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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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es nicht mehr Schiedsrichterspruche suchen, sondern sich genöthigt sehen wird,
der Welt zu zeigen, daß es eventuell seine Interessen, seine Ehre und seinen
Einfluß mit den Waffen zu vertheidigen weiß."

Wir ahnten damals nicht, daß jene Probe sobald kommen werde, aber
wir sind überzeugt, sie würde so mannhaft bestanden werden, wie wir damals
voraussagten.




Vor dem zweiten Zollparlamcnt.

Der Tag für den Zusammentritt des Zollparlaments ist bestimmt. Wir
setzen unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf die Verhandlungen dieser
dritten parlamentarischen Körperschaft Deutschlands keinerlei sanguinische Hoff¬
nungen. Wir im Norden sind im letzten Jahre trotz aller Hindernisse viel
weiter gekommen. Hat auch die Stimmung des Südens im Vergleich zum
vorigen Jahre Fortschritte gemacht?

Nicht die Preußen, sondern die Süddeutschen waren es, welche die Main¬
linie überschritten -- als es zur ersten Versammlung des Zollparlaments
ging. Mit kriegerischem Zorn kamen die Abgeordneten für Reutlingen,
Mergenthcim, Regensburg und Landshut, sie zogen dem Norden zu, wie
einst die Helden der Burgunder? zu dem Hofhalt des großen Hunnenkönigs
Attila, finster, trotzig, in schwerem Muthe. Nun, die süddeutsche Schaar hat
König Wilhelm's Schloß nicht in Brand gesteckt, noch ist sie unter den Linden
oder auf dem Dönhofsplatz feindlich belagert worden, wie die Nibelungen
im Hunnenlande, obgleich Moritz Mohl, der finstere Hagen, und Dr. Sepp,
der Fiedler, wetteifernd Trotz boten. Bayern und Schwaben, Franken und
Alemannen sind glücklich heimgekehrt aus dem Bereich des schwarzen Adlers.
Viele gaben sich die Miene, als wenn die Fahrt ins Zollparlament mehr
Verdruß- als Vergnügungszug gewesen wäre; Professor Schäffle hatte
nicht Theil genommen am Gabelfrühstück in der Börse und Edmund Joerg
schloß sich aus vom Besuch des Kieler Hafens. Aber Edmund Joerg sann
schon auf seinen Bericht an die "Historisch-politischen Blätter für das katho¬
lische Deutschland" und Albert Schäffle hatte längst die Berufung an die
Universität zu Wien im Sinn.

Die Preußen werden im vergangenen Jahr von den Ankömmlingen aus
dem Donau-, Main - und Neckarthal, vom Nesenbach, von der Wertach, der
Jsar, Jaxt und Murr nicht erwartet haben, daß sie Land und Menschen an
der Spree bewundernd anstaunten. Aber auch die Süddeutschen fanden den


es nicht mehr Schiedsrichterspruche suchen, sondern sich genöthigt sehen wird,
der Welt zu zeigen, daß es eventuell seine Interessen, seine Ehre und seinen
Einfluß mit den Waffen zu vertheidigen weiß."

Wir ahnten damals nicht, daß jene Probe sobald kommen werde, aber
wir sind überzeugt, sie würde so mannhaft bestanden werden, wie wir damals
voraussagten.




Vor dem zweiten Zollparlamcnt.

Der Tag für den Zusammentritt des Zollparlaments ist bestimmt. Wir
setzen unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf die Verhandlungen dieser
dritten parlamentarischen Körperschaft Deutschlands keinerlei sanguinische Hoff¬
nungen. Wir im Norden sind im letzten Jahre trotz aller Hindernisse viel
weiter gekommen. Hat auch die Stimmung des Südens im Vergleich zum
vorigen Jahre Fortschritte gemacht?

Nicht die Preußen, sondern die Süddeutschen waren es, welche die Main¬
linie überschritten — als es zur ersten Versammlung des Zollparlaments
ging. Mit kriegerischem Zorn kamen die Abgeordneten für Reutlingen,
Mergenthcim, Regensburg und Landshut, sie zogen dem Norden zu, wie
einst die Helden der Burgunder? zu dem Hofhalt des großen Hunnenkönigs
Attila, finster, trotzig, in schwerem Muthe. Nun, die süddeutsche Schaar hat
König Wilhelm's Schloß nicht in Brand gesteckt, noch ist sie unter den Linden
oder auf dem Dönhofsplatz feindlich belagert worden, wie die Nibelungen
im Hunnenlande, obgleich Moritz Mohl, der finstere Hagen, und Dr. Sepp,
der Fiedler, wetteifernd Trotz boten. Bayern und Schwaben, Franken und
Alemannen sind glücklich heimgekehrt aus dem Bereich des schwarzen Adlers.
Viele gaben sich die Miene, als wenn die Fahrt ins Zollparlament mehr
Verdruß- als Vergnügungszug gewesen wäre; Professor Schäffle hatte
nicht Theil genommen am Gabelfrühstück in der Börse und Edmund Joerg
schloß sich aus vom Besuch des Kieler Hafens. Aber Edmund Joerg sann
schon auf seinen Bericht an die „Historisch-politischen Blätter für das katho¬
lische Deutschland" und Albert Schäffle hatte längst die Berufung an die
Universität zu Wien im Sinn.

Die Preußen werden im vergangenen Jahr von den Ankömmlingen aus
dem Donau-, Main - und Neckarthal, vom Nesenbach, von der Wertach, der
Jsar, Jaxt und Murr nicht erwartet haben, daß sie Land und Menschen an
der Spree bewundernd anstaunten. Aber auch die Süddeutschen fanden den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/334>, abgerufen am 24.07.2024.