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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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i>t die. das große Rom auf die bloße geistliche Suprematie zurückgeführt zu
scheu, so daß es nichts behielte als den Schatten weltlicher. Macht, und diese
etwa an eine außerordentliche Commission im EinVerständniß der Gro߬
wächte, die immer in Italien geherrscht haben, überwiesen würde. Dies ist
bis jetzt eine bloße Vision, über die ich indeß in theoretischer Weise mehrere-
nral auch von unparteiischen und besonnenen Männern habe reden hören, die
sicher keiner irgendwie regellosen Idee in Betreff der religiösen und monar¬
chischen Interessen verdächtig sind."

Daß man insbesondere auch Sicilien nicht aus dem Auge verlor, das
früher schon im Besitz des Hauses Savoyen lgewesen war, geht aus einer
Depesche des Marchese Ricci aus Neapel, 23. Juni 1837 hervor. Neapel
hatte damals, sich französischer Zudringlichkeiten zu erwehren, an die
guten Dienste Piemonts appellirt, um dieses zu einem regelmäßigen Post-
Dienst nach Palermo zu veranlassen. Ricci befürwortete dieses Project leb¬
haft und fügte hinzu: "Es wird nur zu unserem Vortheil gereichen, den
Sicilianern eine gerechte Meinung von unserer Regierung beizubringen und
w ihren Köpfen Ideen keimen zu lassen. welche zu einer Zeit, die nicht sehr
entfernt sein kann, nicht unfruchtbar sein werden. Dies ist nach meiner
Meinung eine Erwägung von großer Wichtigkeit. Sicilien wird früher oder
später dem König von Neapel entschlüpfen (skuZgia) und wir werden uns
gleichsam in dieses Land eingeführt finden und somit mehr als jede andere
Negierung in der Lage sein, von den Ereignissen, welche sich darbieten werden.
Nutzen zu ziehen."

Aber auch Solaro della Margherita, in diesen Jahren der Leiter der
sardinischen Politik, war doch weit entfernt, nur den Schildknappen Metter-
nichs spielen zu wollen. Seine Politik lief in denselben Bahnen, aber sie
sollte selbständig laufen. Eine gewisse ehrenhafte Würde ist doch seiner Füh¬
rung nicht abzusprechen. Wenn er überall für die Interessen der Legitimität
eintrat, so geschah, es aus Ueberzeugung, aus blindem Fanatismus, nicht
aus Deferenz für Oestreich. Es kam mehr als einmal vor, wie auch in
Reineren Dingen, daß Margherita sich östreichische Zumuthungen verbat,
^eil sie ihm nicht im Interesse seines Staats oder seiner politischen Grund-
^he zu sein schienen. Den Ehrgeiz, von welchem Karl Albert im Innersten
verzehrt war. hatte sein erster Minister vom ersten Tag an durchschaut. "Es
bedurftej". schreibt er in seinem historisch-politischen Memorandum, "keines
großen Scharfsinns, um zu entdecken, daß er außer dem gerechten Wunsch,
Unabhängig von jedem fremden Einfluß zu sein, im Innersten der Seele
Oestreich abgeneigt war und voll Illusionen über die Möglichkeit Italien aus
seiner Abhängigkeit zu befreien. Er sprach das Wort: "hinaus mit den Bar¬
eren" nicht aus, aber in jedem Gespräch verrieth sich sein Geheimniß." Diesen


i>t die. das große Rom auf die bloße geistliche Suprematie zurückgeführt zu
scheu, so daß es nichts behielte als den Schatten weltlicher. Macht, und diese
etwa an eine außerordentliche Commission im EinVerständniß der Gro߬
wächte, die immer in Italien geherrscht haben, überwiesen würde. Dies ist
bis jetzt eine bloße Vision, über die ich indeß in theoretischer Weise mehrere-
nral auch von unparteiischen und besonnenen Männern habe reden hören, die
sicher keiner irgendwie regellosen Idee in Betreff der religiösen und monar¬
chischen Interessen verdächtig sind."

Daß man insbesondere auch Sicilien nicht aus dem Auge verlor, das
früher schon im Besitz des Hauses Savoyen lgewesen war, geht aus einer
Depesche des Marchese Ricci aus Neapel, 23. Juni 1837 hervor. Neapel
hatte damals, sich französischer Zudringlichkeiten zu erwehren, an die
guten Dienste Piemonts appellirt, um dieses zu einem regelmäßigen Post-
Dienst nach Palermo zu veranlassen. Ricci befürwortete dieses Project leb¬
haft und fügte hinzu: „Es wird nur zu unserem Vortheil gereichen, den
Sicilianern eine gerechte Meinung von unserer Regierung beizubringen und
w ihren Köpfen Ideen keimen zu lassen. welche zu einer Zeit, die nicht sehr
entfernt sein kann, nicht unfruchtbar sein werden. Dies ist nach meiner
Meinung eine Erwägung von großer Wichtigkeit. Sicilien wird früher oder
später dem König von Neapel entschlüpfen (skuZgia) und wir werden uns
gleichsam in dieses Land eingeführt finden und somit mehr als jede andere
Negierung in der Lage sein, von den Ereignissen, welche sich darbieten werden.
Nutzen zu ziehen."

Aber auch Solaro della Margherita, in diesen Jahren der Leiter der
sardinischen Politik, war doch weit entfernt, nur den Schildknappen Metter-
nichs spielen zu wollen. Seine Politik lief in denselben Bahnen, aber sie
sollte selbständig laufen. Eine gewisse ehrenhafte Würde ist doch seiner Füh¬
rung nicht abzusprechen. Wenn er überall für die Interessen der Legitimität
eintrat, so geschah, es aus Ueberzeugung, aus blindem Fanatismus, nicht
aus Deferenz für Oestreich. Es kam mehr als einmal vor, wie auch in
Reineren Dingen, daß Margherita sich östreichische Zumuthungen verbat,
^eil sie ihm nicht im Interesse seines Staats oder seiner politischen Grund-
^he zu sein schienen. Den Ehrgeiz, von welchem Karl Albert im Innersten
verzehrt war. hatte sein erster Minister vom ersten Tag an durchschaut. „Es
bedurftej". schreibt er in seinem historisch-politischen Memorandum, „keines
großen Scharfsinns, um zu entdecken, daß er außer dem gerechten Wunsch,
Unabhängig von jedem fremden Einfluß zu sein, im Innersten der Seele
Oestreich abgeneigt war und voll Illusionen über die Möglichkeit Italien aus
seiner Abhängigkeit zu befreien. Er sprach das Wort: „hinaus mit den Bar¬
eren" nicht aus, aber in jedem Gespräch verrieth sich sein Geheimniß." Diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/237>, abgerufen am 24.07.2024.