Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu thun haben) entstellt, um in Paris und Florenz böses Blut gegen das
Berliner Cabinet zu machen, die officiöse Presse der östreichischen Hauptstadt
nimmt an diesem militairischen Werk plötzliche Veranlassung, die Gültigkeit
unserer Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten ganz direct
in Frage zu stellen. Der wiederhervorzeholte Satz der k. k. Regierung "Streng
genommen sind diese Bündnisse durch den Prager Frieden ungültig geworden" hat
der "Neuen freien Presse" und deren Genossen zu einer Anzahl Schmähartikel
Veranlassung gegeben, welche übrigens ebenso gegen Bayern wie gegen Preußen
gerichtet sind. Was man mit den Angriffen und Recriminationen gegen das
Berliner Cabinet beabsichtigt, bedarf nicht erst der Erklärung. Wird doch seit
Jahr und Tag jede Gelegenheit in Wien dazu benutzt, den Ausspruch zu
illustriren, mit welchem Gros Beust seinen Eintritt in den österreichischen
Staatsdienst begleitete, die famose Versicherung, daß er von keinerlei Rache¬
gedanken gegen Preußen erfüllt sei. Zweifelhafter könnte sein, was mit den
Ausfällen gegen Bayern und andere süddeutsche Staaten gewollt wird. Die
Wiederbelebung erstorbener Sympathien mit Schmähungen fertig zu bringen,
Wird man doch schwerlich unternommen haben. Oder hat man in Wien
die stolzen Hoffnungen auf Herstellung eines Südbundes unter östreichi¬
schen Protectorate so vollständig begraben, daß man sich bereits von
jeder Rücksicht auf den ehemaligen Bundesgenossen losgelöst fühlt? Zu
den Gewohnheiten der Hofburg und der anspruchsvollen Feinheit ihrer
Diplomaten hatte sonst nicht gehört, den Aerger über zu Wasser gewordene
Hoffnungen und Pläne so anstandslos vor aller Welt auszuposaunen. -- Es
wird von Interesse sein, die Antworten der so empfindlichen Süddeutschen
auf diese Herausforderung zu vernehmen; die Beobachter-Partei wird es
schwer haben, den süddeutschen Regierungen auch dieses Mal alle Zweifel
an der unveränderlichen Freundschaft des k. k Staatskanzlers auszureden.

Von allem Uebrigen abgesehen, muß beispiellos genannt werden, daß
diese publizistischen Feldzüge mit Waffen geführt werden, in deren Besitz man
auf widerrechtliche Weise gelangt ist. Solche Waffen öffentlich anzulegen, ist
nur möglich, wenn man mit dem Gefühl für Recht und Unrecht zugleich den
Anspruch aufgegeben hat, die Formen der Schicklichkeit zu beobachten,
welche in der diplomatischen Welt gelten und auf deren mustergültige Hand¬
habung man sich sonst in Wien besonders viel einzubilden pflegte. Der alte
Metternich, vielleicht auch Felix Schwarzenberg würden sich im Grabe um¬
drehen, wenn bis zu ihnen die Kunde dränge, ein k. k. Staarskanzler habe
die Hofburg dem Vorwurf plebejen Handelns ausgesetzt und zur Klage über
Verletzung des ABC der guten Gesellschaft Veranlassung gegeben. Die
Urtheile der diplomatischen Welt werden in diesem Falle noch sehr viel
härter lauten, als die Antworten der officiösen Berliner Presse.


25*

zu thun haben) entstellt, um in Paris und Florenz böses Blut gegen das
Berliner Cabinet zu machen, die officiöse Presse der östreichischen Hauptstadt
nimmt an diesem militairischen Werk plötzliche Veranlassung, die Gültigkeit
unserer Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten ganz direct
in Frage zu stellen. Der wiederhervorzeholte Satz der k. k. Regierung „Streng
genommen sind diese Bündnisse durch den Prager Frieden ungültig geworden" hat
der „Neuen freien Presse" und deren Genossen zu einer Anzahl Schmähartikel
Veranlassung gegeben, welche übrigens ebenso gegen Bayern wie gegen Preußen
gerichtet sind. Was man mit den Angriffen und Recriminationen gegen das
Berliner Cabinet beabsichtigt, bedarf nicht erst der Erklärung. Wird doch seit
Jahr und Tag jede Gelegenheit in Wien dazu benutzt, den Ausspruch zu
illustriren, mit welchem Gros Beust seinen Eintritt in den österreichischen
Staatsdienst begleitete, die famose Versicherung, daß er von keinerlei Rache¬
gedanken gegen Preußen erfüllt sei. Zweifelhafter könnte sein, was mit den
Ausfällen gegen Bayern und andere süddeutsche Staaten gewollt wird. Die
Wiederbelebung erstorbener Sympathien mit Schmähungen fertig zu bringen,
Wird man doch schwerlich unternommen haben. Oder hat man in Wien
die stolzen Hoffnungen auf Herstellung eines Südbundes unter östreichi¬
schen Protectorate so vollständig begraben, daß man sich bereits von
jeder Rücksicht auf den ehemaligen Bundesgenossen losgelöst fühlt? Zu
den Gewohnheiten der Hofburg und der anspruchsvollen Feinheit ihrer
Diplomaten hatte sonst nicht gehört, den Aerger über zu Wasser gewordene
Hoffnungen und Pläne so anstandslos vor aller Welt auszuposaunen. — Es
wird von Interesse sein, die Antworten der so empfindlichen Süddeutschen
auf diese Herausforderung zu vernehmen; die Beobachter-Partei wird es
schwer haben, den süddeutschen Regierungen auch dieses Mal alle Zweifel
an der unveränderlichen Freundschaft des k. k Staatskanzlers auszureden.

