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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Papst persönlich in der Peterskirche celebrirte und wozu sich die Fremden in
hellen Haufen, wie am Ostertage, drängten. Die heimische Bevölkerung,
einige hundert Landleute aus der Umgegend ausgenommen, war, wie immer
bei solchen Gelegenheiten, verhältnißmäßig schwach vertreten. Desto größeren
Antheil glaubte man, werde sie an dem Feste nehmen, das auf den Sonntag-
nachmittag angesagt war. Es sollte ein von Gounot componirter Fest¬
hymnus auf dem Petersplatze gesungen, von den Militairmusikbanden dazu
gespielt werden. Also ein Monstreconcert im Freien. In der That füllte
sich auch gegen 4 Uhr der Petersplatz zur Hälfte. Auf dem erhöhten Vor¬
platze vor der Peterskirche hatten sich Sänger und Spielleute geordnet, in
den Fenstern des Vaticans, auf der Galerie der rechten Colonnade waren
Uniformen, Kirchentrachten und feinste Pariser Modeartikel in bunter Menge
zur Schau gestellt. Eine Viertelstunde verging nach der andern, ohne daß
die Musikbanden ein Lebenszeichen von sich gaben. Man hörte eine Stunde
lang nichts Anderes, als das unharmonische Zusammenschlagen der Glocken
von Se. Peter, die irgend eine Vesper einläuteten. Trotzdem harrte das
Volk geduldig aus, höchstens daß in einzelnen Gruppen gelacht wurde, wenn
eine Pause im Geläute eintrat, und die Hoffnung, jetzt sei es doch einmal
mit dem Gebimmel vorbei, durch einen erneuerten Glockenlärm verspottet
wurde. Endlich trat ein päpstlicher Kämmerling auf die Seitenloggia der
Kirche und gab den Musikbanden das Signal zum Anfang. Sie setzten auch
richtig an, die Sänger intonirten, da kam selbiger Kämmerling wieder zum
Vorschein und ließ die Musiker innehalten. Um aber das Volk nicht miß-
muthig zu machen, machte er allerhand Geberden und gab pantomimisch zu
verstehen, der Papst werde selbst auf die Loggia kommen und den Segen
ertheilen. Im Angesicht der majestätischen Peterskirche, des gewaltigen
Palastes, des ewigen Obelisken machte der heftig gesticulirende Kämmerling,
über ihm der Glöckner in Hemdärmeln, der nach gethaner Arbeit sich im
offenen Glockenstühle niedergelassen hatte und stolz auf die Menge herab¬
blickte, einen seltsamen Eindruck. Endlich wurde es Ernst. Das Signal
zum Musikbeginn wurde abermals gegeben, alle Loggien füllten sich mit
Herren in schwarzem Frack und mit weißer Cravatte, -- den Deputationen
der nordischen Katholikenvereine, welche dem Papste auf seinem Gange von
den vaticanischen Gemächern nach der Loggia vorgestellt wurden, -- und
über die Brüstung der linken Loggia wurde ein rother Sammetteppich ge¬
hängt, das Zeichen, daß der Papst selbst erscheinen werde. Die erste Strophe
des Hymnus, nebenbei gesagt eines schwächlichen Musikproductes ohne Wir¬
kung, war zu Ende gesungen, als der Papst auf der Loggia sichtbar wurde,
freundlich begrüßt von der Menge durch Zuruf und Winken. Dieses war
aber offenbar den Deputirten der nordischen Katholikenvereine nicht genug.


Papst persönlich in der Peterskirche celebrirte und wozu sich die Fremden in
hellen Haufen, wie am Ostertage, drängten. Die heimische Bevölkerung,
einige hundert Landleute aus der Umgegend ausgenommen, war, wie immer
bei solchen Gelegenheiten, verhältnißmäßig schwach vertreten. Desto größeren
Antheil glaubte man, werde sie an dem Feste nehmen, das auf den Sonntag-
nachmittag angesagt war. Es sollte ein von Gounot componirter Fest¬
hymnus auf dem Petersplatze gesungen, von den Militairmusikbanden dazu
gespielt werden. Also ein Monstreconcert im Freien. In der That füllte
sich auch gegen 4 Uhr der Petersplatz zur Hälfte. Auf dem erhöhten Vor¬
platze vor der Peterskirche hatten sich Sänger und Spielleute geordnet, in
den Fenstern des Vaticans, auf der Galerie der rechten Colonnade waren
Uniformen, Kirchentrachten und feinste Pariser Modeartikel in bunter Menge
zur Schau gestellt. Eine Viertelstunde verging nach der andern, ohne daß
die Musikbanden ein Lebenszeichen von sich gaben. Man hörte eine Stunde
lang nichts Anderes, als das unharmonische Zusammenschlagen der Glocken
von Se. Peter, die irgend eine Vesper einläuteten. Trotzdem harrte das
Volk geduldig aus, höchstens daß in einzelnen Gruppen gelacht wurde, wenn
eine Pause im Geläute eintrat, und die Hoffnung, jetzt sei es doch einmal
mit dem Gebimmel vorbei, durch einen erneuerten Glockenlärm verspottet
wurde. Endlich trat ein päpstlicher Kämmerling auf die Seitenloggia der
