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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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des königlichen Vaters von Portugal, Dom Ferdinand's von Coburg-Cohary
als einen Fortschritt ansehen wollte. Die Schwierigkeit, für den spanischen
Thron einen König zu finden, macht mehr und mehr Miene für die Sache
des spanischen Königthums präjudicirlich zu werden. Bis jetzt haben die Arbei¬
ten zur Feststellung der neuen Verfassung den Vorwand dafür geliefert, daß
man die Entscheidung über die Throncandidatur aussetzte, aber diese Arbeiten
Werden nächstens beendet sein, ohne daß die Glieder der Regierung oder die
übrigen Monarchisten im Stande gewesen wären, auch nur einen populären
Namen neben den des wenig beliebten Herzogs Anton von Montpensier auf
ihr Schild zu schreiben. Die Verfassung selbst wird für den Fürsten, der mit
ihr regieren soll, übrigens wenig verlockend sein, denn sie ist auf so breite demo¬
kratische Basen gestellt, als sei sie sür ein politisch reifes Volk, nicht für die
verwilderten, ungebildeten oder demoralisirten Spanier bestimmt. Dem erb¬
lichen König, den man mit vieler Mühe durchgesetzt hat, soll ein blos auf¬
schiebendes Veto zur Seite stehen, der Senat seinem Haupttheile nach nicht
stabil sein, sondern alle zwölf Jahre neu gewählt werden, das Abgeord-
netenhaus alle drei Jahre erneuert werden. Eine ausgedehnte Preß- und
Versammlungsfreiheit versteht sich von selbst, dagegen hat man sich nicht
entschließen können, den Akatholiken mehr als bloße Duldung zuzusichern,
oder die Todesstrafe aufzuheben. Der künftige König findet außerdem eine
völlig leere Staatscasse und eine neue Staatsschuld im Betrage von 1000
Millionen Realen (viermal so viel, als die Staatseinnahmen im besten Fall
betragen) vor; in den spanischen Städten wird er jeden Augenblick Schild¬
erhebungen enttäuschter Republikaner, auf dem flachen Lande Pronuncia-
wentos der Carlisten und Jsabellinos zu erwarten haben, und die Hoffnung,
Spaniens wichtigste Colonie, die Insel Cuba, dieser Krone erhalten zu sehen,
nimmt von Tag zu Tag ab. Der Generalcapitain Dulce hat eben so wenig
ausrichten können, als sein Vorgänger Lerfundi. und Serrano hat den Cortes
selbst eingestehen müssen, daß die Lage der Insel sich in den letzten Wochen
wesentlich verschlimmert habe. Die Hoffnungen der cubanischen Insurgenten
richten sich immer wieder auf die nordamerikanische Union, und obgleich der
Neue Präsident Grant nicht der Mann ist, in so offenkundiger Weise wie
Weiland Herr Buchanan das Völkerrecht zu verletzen, so steht doch fest, daß
es in Nordamerika viele und einflußreiche Politiker gibt, welche minder skru¬
pulös sind als das gegenwärtige Staatsoberhaupt. Da Spanien der For¬
derung des Newyorker Cabinets nachzugeben und die in Havanna gefangen
genommenen amerikanischen Bürger freizulassen Willens scheint, so sind die
Beziehungen der Regierung von Madrid zu der mächtigen Republik des
Westens bis jetzt übrigens ungetrübt geblieben.

In den beiden Staaten des sü d oft ki es e n Europa, welche zu dem Suchen


des königlichen Vaters von Portugal, Dom Ferdinand's von Coburg-Cohary
als einen Fortschritt ansehen wollte. Die Schwierigkeit, für den spanischen
Thron einen König zu finden, macht mehr und mehr Miene für die Sache
des spanischen Königthums präjudicirlich zu werden. Bis jetzt haben die Arbei¬
ten zur Feststellung der neuen Verfassung den Vorwand dafür geliefert, daß
man die Entscheidung über die Throncandidatur aussetzte, aber diese Arbeiten
Werden nächstens beendet sein, ohne daß die Glieder der Regierung oder die
übrigen Monarchisten im Stande gewesen wären, auch nur einen populären
Namen neben den des wenig beliebten Herzogs Anton von Montpensier auf
ihr Schild zu schreiben. Die Verfassung selbst wird für den Fürsten, der mit
ihr regieren soll, übrigens wenig verlockend sein, denn sie ist auf so breite demo¬
kratische Basen gestellt, als sei sie sür ein politisch reifes Volk, nicht für die
verwilderten, ungebildeten oder demoralisirten Spanier bestimmt. Dem erb¬
lichen König, den man mit vieler Mühe durchgesetzt hat, soll ein blos auf¬
schiebendes Veto zur Seite stehen, der Senat seinem Haupttheile nach nicht
stabil sein, sondern alle zwölf Jahre neu gewählt werden, das Abgeord-
netenhaus alle drei Jahre erneuert werden. Eine ausgedehnte Preß- und
Versammlungsfreiheit versteht sich von selbst, dagegen hat man sich nicht
entschließen können, den Akatholiken mehr als bloße Duldung zuzusichern,
oder die Todesstrafe aufzuheben. Der künftige König findet außerdem eine
völlig leere Staatscasse und eine neue Staatsschuld im Betrage von 1000
Millionen Realen (viermal so viel, als die Staatseinnahmen im besten Fall
betragen) vor; in den spanischen Städten wird er jeden Augenblick Schild¬
erhebungen enttäuschter Republikaner, auf dem flachen Lande Pronuncia-
wentos der Carlisten und Jsabellinos zu erwarten haben, und die Hoffnung,
Spaniens wichtigste Colonie, die Insel Cuba, dieser Krone erhalten zu sehen,
nimmt von Tag zu Tag ab. Der Generalcapitain Dulce hat eben so wenig
ausrichten können, als sein Vorgänger Lerfundi. und Serrano hat den Cortes
selbst eingestehen müssen, daß die Lage der Insel sich in den letzten Wochen
wesentlich verschlimmert habe. Die Hoffnungen der cubanischen Insurgenten
richten sich immer wieder auf die nordamerikanische Union, und obgleich der
Neue Präsident Grant nicht der Mann ist, in so offenkundiger Weise wie
Weiland Herr Buchanan das Völkerrecht zu verletzen, so steht doch fest, daß
es in Nordamerika viele und einflußreiche Politiker gibt, welche minder skru¬
pulös sind als das gegenwärtige Staatsoberhaupt. Da Spanien der For¬
derung des Newyorker Cabinets nachzugeben und die in Havanna gefangen
genommenen amerikanischen Bürger freizulassen Willens scheint, so sind die
Beziehungen der Regierung von Madrid zu der mächtigen Republik des
Westens bis jetzt übrigens ungetrübt geblieben.