Von allem Uebrigen abgesehen, muß beispiellos genannt werden, daß
diese publizistischen Feldzüge mit Waffen geführt werden, in deren Besitz man
auf widerrechtliche Weise gelangt ist. Solche Waffen öffentlich anzulegen, ist
nur möglich, wenn man mit dem Gefühl für Recht und Unrecht zugleich den
Anspruch aufgegeben hat, die Formen der Schicklichkeit zu beobachten,
welche in der diplomatischen Welt gelten und auf deren mustergültige Hand¬
habung man sich sonst in Wien besonders viel einzubilden pflegte. Der alte
Metternich, vielleicht auch Felix Schwarzenberg würden sich im Grabe um¬
drehen, wenn bis zu ihnen die Kunde dränge, ein k. k. Staarskanzler habe
die Hofburg dem Vorwurf plebejen Handelns ausgesetzt und zur Klage über
Verletzung des ABC der guten Gesellschaft Veranlassung gegeben. Die
Urtheile der diplomatischen Welt werden in diesem Falle noch sehr viel
härter lauten, als die Antworten der officiösen Berliner Presse.


25*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120890"/>
          <p xml:id="ID_648" prev="#ID_647"> zu thun haben) entstellt, um in Paris und Florenz böses Blut gegen das<lb/>
Berliner Cabinet zu machen, die officiöse Presse der östreichischen Hauptstadt<lb/>
nimmt an diesem militairischen Werk plötzliche Veranlassung, die Gültigkeit<lb/>
unserer Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten ganz direct<lb/>
in Frage zu stellen. Der wiederhervorzeholte Satz der k. k. Regierung &#x201E;Streng<lb/>
genommen sind diese Bündnisse durch den Prager Frieden ungültig geworden" hat<lb/>
der &#x201E;Neuen freien Presse" und deren Genossen zu einer Anzahl Schmähartikel<lb/>
Veranlassung gegeben, welche übrigens ebenso gegen Bayern wie gegen Preußen<lb/>
gerichtet sind. Was man mit den Angriffen und Recriminationen gegen das<lb/>
Berliner Cabinet beabsichtigt, bedarf nicht erst der Erklärung. Wird doch seit<lb/>
Jahr und Tag jede Gelegenheit in Wien dazu benutzt, den Ausspruch zu<lb/>
illustriren, mit welchem Gros Beust seinen Eintritt in den österreichischen<lb/>
Staatsdienst begleitete, die famose Versicherung, daß er von keinerlei Rache¬<lb/>
gedanken gegen Preußen erfüllt sei. Zweifelhafter könnte sein, was mit den<lb/>
Ausfällen gegen Bayern und andere süddeutsche Staaten gewollt wird. Die<lb/>
Wiederbelebung erstorbener Sympathien mit Schmähungen fertig zu bringen,<lb/>
Wird man doch schwerlich unternommen haben. Oder hat man in Wien<lb/>
die stolzen Hoffnungen auf Herstellung eines Südbundes unter östreichi¬<lb/>
schen Protectorate so vollständig begraben, daß man sich bereits von<lb/>
jeder Rücksicht auf den ehemaligen Bundesgenossen losgelöst fühlt? Zu<lb/>
den Gewohnheiten der Hofburg und der anspruchsvollen Feinheit ihrer<lb/>
Diplomaten hatte sonst nicht gehört, den Aerger über zu Wasser gewordene<lb/>
Hoffnungen und Pläne so anstandslos vor aller Welt auszuposaunen. &#x2014; Es<lb/>
wird von Interesse sein, die Antworten der so empfindlichen Süddeutschen<lb/>
auf diese Herausforderung zu vernehmen; die Beobachter-Partei wird es<lb/>
schwer haben, den süddeutschen Regierungen auch dieses Mal alle Zweifel<lb/>
an der unveränderlichen Freundschaft des k. k Staatskanzlers auszureden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_649"> Von allem Uebrigen abgesehen, muß beispiellos genannt werden, daß<lb/>
diese publizistischen Feldzüge mit Waffen geführt werden, in deren Besitz man<lb/>
auf widerrechtliche Weise gelangt ist. Solche Waffen öffentlich anzulegen, ist<lb/>
nur möglich, wenn man mit dem Gefühl für Recht und Unrecht zugleich den<lb/>
Anspruch aufgegeben hat, die Formen der Schicklichkeit zu beobachten,<lb/>
welche in der diplomatischen Welt gelten und auf deren mustergültige Hand¬<lb/>
