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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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dann Blumen und Früchte, zwischendurch die verschiedenen Sorten römischen
Landweins, bald in Fässern, bald in Flaschen, große Säcke mit Kohlen und
Kartoffeln, mächtige Oelkrüge, Kälber und Lämmer, Stücke Leinwand und
Tuch, ein Assortiment von Knabenhüten prangten hier, von den päpstlichen
Fahnen beschattet, von sauber gedruckten Votivschriften begleitet. Das Ganze
machte den Eindruck einer kleinen landwirtschaftlichen Ausstellung, das ein¬
zelne Object unbedeutend, oft dürftig, wie z. B. der Fruchtstrauß aus flecki¬
gen Birnen und Orangen römischer Obstweiber, aber deutlich das Ergebniß
freiwilliger Hingabe, nicht viel Gutes, nichts Glänzendes, aber doch das Beste,
was ein industriearmes, auf die Wohlthaten der Natur hingewiesenes Land
bieten konnte. Was allein den Eindruck störte, waren zwölf gezogene Ka-
nonenläufe, angeblich das Geschenk einiger römischer Einwohner und mehre¬
rer fremder Katholiken. Wir irren wohl nicht, wenn wir die Mehrzahl
der letzteren recht groß annehmen. Es zeigte sich hier zum ersten Male die
verschiedene Auffassung des Festes bei den Einheimischen und bei den Frem¬
den. Die Einen hatten eine harmlose persönliche Huldigung im Sinne, ohne
jeden politischen Hintergedanken; die Anderen, der ultramontanen Partei an¬
gehörig, aus aller Herren Länder zusammengetrommelt, wollten eine politisch¬
kirchliche Demonstration hervorrufen. Die römische Bevölkerung wird nicht
für die weltliche Herrschaft des Papstes einstehen, sie nicht angreifen, aber
auch nicht aufopfernd vertheidigen. Das liegt nicht in ihrer Natur. Im
Mittelstande, besonders unter den zahlreichen unbeschäftigten Avvoeati, gibt
es viele Schwärmer für die Einheit Italiens; die strebsame Jugend fühlt
sich durch den geistigen Druck, der auf ihr lastet und die Kinderjahre ungebühr¬
lich verlängert, geradezu beschimpft; unter den besseren Handwerkern hört
man häufig Aeußerungen des Grimms über die vielen Müßiggänger. Aber
abgesehen von dem Einfluß der Weiber, die nun einmal, wenn sie gebären,
heirathen und sterben, den altgewohnten kirchlichen Apparat nicht entbehren
können und daher auch die Lenker des letzteren mit ehrfurchtsvoller Scheu
betrachten, lieben auch die Männer den Pomp und die Pracht des päpst¬
lichen Hofes, freuen sich über die massenhaft zuströmenden Fremden und
das viele in Umlauf gesetzte Geld und halten in finanzieller Beziehung
wenigstens die Lage ihrer Landsleute im Königreiche, im "rsguo", nicht
gerade für beneidenswert!). Die Römer, vorausgesetzt, daß keine Geldopfer
von ihnen verlangt wurden, betheiligten sich willig an der Feier des
Päpstlichen Ehrentages, sie überstürzten sich nicht in jubelnder Begeiste¬
rung, aber sahen vergnügten Auges den Herrlichkeiten zu, die Hof und Kirche
vor ihnen entfalteten. Eine politische Bedeutung hatte für sie das Fest
nicht. Das zeigte sich deutlich am Haupttage. Am frühen Morgen donnerten
bereits die Kanonen der Engelsburg; sie kündigten die Messe an, welche der


dann Blumen und Früchte, zwischendurch die verschiedenen Sorten römischen
Landweins, bald in Fässern, bald in Flaschen, große Säcke mit Kohlen und
Kartoffeln, mächtige Oelkrüge, Kälber und Lämmer, Stücke Leinwand und
Tuch, ein Assortiment von Knabenhüten prangten hier, von den päpstlichen
Fahnen beschattet, von sauber gedruckten Votivschriften begleitet. Das Ganze
machte den Eindruck einer kleinen landwirtschaftlichen Ausstellung, das ein¬
zelne Object unbedeutend, oft dürftig, wie z. B. der Fruchtstrauß aus flecki¬
gen Birnen und Orangen römischer Obstweiber, aber deutlich das Ergebniß
freiwilliger Hingabe, nicht viel Gutes, nichts Glänzendes, aber doch das Beste,
was ein industriearmes, auf die Wohlthaten der Natur hingewiesenes Land
bieten konnte. Was allein den Eindruck störte, waren zwölf gezogene Ka-
nonenläufe, angeblich das Geschenk einiger römischer Einwohner und mehre¬
rer fremder Katholiken. Wir irren wohl nicht, wenn wir die Mehrzahl
der letzteren recht groß annehmen. Es zeigte sich hier zum ersten Male die
verschiedene Auffassung des Festes bei den Einheimischen und bei den Frem¬
den. Die Einen hatten eine harmlose persönliche Huldigung im Sinne, ohne
jeden politischen Hintergedanken; die Anderen, der ultramontanen Partei an¬
gehörig, aus aller Herren Länder zusammengetrommelt, wollten eine politisch¬
kirchliche Demonstration hervorrufen. Die römische Bevölkerung wird nicht
für die weltliche Herrschaft des Papstes einstehen, sie nicht angreifen, aber