In den beiden Staaten des sü d oft ki es e n Europa, welche zu dem Suchen


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[0199] des königlichen Vaters von Portugal, Dom Ferdinand's von Coburg-Cohary als einen Fortschritt ansehen wollte. Die Schwierigkeit, für den spanischen Thron einen König zu finden, macht mehr und mehr Miene für die Sache des spanischen Königthums präjudicirlich zu werden. Bis jetzt haben die Arbei¬ ten zur Feststellung der neuen Verfassung den Vorwand dafür geliefert, daß man die Entscheidung über die Throncandidatur aussetzte, aber diese Arbeiten Werden nächstens beendet sein, ohne daß die Glieder der Regierung oder die übrigen Monarchisten im Stande gewesen wären, auch nur einen populären Namen neben den des wenig beliebten Herzogs Anton von Montpensier auf ihr Schild zu schreiben. Die Verfassung selbst wird für den Fürsten, der mit ihr regieren soll, übrigens wenig verlockend sein, denn sie ist auf so breite demo¬ kratische Basen gestellt, als sei sie sür ein politisch reifes Volk, nicht für die verwilderten, ungebildeten oder demoralisirten Spanier bestimmt. Dem erb¬ lichen König, den man mit vieler Mühe durchgesetzt hat, soll ein blos auf¬ schiebendes Veto zur Seite stehen, der Senat seinem Haupttheile nach nicht stabil sein, sondern alle zwölf Jahre neu gewählt werden, das Abgeord- netenhaus alle drei Jahre erneuert werden. Eine ausgedehnte Preß- und Versammlungsfreiheit versteht sich von selbst, dagegen hat man sich nicht entschließen können, den Akatholiken mehr als bloße Duldung zuzusichern, oder die Todesstrafe aufzuheben. Der künftige König findet außerdem eine völlig leere Staatscasse und eine neue Staatsschuld im Betrage von 1000 Millionen Realen (viermal so viel, als die Staatseinnahmen im besten Fall betragen) vor; in den spanischen Städten wird er jeden Augenblick Schild¬ erhebungen enttäuschter Republikaner, auf dem flachen Lande Pronuncia- wentos der Carlisten und Jsabellinos zu erwarten haben, und die Hoffnung, Spaniens wichtigste Colonie, die Insel Cuba, dieser Krone erhalten zu sehen, nimmt von Tag zu Tag ab. Der Generalcapitain Dulce hat eben so wenig ausrichten können, als sein Vorgänger Lerfundi. und Serrano hat den Cortes selbst eingestehen müssen, daß die Lage der Insel sich in den letzten Wochen wesentlich verschlimmert habe. Die Hoffnungen der cubanischen Insurgenten richten sich immer wieder auf die nordamerikanische Union, und obgleich der Neue Präsident Grant nicht der Mann ist, in so offenkundiger Weise wie Weiland Herr Buchanan das Völkerrecht zu verletzen, so steht doch fest, daß es in Nordamerika viele und einflußreiche Politiker gibt, welche minder skru¬ pulös sind als das gegenwärtige Staatsoberhaupt. Da Spanien der For¬ derung des Newyorker Cabinets nachzugeben und die in Havanna gefangen genommenen amerikanischen Bürger freizulassen Willens scheint, so sind die Beziehungen der Regierung von Madrid zu der mächtigen Republik des Westens bis jetzt übrigens ungetrübt geblieben. In den beiden Staaten des sü d oft ki es e n Europa, welche zu dem Suchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/199>, abgerufen am 04.07.2024.