheidigt. Das Referat für Volksschulen blieb in den Händen
eines jesuitischen Czechen, der sich außer vielen wunderlichen Einfällen, womit
er sich berühmt zu machen glaubte, durch nichts als seine servile Devotion
vor dem Clerus auszeichnete. Daß auch die Ernennung einiger Bezirks¬
hauptleute ebenso unglücklich ausfiel, zeigte sich in der Folge, und ist um
so mehr zu beklagen, als es ihnen an Gelegenheiten nicht fehlt, auf eigene
Faust clericale Politik zu treiben. Die Richterstellen wurden wenigstens zu
zwei Dritttheilen mit Leuten von schwarzer Farbe besetzt, wiewohl das Volk
bei dem großen Umfange der Sprengel der Bezirkshauptmannschaften in den
meisten Angelegenheiten zunächst an sie gewiesen, und sich bei ihnen Raths
zu erholen gewohnt ist. Finanzielle Rücksichten wegen der Uebersetzungs¬
kosten und Pensionirung sollen hierfür maßgebend gewesen sein. Was aber
noch mehr im Argen liegt, ist das k. k. Oberlandesgericht. Sein Präsident
benützt seine Berufung ins Herrenhaus, um den größten Theil des Jahres in
Wien zu verbringen, und kommt nur auf kurze Zeit nach Innsbruck. Er
zählt zwar schon mehr als vierzig Dienstjahre, würde aber seine Zulage ein¬
büßen, wenn er in den Ruhestand träte. Dessen Stellvertreter, einem hart¬
gesottenen Ultramontanen, wird vom Brixener Bischöfe die Bewilligung ver¬
sagt, sich seines Amtes zu entledigen. Alle übrigen Räthe zählen nachgerade
zur clericalen Innung, ihnen soll der wackere Mann, der nachgerade die
Stelle eines Oberstaatsanwalts vertritt, ein weißer Rabe unter den Krähen,
Urtheile und Entscheidungen abnöthigen, welche über ihre Herzensfreude und
Kampfgenossen in den katholischen Vereinen und über die Redacteure der jesui¬
tischen Tagesblätter, woran sie mitunter selbst als Actionäre betheiligt sind,
scharfe Strafen verhängen. Dies also die feste Stütze, deren sich die Re¬
gierung zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und des Ansehens der
Gesetze versehen darf. Es ist in der That zu wundern, daß noch keiner der
konstitutionellen Vereine in Pön und Acht verfiel.

Die Staatsgesetze Oestreichs aus den letzten zwei Jahren sind, wer möchte
es leugnen, konstitutionell und freisinnig, aber die Executive fehlt Sie fehlt,
weil feudal-clericale Landtage sich ihrer Durchführung ungestraft widersetzen
dürfen, und die Aufwieglungsversuche des Clerus mit einer an Schwäche
grenzenden Nachsicht geduldet werden, ^le fehlt aber auch, weil die Organe,


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[0357] Meister nahm. An diesen Adlatus reihten sich zwei neue Räthe, von denen der eine, vorher Bezirksvorsteher in Schwaz, die Wahl seines ge¬ lehrten Freundes, des bekannten glaubensfrohen Wiener Professors Pater Albert Jäger, durch einen ungesetzlichen Vorgang durchgesetzt, der andere aber sich nicht lange vorher an die Spitze einer Deputation gestellt hatte, die den Jesuiten für ihre in Innsbruck gehaltene Mission dankte, er hatte auch sonst ganz offen das Streben der Ultramontanen Tirols nach Sonder¬ stellung vertheidigt. Das Referat für Volksschulen blieb in den Händen eines jesuitischen Czechen, der sich außer vielen wunderlichen Einfällen, womit er sich berühmt zu machen glaubte, durch nichts als seine servile Devotion vor dem Clerus auszeichnete. Daß auch die Ernennung einiger Bezirks¬ hauptleute ebenso unglücklich ausfiel, zeigte sich in der Folge, und ist um so mehr zu beklagen, als es ihnen an Gelegenheiten nicht fehlt, auf eigene Faust clericale Politik zu treiben. Die Richterstellen wurden wenigstens zu zwei Dritttheilen mit Leuten von schwarzer Farbe besetzt, wiewohl das Volk bei dem großen Umfange der Sprengel der Bezirkshauptmannschaften in den meisten Angelegenheiten zunächst an sie gewiesen, und sich bei ihnen Raths zu erholen gewohnt ist. Finanzielle Rücksichten wegen der Uebersetzungs¬ kosten und Pensionirung sollen hierfür maßgebend gewesen sein. Was aber noch mehr im Argen liegt, ist das k. k. Oberlandesgericht. Sein Präsident benützt seine Berufung ins Herrenhaus, um den größten Theil des Jahres in Wien zu verbringen, und kommt nur auf kurze Zeit nach Innsbruck. Er zählt zwar schon mehr als vierzig Dienstjahre, würde aber seine Zulage ein¬ büßen, wenn er in den Ruhestand träte. Dessen Stellvertreter, einem hart¬ gesottenen Ultramontanen, wird vom Brixener Bischöfe die Bewilligung ver¬ sagt, sich seines Amtes zu entledigen. Alle übrigen Räthe zählen nachgerade zur clericalen Innung, ihnen soll der wackere Mann, der nachgerade die Stelle eines Oberstaatsanwalts vertritt, ein weißer Rabe unter den Krähen, Urtheile und Entscheidungen abnöthigen, welche über ihre Herzensfreude und Kampfgenossen in den katholischen Vereinen und über die Redacteure der jesui¬ tischen Tagesblätter, woran sie mitunter selbst als Actionäre betheiligt sind, scharfe Strafen verhängen. Dies also die feste Stütze, deren sich die Re¬ gierung zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und des Ansehens der Gesetze versehen darf. Es ist in der That zu wundern, daß noch keiner der konstitutionellen Vereine in Pön und Acht verfiel. Die Staatsgesetze Oestreichs aus den letzten zwei Jahren sind, wer möchte es leugnen, konstitutionell und freisinnig, aber die Executive fehlt Sie fehlt, weil feudal-clericale Landtage sich ihrer Durchführung ungestraft widersetzen dürfen, und die Aufwieglungsversuche des Clerus mit einer an Schwäche grenzenden Nachsicht geduldet werden, ^le fehlt aber auch, weil die Organe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/357>, abgerufen am 24.07.2024.