Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Denkschrift an den König, worin er ihm in den schwärzesten Farben den
Abgrund vormalte, vor welchem der Staat angekommen war. In der Rolle
des getreuen Eckart beschwor er seinen Monarchen: "Es ist der Geist der
Revolution, der Feind Gottes und der Könige, der alle Farben, alle Ver¬
kleidungen annimmt, um sein Ziel, die Umwälzung der Staaten, zu erreichen.
In unserem Land hat er sich des schönen Namens Italienisch bemächtigt,
und spiegelt vor, unsere Halbinsel zu ihrer alten Größe zurückzuführen, ihre
zerstreuten Glieder zu vereinigen, ihr ein neues Dasein im Kreis der euro¬
päischen Nationen zu verschaffen. Das, o Sire, ist Täuschung; denn Wenige
ausgenommen, streben die Liberalen direct darauf hin, die Throne umzu¬
stürzen, die Kirchen zu verwüsten, deren Güter einzuziehen, die religiösen
Orden zu unterdrücken, das öffentliche Vermögen zu verschleudern; und wenig
liegt ihnen daran, ob Italien eins werde oder getheilt bleibe, wenn nur sie
es beherrschen." In diesem Angsttöne geht es weiter. "Bereits haben sich die
souveraine von Neapel und Toscana von den Revolutionairen bethören
lassen. Am treuesten und festesten stehen die Unterthanen des Hauses
Savoyen, aber auch hier erhebt sich eine Partei, welche Ew. Maj. zum
Herrn einer künftigen Monarchie bestimmt und für diesen Plan Anhänger
durch Italien wirbt. Aber das sind gerade diejenigen, welche bisher die er¬
bittertsten Feinde des Hauses Savoyen, die Rebellen gegen die legitimen
Regierungen gewesen sind. Schon fragen die Höfe, die ehemals uns bewun¬
derten, ob es wahr sei, daß Ew. Maj. die Grundsätze geändert habe und
ihren glorreichen Stern verlassen wolle, um den Geschicken einer dunklen
Zukunft entgegenzutreiben. Und das Ende läßt sich leicht voraussehen.
Bricht die allgemeine Revolution gegen Oestreich aus, so muß man Hülfe
bei Frankreich erbitten. Das ist dann die schöne Unabhängigkeit, die Italien
zugedacht ist: es zu befreien von Fremden, um es anderen Fremden zu über¬
liefern. Selbst wenn die Krone Italiens auf solchem Wege erlangt würde,
so würde sie früher oder später den Händen wieder entschlüpfen, die sie ganz
wo andersher als von Gott genommen/' Nichtsdestoweniger. -- und damit
schließt bezeichnenderweise die Denkschrift des erschreckten Staatsmannes --
wünsche auch er eine Vergrößerung der Monarchie, aber nicht anders als aus
dieselbe Weise, wie die Vorfahren Karl Alberts sie erlangt, durch kluge Be¬
nutzung der Gelegenheiten, welche die Vorsehung darbiete. Und schon zeigen
sich günstige Aussichten. Die Schweiz sei von innerem Hader zerfleischt, der
Sturz.der helvetischen Bundesrepublik in naher Aussicht. Ebenso sei Oestreich
von gewaltigen inneren Wirren heimgesucht. Galizien und Ungarn sind un¬
ruhig, Preußen schickt sich an. Oestreich die Führung in Deutschland zu ent¬
reißen. Das sind nicht zu entfernte Eventualitäten, welche Piemont benutzen
muß. ohne sich vom geraden legitimen Weg zu entfernen.


Denkschrift an den König, worin er ihm in den schwärzesten Farben den
Abgrund vormalte, vor welchem der Staat angekommen war. In der Rolle
des getreuen Eckart beschwor er seinen Monarchen: „Es ist der Geist der
Revolution, der Feind Gottes und der Könige, der alle Farben, alle Ver¬
kleidungen annimmt, um sein Ziel, die Umwälzung der Staaten, zu erreichen.
In unserem Land hat er sich des schönen Namens Italienisch bemächtigt,
und spiegelt vor, unsere Halbinsel zu ihrer alten Größe zurückzuführen, ihre
zerstreuten Glieder zu vereinigen, ihr ein neues Dasein im Kreis der euro¬
päischen Nationen zu verschaffen. Das, o Sire, ist Täuschung; denn Wenige
ausgenommen, streben die Liberalen direct darauf hin, die Throne umzu¬
stürzen, die Kirchen zu verwüsten, deren Güter einzuziehen, die religiösen
Orden zu unterdrücken, das öffentliche Vermögen zu verschleudern; und wenig
liegt ihnen daran, ob Italien eins werde oder getheilt bleibe, wenn nur sie
es beherrschen." In diesem Angsttöne geht es weiter. „Bereits haben sich die
souveraine von Neapel und Toscana von den Revolutionairen bethören
lassen. Am treuesten und festesten stehen die Unterthanen des Hauses
Savoyen, aber auch hier erhebt sich eine Partei, welche Ew. Maj. zum
Herrn einer künftigen Monarchie bestimmt und für diesen Plan Anhänger
durch Italien wirbt. Aber das sind gerade diejenigen, welche bisher die er¬
bittertsten Feinde des Hauses Savoyen, die Rebellen gegen die legitimen
Regierungen gewesen sind. Schon fragen die Höfe, die ehemals uns bewun¬
derten, ob es wahr sei, daß Ew. Maj. die Grundsätze geändert habe und
ihren glorreichen Stern verlassen wolle, um den Geschicken einer dunklen
Zukunft entgegenzutreiben. Und das Ende läßt sich leicht voraussehen.