habung man sich sonst in Wien besonders viel einzubilden pflegte. Der alte<lb/>
Metternich, vielleicht auch Felix Schwarzenberg würden sich im Grabe um¬<lb/>
drehen, wenn bis zu ihnen die Kunde dränge, ein k. k. Staarskanzler habe<lb/>
die Hofburg dem Vorwurf plebejen Handelns ausgesetzt und zur Klage über<lb/>
Verletzung des ABC der guten Gesellschaft Veranlassung gegeben. Die<lb/>
Urtheile der diplomatischen Welt werden in diesem Falle noch sehr viel<lb/>
härter lauten, als die Antworten der officiösen Berliner Presse.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 25*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] zu thun haben) entstellt, um in Paris und Florenz böses Blut gegen das Berliner Cabinet zu machen, die officiöse Presse der östreichischen Hauptstadt nimmt an diesem militairischen Werk plötzliche Veranlassung, die Gültigkeit unserer Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten ganz direct in Frage zu stellen. Der wiederhervorzeholte Satz der k. k. Regierung „Streng genommen sind diese Bündnisse durch den Prager Frieden ungültig geworden" hat der „Neuen freien Presse" und deren Genossen zu einer Anzahl Schmähartikel Veranlassung gegeben, welche übrigens ebenso gegen Bayern wie gegen Preußen gerichtet sind. Was man mit den Angriffen und Recriminationen gegen das Berliner Cabinet beabsichtigt, bedarf nicht erst der Erklärung. Wird doch seit Jahr und Tag jede Gelegenheit in Wien dazu benutzt, den Ausspruch zu illustriren, mit welchem Gros Beust seinen Eintritt in den österreichischen Staatsdienst begleitete, die famose Versicherung, daß er von keinerlei Rache¬ gedanken gegen Preußen erfüllt sei. Zweifelhafter könnte sein, was mit den Ausfällen gegen Bayern und andere süddeutsche Staaten gewollt wird. Die Wiederbelebung erstorbener Sympathien mit Schmähungen fertig zu bringen, Wird man doch schwerlich unternommen haben. Oder hat man in Wien die stolzen Hoffnungen auf Herstellung eines Südbundes unter östreichi¬ schen Protectorate so vollständig begraben, daß man sich bereits von jeder Rücksicht auf den ehemaligen Bundesgenossen losgelöst fühlt? Zu den Gewohnheiten der Hofburg und der anspruchsvollen Feinheit ihrer Diplomaten hatte sonst nicht gehört, den Aerger über zu Wasser gewordene Hoffnungen und Pläne so anstandslos vor aller Welt auszuposaunen. — Es wird von Interesse sein, die Antworten der so empfindlichen Süddeutschen auf diese Herausforderung zu vernehmen; die Beobachter-Partei wird es schwer haben, den süddeutschen Regierungen auch dieses Mal alle Zweifel an der unveränderlichen Freundschaft des k. k Staatskanzlers auszureden. Von allem Uebrigen abgesehen, muß beispiellos genannt werden, daß diese publizistischen Feldzüge mit Waffen geführt werden, in deren Besitz man auf widerrechtliche Weise gelangt ist. Solche Waffen öffentlich anzulegen, ist nur möglich, wenn man mit dem Gefühl für Recht und Unrecht zugleich den Anspruch aufgegeben hat, die Formen der Schicklichkeit zu beobachten, welche in der diplomatischen Welt gelten und auf deren mustergültige Hand¬ habung man sich sonst in Wien besonders viel einzubilden pflegte. Der alte Metternich, vielleicht auch Felix Schwarzenberg würden sich im Grabe um¬ drehen, wenn bis zu ihnen die Kunde dränge, ein k. k. Staarskanzler habe die Hofburg dem Vorwurf plebejen Handelns ausgesetzt und zur Klage über Verletzung des ABC der guten Gesellschaft Veranlassung gegeben. Die Urtheile der diplomatischen Welt werden in diesem Falle noch sehr viel härter lauten, als die Antworten der officiösen Berliner Presse. 25*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/203>, abgerufen am 24.07.2024.