Kirche und gab den Musikbanden das Signal zum Anfang. Sie setzten auch
richtig an, die Sänger intonirten, da kam selbiger Kämmerling wieder zum
Vorschein und ließ die Musiker innehalten. Um aber das Volk nicht miß-
muthig zu machen, machte er allerhand Geberden und gab pantomimisch zu
verstehen, der Papst werde selbst auf die Loggia kommen und den Segen
ertheilen. Im Angesicht der majestätischen Peterskirche, des gewaltigen
Palastes, des ewigen Obelisken machte der heftig gesticulirende Kämmerling,
über ihm der Glöckner in Hemdärmeln, der nach gethaner Arbeit sich im
offenen Glockenstühle niedergelassen hatte und stolz auf die Menge herab¬
blickte, einen seltsamen Eindruck. Endlich wurde es Ernst. Das Signal
zum Musikbeginn wurde abermals gegeben, alle Loggien füllten sich mit
Herren in schwarzem Frack und mit weißer Cravatte, — den Deputationen
der nordischen Katholikenvereine, welche dem Papste auf seinem Gange von
den vaticanischen Gemächern nach der Loggia vorgestellt wurden, — und
über die Brüstung der linken Loggia wurde ein rother Sammetteppich ge¬
hängt, das Zeichen, daß der Papst selbst erscheinen werde. Die erste Strophe
des Hymnus, nebenbei gesagt eines schwächlichen Musikproductes ohne Wir¬
kung, war zu Ende gesungen, als der Papst auf der Loggia sichtbar wurde,
freundlich begrüßt von der Menge durch Zuruf und Winken. Dieses war
aber offenbar den Deputirten der nordischen Katholikenvereine nicht genug.


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[0214] Papst persönlich in der Peterskirche celebrirte und wozu sich die Fremden in hellen Haufen, wie am Ostertage, drängten. Die heimische Bevölkerung, einige hundert Landleute aus der Umgegend ausgenommen, war, wie immer bei solchen Gelegenheiten, verhältnißmäßig schwach vertreten. Desto größeren Antheil glaubte man, werde sie an dem Feste nehmen, das auf den Sonntag- nachmittag angesagt war. Es sollte ein von Gounot componirter Fest¬ hymnus auf dem Petersplatze gesungen, von den Militairmusikbanden dazu gespielt werden. Also ein Monstreconcert im Freien. In der That füllte sich auch gegen 4 Uhr der Petersplatz zur Hälfte. Auf dem erhöhten Vor¬ platze vor der Peterskirche hatten sich Sänger und Spielleute geordnet, in den Fenstern des Vaticans, auf der Galerie der rechten Colonnade waren Uniformen, Kirchentrachten und feinste Pariser Modeartikel in bunter Menge zur Schau gestellt. Eine Viertelstunde verging nach der andern, ohne daß die Musikbanden ein Lebenszeichen von sich gaben. Man hörte eine Stunde lang nichts Anderes, als das unharmonische Zusammenschlagen der Glocken von Se. Peter, die irgend eine Vesper einläuteten. Trotzdem harrte das Volk geduldig aus, höchstens daß in einzelnen Gruppen gelacht wurde, wenn eine Pause im Geläute eintrat, und die Hoffnung, jetzt sei es doch einmal mit dem Gebimmel vorbei, durch einen erneuerten Glockenlärm verspottet wurde. Endlich trat ein päpstlicher Kämmerling auf die Seitenloggia der Kirche und gab den Musikbanden das Signal zum Anfang. Sie setzten auch richtig an, die Sänger intonirten, da kam selbiger Kämmerling wieder zum Vorschein und ließ die Musiker innehalten. Um aber das Volk nicht miß- muthig zu machen, machte er allerhand Geberden und gab pantomimisch zu verstehen, der Papst werde selbst auf die Loggia kommen und den Segen ertheilen. Im Angesicht der majestätischen Peterskirche, des gewaltigen Palastes, des ewigen Obelisken machte der heftig gesticulirende Kämmerling, über ihm der Glöckner in Hemdärmeln, der nach gethaner Arbeit sich im offenen Glockenstühle niedergelassen hatte und stolz auf die Menge herab¬ blickte, einen seltsamen Eindruck. Endlich wurde es Ernst. Das Signal zum Musikbeginn wurde abermals gegeben, alle Loggien füllten sich mit Herren in schwarzem Frack und mit weißer Cravatte, — den Deputationen der nordischen Katholikenvereine, welche dem Papste auf seinem Gange von den vaticanischen Gemächern nach der Loggia vorgestellt wurden, — und über die Brüstung der linken Loggia wurde ein rother Sammetteppich ge¬ hängt, das Zeichen, daß der Papst selbst erscheinen werde. Die erste Strophe des Hymnus, nebenbei gesagt eines schwächlichen Musikproductes ohne Wir¬ kung, war zu Ende gesungen, als der Papst auf der Loggia sichtbar wurde, freundlich begrüßt von der Menge durch Zuruf und Winken. Dieses war aber offenbar den Deputirten der nordischen Katholikenvereine nicht genug.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/214>, abgerufen am 04.07.2024.