Bricht die allgemeine Revolution gegen Oestreich aus, so muß man Hülfe
bei Frankreich erbitten. Das ist dann die schöne Unabhängigkeit, die Italien
zugedacht ist: es zu befreien von Fremden, um es anderen Fremden zu über¬
liefern. Selbst wenn die Krone Italiens auf solchem Wege erlangt würde,
so würde sie früher oder später den Händen wieder entschlüpfen, die sie ganz
wo andersher als von Gott genommen/' Nichtsdestoweniger. — und damit
schließt bezeichnenderweise die Denkschrift des erschreckten Staatsmannes —
wünsche auch er eine Vergrößerung der Monarchie, aber nicht anders als aus
dieselbe Weise, wie die Vorfahren Karl Alberts sie erlangt, durch kluge Be¬
nutzung der Gelegenheiten, welche die Vorsehung darbiete. Und schon zeigen
sich günstige Aussichten. Die Schweiz sei von innerem Hader zerfleischt, der
Sturz.der helvetischen Bundesrepublik in naher Aussicht. Ebenso sei Oestreich
von gewaltigen inneren Wirren heimgesucht. Galizien und Ungarn sind un¬
ruhig, Preußen schickt sich an. Oestreich die Führung in Deutschland zu ent¬
reißen. Das sind nicht zu entfernte Eventualitäten, welche Piemont benutzen
muß. ohne sich vom geraden legitimen Weg zu entfernen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120927"/>
          <p xml:id="ID_746" prev="#ID_745"> Denkschrift an den König, worin er ihm in den schwärzesten Farben den<lb/>
Abgrund vormalte, vor welchem der Staat angekommen war. In der Rolle<lb/>
des getreuen Eckart beschwor er seinen Monarchen: &#x201E;Es ist der Geist der<lb/>
Revolution, der Feind Gottes und der Könige, der alle Farben, alle Ver¬<lb/>
kleidungen annimmt, um sein Ziel, die Umwälzung der Staaten, zu erreichen.<lb/>
In unserem Land hat er sich des schönen Namens Italienisch bemächtigt,<lb/>
und spiegelt vor, unsere Halbinsel zu ihrer alten Größe zurückzuführen, ihre<lb/>
zerstreuten Glieder zu vereinigen, ihr ein neues Dasein im Kreis der euro¬<lb/>
päischen Nationen zu verschaffen. Das, o Sire, ist Täuschung; denn Wenige<lb/>
ausgenommen, streben die Liberalen direct darauf hin, die Throne umzu¬<lb/>
stürzen, die Kirchen zu verwüsten, deren Güter einzuziehen, die religiösen<lb/>
Orden zu unterdrücken, das öffentliche Vermögen zu verschleudern; und wenig<lb/>
liegt ihnen daran, ob Italien eins werde oder getheilt bleibe, wenn nur sie<lb/>
es beherrschen." In diesem Angsttöne geht es weiter. &#x201E;Bereits haben sich die<lb/>
souveraine von Neapel und Toscana von den Revolutionairen bethören<lb/>
lassen.  Am treuesten und festesten stehen die Unterthanen des Hauses<lb/>
Savoyen, aber auch hier erhebt sich eine Partei, welche Ew. Maj. zum<lb/>
Herrn einer künftigen Monarchie bestimmt und für diesen Plan Anhänger<lb/>
durch Italien wirbt.  Aber das sind gerade diejenigen, welche bisher die er¬<lb/>
bittertsten Feinde des Hauses Savoyen, die Rebellen gegen die legitimen<lb/>
Regierungen gewesen sind. Schon fragen die Höfe, die ehemals uns bewun¬<lb/>
derten, ob es wahr sei, daß Ew. Maj. die Grundsätze geändert habe und<lb/>
ihren glorreichen Stern verlassen wolle, um den Geschicken einer dunklen<lb/>
Zukunft entgegenzutreiben.  Und das Ende läßt sich leicht voraussehen.<lb/>
Bricht die allgemeine Revolution gegen Oestreich aus, so muß man Hülfe<lb/>
bei Frankreich erbitten. Das ist dann die schöne Unabhängigkeit, die Italien<lb/>
zugedacht ist: es zu befreien von Fremden, um es anderen Fremden zu über¬<lb/>
liefern.  Selbst wenn die Krone Italiens auf solchem Wege erlangt würde,<lb/>
so würde sie früher oder später den Händen wieder entschlüpfen, die sie ganz<lb/>
wo andersher als von Gott genommen/'  Nichtsdestoweniger. &#x2014; und damit<lb/>
schließt bezeichnenderweise die Denkschrift des erschreckten Staatsmannes &#x2014;<lb/>
