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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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an ihrer Souverainetät hielten, auch nur ein gemeinsames Patentamt zu er¬
richten -- das stand auf jenem anderen Blatte, welches in europäischen
Reden überschlagen zu werden pflegt. Hätte aber ein Mann aus dem Volke
mit beschränktem Unterthanenverstande, hätte ein öffentliches Blatt die Idee
als "zu national" verwerfen wollen, es wäre ihnen der wohlverdiente Hohn
von keiner Seite erspart worden.

Und jetzt? "Wir sind jetzt endlich in der glücklichen Lage, einen solchen
Gerichtshof schaffen zu können. Es sind viele Gemüther hungrig und durstig
nach der Erfüllung der Versicherungen und Hoffnungen, die der norddeutsche
Bund genährt und die schon lange zuvor im deutschen Volke geherrscht hatten.
Zeigen wir ihm, daß wir gemeinsame Institutionen schaffen können und
wollen!" Wem hätte der Abgeordnete Stephani diese Worte nicht aus dem
Herzen geredet? Und doch! wir brauchen nicht zu suchen nach solchen, denen
die Idee so verhaßt ist wie der Eule das Tageslicht; weder im Reichstage
noch außerhalb.

Selbstverständlich sind es rein sachliche Bedenken, formelle Gewissens-
scrupel, zum Theil auch nur Opportunitätsgründe, welche man der von der
sächsischen Regierung angeregten, von weit mehr als zwei Drittel der Stim¬
men im Bundesrathe empfohlenen Maßregel entgegenhält. Wie unhöflich
von dem Abgeordneten Blum, den Gegnern vorzuwerfen, das sei eben das
System der Particularisten. daß sie, wenn wir einen Schritt zur Einigung
thun wollen, uns daran hindern, weil sie wissen, daß solche Schritte zum
Vorwärtskommen nöthig sind.

So ist z. B. der Abgeordnete Windthorst-Meppen im Allgemeinen ganz
einverstanden mit seinem verehrten College" Laster; er hält insbesondere --
abweichend von Herrn von Zehner, dem ein einheitlicher Specialgerichtshof
noch nicht genügt -- die Errichtung eines obersten Handelsgerichts für eine
Sache von der allergrößten Wichtigkeit und hat nur das eine völlig harm¬
lose Bedenken, daß eine so vortreffliche Sache weit besser durch gegenseitige
Vereinbarung der betheiligten Staaten, als auf diesem schmucklosen Wege
des Gesetzes erzielt werden könnte. Das war freilich idyllischer in der Eschen-
heimer Gasse, als noch Lippe-Schaumburg oder Reuß-Schleiz selbst den libe.
raken Launen eines Beust gegenüber sagen durften: Es wird nichts daraus!
Da galt noch das "Selbstbestimmungsrecht der Nationen", gehandhabt von
der Elite der Diplomatie. Doch nein, der Abgeordnete Windthorst hat sich
rein auf den juristischen Standpunkt gestellt und wird dafür auch von der
"Sächsischen Zeitung" als einer der ersten jetzt lebenden Juristen gepriesen.
Herr von Zehner aber fürchtet, bei dem Mangel einer einheitlichen Proce߬
ordnung möchte der Gerichtshof, statt der von ihm öd sehr ersehnten Einheit,
nur Vtelspaltigkeit erzeugen.


an ihrer Souverainetät hielten, auch nur ein gemeinsames Patentamt zu er¬
richten — das stand auf jenem anderen Blatte, welches in europäischen
Reden überschlagen zu werden pflegt. Hätte aber ein Mann aus dem Volke
mit beschränktem Unterthanenverstande, hätte ein öffentliches Blatt die Idee
als „zu national" verwerfen wollen, es wäre ihnen der wohlverdiente Hohn
von keiner Seite erspart worden.

Und jetzt? „Wir sind jetzt endlich in der glücklichen Lage, einen solchen
Gerichtshof schaffen zu können. Es sind viele Gemüther hungrig und durstig
nach der Erfüllung der Versicherungen und Hoffnungen, die der norddeutsche
Bund genährt und die schon lange zuvor im deutschen Volke geherrscht hatten.
Zeigen wir ihm, daß wir gemeinsame Institutionen schaffen können und
wollen!" Wem hätte der Abgeordnete Stephani diese Worte nicht aus dem
Herzen geredet? Und doch! wir brauchen nicht zu suchen nach solchen, denen
die Idee so verhaßt ist wie der Eule das Tageslicht; weder im Reichstage
noch außerhalb.

Selbstverständlich sind es rein sachliche Bedenken, formelle Gewissens-
scrupel, zum Theil auch nur Opportunitätsgründe, welche man der von der
sächsischen Regierung angeregten, von weit mehr als zwei Drittel der Stim¬
men im Bundesrathe empfohlenen Maßregel entgegenhält. Wie unhöflich
von dem Abgeordneten Blum, den Gegnern vorzuwerfen, das sei eben das
System der Particularisten. daß sie, wenn wir einen Schritt zur Einigung
thun wollen, uns daran hindern, weil sie wissen, daß solche Schritte zum
Vorwärtskommen nöthig sind.

