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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Prince-Smith siegreiche Candidat, Herr I. te Doornkaat - Koolmann, ist
eine interessante Persönlichkeit. Als Sohn eines kleinen Brennereibesitzers
in Norden trat er ohne weitere wissenschaftliche Ausbildung noch sehr jung
in das Geschäft seines Vaters und hat dasselbe Dank seiner rastlosen
Thätigkeit dergestalt ausgedehnt, daß er jetzt eine der bedeutendsten Brenne¬
reien in ganz Deutschland besitzt, welche z. B. im Jahre 186S über 46,000
Thaler Branntweinsteuer entrichtete. Nachdem er sich so eine gesicherte
finanzielle Lage erworben, hat Herr Doornkaat sich in seinem bereits vorge¬
rückten Alter, ohne darum die eigene Leitung seines umfangreichen Geschäfts
auszugeben, mit seltener Energie auf vergleichende Sprachstudien geworfen.
Der meisten Cultursprachen nicht allein, sondern auch des Lateinischen,
Griechischen, Hebräischen, Sanskrit :c. ist er mächtig. Seit längerer Zeit
arbeitet er an einem vergleichenden Wörterbuche, wovon bereits ein erheb¬
licher Theil druckfertig ist, und zwar sind bei dieser Arbeit nicht allein die
oben gedachten, sondern auch eine Menge amerikanischer und afrikanischer
Sprachstämme mit herangezogen. Daß dieses gelehrte Werk von einem
schlichten friesischen Brenner in verhältnißmäßig hohem Lebensalter unter¬
nommen werden konnte, ist jedenfalls merkwürdig genug und Sie verzeihen
daher Ihrem Correspondenten diese Mittheilung über eines der jüngsten
Mitglieder des Reichstags, das demselben, wenn auch wol nicht als Redner,
was kaum von nöthen erscheint, so doch sonst in aller Beziehung ein wacke¬
rer Zuwachs sein wird.

Zieht man die Summe der Beobachtungen über die neue Provinz wäh¬
rend der beiden letzten Jahre, dann kann freilich nicht geleugnet werden,
daß sich die Zustände langsam befestigen und dem Interesse am neuen Staat
auch bei Wohlgesinnten noch vielfach der Schwung und die Wärme fehlt,
aber daran sind durchaus nicht blos die Fehlgriffe der Regierung schuld,
weit mehr kommt auf Rechnung der tiefgreifenden Veränderung überhaupt,
die überall und immer ein Gefühl des Mißbehagens mit sich bringt. Und
wer das bäuerlich-stabile Naturell des Volksstammes kennt, das sich auch in
den Städten nirgends verleugnet, wird sich nicht wundern, wenn die flaue
Stimmung noch eine gute Weile andauert. Wirklich gefährliche Symptome,
über welche bedachtsame und feste Verwaltung nicht Herr werden könnte, ge¬
wahren wir nicht. Die Fehler, die gemacht worden sind und theilweise im
System fortbestehen, entspringen aus Verhältnissen und Anschauungen, von
welchen die Fortentwickelung des preußischen Staats mit eigener Kraft all-
mälig befreien wird. Jetzt werden durch Eine Kur wir Alle gesund.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Legler in Leipzig.

Prince-Smith siegreiche Candidat, Herr I. te Doornkaat - Koolmann, ist
eine interessante Persönlichkeit. Als Sohn eines kleinen Brennereibesitzers
in Norden trat er ohne weitere wissenschaftliche Ausbildung noch sehr jung
in das Geschäft seines Vaters und hat dasselbe Dank seiner rastlosen
Thätigkeit dergestalt ausgedehnt, daß er jetzt eine der bedeutendsten Brenne¬
reien in ganz Deutschland besitzt, welche z. B. im Jahre 186S über 46,000
Thaler Branntweinsteuer entrichtete. Nachdem er sich so eine gesicherte
finanzielle Lage erworben, hat Herr Doornkaat sich in seinem bereits vorge¬
rückten Alter, ohne darum die eigene Leitung seines umfangreichen Geschäfts
auszugeben, mit seltener Energie auf vergleichende Sprachstudien geworfen.
Der meisten Cultursprachen nicht allein, sondern auch des Lateinischen,
Griechischen, Hebräischen, Sanskrit :c. ist er mächtig. Seit längerer Zeit
arbeitet er an einem vergleichenden Wörterbuche, wovon bereits ein erheb¬
licher Theil druckfertig ist, und zwar sind bei dieser Arbeit nicht allein die
oben gedachten, sondern auch eine Menge amerikanischer und afrikanischer
Sprachstämme mit herangezogen. Daß dieses gelehrte Werk von einem
schlichten friesischen Brenner in verhältnißmäßig hohem Lebensalter unter¬
nommen werden konnte, ist jedenfalls merkwürdig genug und Sie verzeihen
daher Ihrem Correspondenten diese Mittheilung über eines der jüngsten
Mitglieder des Reichstags, das demselben, wenn auch wol nicht als Redner,
was kaum von nöthen erscheint, so doch sonst in aller Beziehung ein wacke¬
rer Zuwachs sein wird.

Zieht man die Summe der Beobachtungen über die neue Provinz wäh¬
rend der beiden letzten Jahre, dann kann freilich nicht geleugnet werden,
daß sich die Zustände langsam befestigen und dem Interesse am neuen Staat
auch bei Wohlgesinnten noch vielfach der Schwung und die Wärme fehlt,
aber daran sind durchaus nicht blos die Fehlgriffe der Regierung schuld,
weit mehr kommt auf Rechnung der tiefgreifenden Veränderung überhaupt,
die überall und immer ein Gefühl des Mißbehagens mit sich bringt. Und
wer das bäuerlich-stabile Naturell des Volksstammes kennt, das sich auch in
den Städten nirgends verleugnet, wird sich nicht wundern, wenn die flaue
Stimmung noch eine gute Weile andauert. Wirklich gefährliche Symptome,
über welche bedachtsame und feste Verwaltung nicht Herr werden könnte, ge¬
wahren wir nicht. Die Fehler, die gemacht worden sind und theilweise im
System fortbestehen, entspringen aus Verhältnissen und Anschauungen, von
welchen die Fortentwickelung des preußischen Staats mit eigener Kraft all-
mälig befreien wird. Jetzt werden durch Eine Kur wir Alle gesund.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/248>, abgerufen am 24.07.2024.