wünsche auch er eine Vergrößerung der Monarchie, aber nicht anders als aus<lb/>
dieselbe Weise, wie die Vorfahren Karl Alberts sie erlangt, durch kluge Be¬<lb/>
nutzung der Gelegenheiten, welche die Vorsehung darbiete. Und schon zeigen<lb/>
sich günstige Aussichten.  Die Schweiz sei von innerem Hader zerfleischt, der<lb/>
Sturz.der helvetischen Bundesrepublik in naher Aussicht. Ebenso sei Oestreich<lb/>
von gewaltigen inneren Wirren heimgesucht. Galizien und Ungarn sind un¬<lb/>
ruhig, Preußen schickt sich an. Oestreich die Führung in Deutschland zu ent¬<lb/>
reißen.  Das sind nicht zu entfernte Eventualitäten, welche Piemont benutzen<lb/>
muß. ohne sich vom geraden legitimen Weg zu entfernen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] Denkschrift an den König, worin er ihm in den schwärzesten Farben den Abgrund vormalte, vor welchem der Staat angekommen war. In der Rolle des getreuen Eckart beschwor er seinen Monarchen: „Es ist der Geist der Revolution, der Feind Gottes und der Könige, der alle Farben, alle Ver¬ kleidungen annimmt, um sein Ziel, die Umwälzung der Staaten, zu erreichen. In unserem Land hat er sich des schönen Namens Italienisch bemächtigt, und spiegelt vor, unsere Halbinsel zu ihrer alten Größe zurückzuführen, ihre zerstreuten Glieder zu vereinigen, ihr ein neues Dasein im Kreis der euro¬ päischen Nationen zu verschaffen. Das, o Sire, ist Täuschung; denn Wenige ausgenommen, streben die Liberalen direct darauf hin, die Throne umzu¬ stürzen, die Kirchen zu verwüsten, deren Güter einzuziehen, die religiösen Orden zu unterdrücken, das öffentliche Vermögen zu verschleudern; und wenig liegt ihnen daran, ob Italien eins werde oder getheilt bleibe, wenn nur sie es beherrschen." In diesem Angsttöne geht es weiter. „Bereits haben sich die souveraine von Neapel und Toscana von den Revolutionairen bethören lassen. Am treuesten und festesten stehen die Unterthanen des Hauses Savoyen, aber auch hier erhebt sich eine Partei, welche Ew. Maj. zum Herrn einer künftigen Monarchie bestimmt und für diesen Plan Anhänger durch Italien wirbt. Aber das sind gerade diejenigen, welche bisher die er¬ bittertsten Feinde des Hauses Savoyen, die Rebellen gegen die legitimen Regierungen gewesen sind. Schon fragen die Höfe, die ehemals uns bewun¬ derten, ob es wahr sei, daß Ew. Maj. die Grundsätze geändert habe und ihren glorreichen Stern verlassen wolle, um den Geschicken einer dunklen Zukunft entgegenzutreiben. Und das Ende läßt sich leicht voraussehen. Bricht die allgemeine Revolution gegen Oestreich aus, so muß man Hülfe bei Frankreich erbitten. Das ist dann die schöne Unabhängigkeit, die Italien zugedacht ist: es zu befreien von Fremden, um es anderen Fremden zu über¬ liefern. Selbst wenn die Krone Italiens auf solchem Wege erlangt würde, so würde sie früher oder später den Händen wieder entschlüpfen, die sie ganz wo andersher als von Gott genommen/' Nichtsdestoweniger. — und damit schließt bezeichnenderweise die Denkschrift des erschreckten Staatsmannes — wünsche auch er eine Vergrößerung der Monarchie, aber nicht anders als aus dieselbe Weise, wie die Vorfahren Karl Alberts sie erlangt, durch kluge Be¬ nutzung der Gelegenheiten, welche die Vorsehung darbiete. Und schon zeigen sich günstige Aussichten. Die Schweiz sei von innerem Hader zerfleischt, der Sturz.der helvetischen Bundesrepublik in naher Aussicht. Ebenso sei Oestreich von gewaltigen inneren Wirren heimgesucht. Galizien und Ungarn sind un¬ ruhig, Preußen schickt sich an. Oestreich die Führung in Deutschland zu ent¬ reißen. Das sind nicht zu entfernte Eventualitäten, welche Piemont benutzen muß. ohne sich vom geraden legitimen Weg zu entfernen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/240>, abgerufen am 24.07.2024.