So ist z. B. der Abgeordnete Windthorst-Meppen im Allgemeinen ganz
einverstanden mit seinem verehrten College» Laster; er hält insbesondere —
abweichend von Herrn von Zehner, dem ein einheitlicher Specialgerichtshof
noch nicht genügt — die Errichtung eines obersten Handelsgerichts für eine
Sache von der allergrößten Wichtigkeit und hat nur das eine völlig harm¬
lose Bedenken, daß eine so vortreffliche Sache weit besser durch gegenseitige
Vereinbarung der betheiligten Staaten, als auf diesem schmucklosen Wege
des Gesetzes erzielt werden könnte. Das war freilich idyllischer in der Eschen-
heimer Gasse, als noch Lippe-Schaumburg oder Reuß-Schleiz selbst den libe.
raken Launen eines Beust gegenüber sagen durften: Es wird nichts daraus!
Da galt noch das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen", gehandhabt von
der Elite der Diplomatie. Doch nein, der Abgeordnete Windthorst hat sich
rein auf den juristischen Standpunkt gestellt und wird dafür auch von der
„Sächsischen Zeitung" als einer der ersten jetzt lebenden Juristen gepriesen.
Herr von Zehner aber fürchtet, bei dem Mangel einer einheitlichen Proce߬
ordnung möchte der Gerichtshof, statt der von ihm öd sehr ersehnten Einheit,
nur Vtelspaltigkeit erzeugen.


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[0170] an ihrer Souverainetät hielten, auch nur ein gemeinsames Patentamt zu er¬ richten — das stand auf jenem anderen Blatte, welches in europäischen Reden überschlagen zu werden pflegt. Hätte aber ein Mann aus dem Volke mit beschränktem Unterthanenverstande, hätte ein öffentliches Blatt die Idee als „zu national" verwerfen wollen, es wäre ihnen der wohlverdiente Hohn von keiner Seite erspart worden. Und jetzt? „Wir sind jetzt endlich in der glücklichen Lage, einen solchen Gerichtshof schaffen zu können. Es sind viele Gemüther hungrig und durstig nach der Erfüllung der Versicherungen und Hoffnungen, die der norddeutsche Bund genährt und die schon lange zuvor im deutschen Volke geherrscht hatten. Zeigen wir ihm, daß wir gemeinsame Institutionen schaffen können und wollen!" Wem hätte der Abgeordnete Stephani diese Worte nicht aus dem Herzen geredet? Und doch! wir brauchen nicht zu suchen nach solchen, denen die Idee so verhaßt ist wie der Eule das Tageslicht; weder im Reichstage noch außerhalb. Selbstverständlich sind es rein sachliche Bedenken, formelle Gewissens- scrupel, zum Theil auch nur Opportunitätsgründe, welche man der von der sächsischen Regierung angeregten, von weit mehr als zwei Drittel der Stim¬ men im Bundesrathe empfohlenen Maßregel entgegenhält. Wie unhöflich von dem Abgeordneten Blum, den Gegnern vorzuwerfen, das sei eben das System der Particularisten. daß sie, wenn wir einen Schritt zur Einigung thun wollen, uns daran hindern, weil sie wissen, daß solche Schritte zum Vorwärtskommen nöthig sind. So ist z. B. der Abgeordnete Windthorst-Meppen im Allgemeinen ganz einverstanden mit seinem verehrten College» Laster; er hält insbesondere — abweichend von Herrn von Zehner, dem ein einheitlicher Specialgerichtshof noch nicht genügt — die Errichtung eines obersten Handelsgerichts für eine Sache von der allergrößten Wichtigkeit und hat nur das eine völlig harm¬ lose Bedenken, daß eine so vortreffliche Sache weit besser durch gegenseitige Vereinbarung der betheiligten Staaten, als auf diesem schmucklosen Wege des Gesetzes erzielt werden könnte. Das war freilich idyllischer in der Eschen- heimer Gasse, als noch Lippe-Schaumburg oder Reuß-Schleiz selbst den libe. raken Launen eines Beust gegenüber sagen durften: Es wird nichts daraus! Da galt noch das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen", gehandhabt von der Elite der Diplomatie. Doch nein, der Abgeordnete Windthorst hat sich rein auf den juristischen Standpunkt gestellt und wird dafür auch von der „Sächsischen Zeitung" als einer der ersten jetzt lebenden Juristen gepriesen. Herr von Zehner aber fürchtet, bei dem Mangel einer einheitlichen Proce߬ ordnung möchte der Gerichtshof, statt der von ihm öd sehr ersehnten Einheit, nur Vtelspaltigkeit erzeugen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/170>, abgerufen am 24.07.2024.