auch nicht aufopfernd vertheidigen. Das liegt nicht in ihrer Natur. Im
Mittelstande, besonders unter den zahlreichen unbeschäftigten Avvoeati, gibt
es viele Schwärmer für die Einheit Italiens; die strebsame Jugend fühlt
sich durch den geistigen Druck, der auf ihr lastet und die Kinderjahre ungebühr¬
lich verlängert, geradezu beschimpft; unter den besseren Handwerkern hört
man häufig Aeußerungen des Grimms über die vielen Müßiggänger. Aber
abgesehen von dem Einfluß der Weiber, die nun einmal, wenn sie gebären,
heirathen und sterben, den altgewohnten kirchlichen Apparat nicht entbehren
können und daher auch die Lenker des letzteren mit ehrfurchtsvoller Scheu
betrachten, lieben auch die Männer den Pomp und die Pracht des päpst¬
lichen Hofes, freuen sich über die massenhaft zuströmenden Fremden und
das viele in Umlauf gesetzte Geld und halten in finanzieller Beziehung
wenigstens die Lage ihrer Landsleute im Königreiche, im „rsguo", nicht
gerade für beneidenswert!). Die Römer, vorausgesetzt, daß keine Geldopfer
von ihnen verlangt wurden, betheiligten sich willig an der Feier des
Päpstlichen Ehrentages, sie überstürzten sich nicht in jubelnder Begeiste¬
rung, aber sahen vergnügten Auges den Herrlichkeiten zu, die Hof und Kirche
vor ihnen entfalteten. Eine politische Bedeutung hatte für sie das Fest
nicht. Das zeigte sich deutlich am Haupttage. Am frühen Morgen donnerten
bereits die Kanonen der Engelsburg; sie kündigten die Messe an, welche der


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[0213] dann Blumen und Früchte, zwischendurch die verschiedenen Sorten römischen Landweins, bald in Fässern, bald in Flaschen, große Säcke mit Kohlen und Kartoffeln, mächtige Oelkrüge, Kälber und Lämmer, Stücke Leinwand und Tuch, ein Assortiment von Knabenhüten prangten hier, von den päpstlichen Fahnen beschattet, von sauber gedruckten Votivschriften begleitet. Das Ganze machte den Eindruck einer kleinen landwirtschaftlichen Ausstellung, das ein¬ zelne Object unbedeutend, oft dürftig, wie z. B. der Fruchtstrauß aus flecki¬ gen Birnen und Orangen römischer Obstweiber, aber deutlich das Ergebniß freiwilliger Hingabe, nicht viel Gutes, nichts Glänzendes, aber doch das Beste, was ein industriearmes, auf die Wohlthaten der Natur hingewiesenes Land bieten konnte. Was allein den Eindruck störte, waren zwölf gezogene Ka- nonenläufe, angeblich das Geschenk einiger römischer Einwohner und mehre¬ rer fremder Katholiken. Wir irren wohl nicht, wenn wir die Mehrzahl der letzteren recht groß annehmen. Es zeigte sich hier zum ersten Male die verschiedene Auffassung des Festes bei den Einheimischen und bei den Frem¬ den. Die Einen hatten eine harmlose persönliche Huldigung im Sinne, ohne jeden politischen Hintergedanken; die Anderen, der ultramontanen Partei an¬ gehörig, aus aller Herren Länder zusammengetrommelt, wollten eine politisch¬ kirchliche Demonstration hervorrufen. Die römische Bevölkerung wird nicht für die weltliche Herrschaft des Papstes einstehen, sie nicht angreifen, aber auch nicht aufopfernd vertheidigen. Das liegt nicht in ihrer Natur. Im Mittelstande, besonders unter den zahlreichen unbeschäftigten Avvoeati, gibt es viele Schwärmer für die Einheit Italiens; die strebsame Jugend fühlt sich durch den geistigen Druck, der auf ihr lastet und die Kinderjahre ungebühr¬ lich verlängert, geradezu beschimpft; unter den besseren Handwerkern hört man häufig Aeußerungen des Grimms über die vielen Müßiggänger. Aber abgesehen von dem Einfluß der Weiber, die nun einmal, wenn sie gebären, heirathen und sterben, den altgewohnten kirchlichen Apparat nicht entbehren können und daher auch die Lenker des letzteren mit ehrfurchtsvoller Scheu betrachten, lieben auch die Männer den Pomp und die Pracht des päpst¬ lichen Hofes, freuen sich über die massenhaft zuströmenden Fremden und das viele in Umlauf gesetzte Geld und halten in finanzieller Beziehung wenigstens die Lage ihrer Landsleute im Königreiche, im „rsguo", nicht gerade für beneidenswert!). Die Römer, vorausgesetzt, daß keine Geldopfer von ihnen verlangt wurden, betheiligten sich willig an der Feier des Päpstlichen Ehrentages, sie überstürzten sich nicht in jubelnder Begeiste¬ rung, aber sahen vergnügten Auges den Herrlichkeiten zu, die Hof und Kirche vor ihnen entfalteten. Eine politische Bedeutung hatte für sie das Fest nicht. Das zeigte sich deutlich am Haupttage. Am frühen Morgen donnerten bereits die Kanonen der Engelsburg; sie kündigten die Messe an, welche der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/213>, abgerufen am 24.07.2024.