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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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bestes Kleid an und kam ihnen mit der Frage entgegen, was den Herrn
zu Diensten stände? Der wortführende Brandmeister gab wichtig zu erkennen,
daß er und seine Consorten durch jenen auf dem Schornstein angebrachten
Mann, der seine Stelle mit dem Besen nicht verließ, sehr beleidigt wären,
und wie er, Professor, als ein hochgelehrter Mann sie so kränken könne.
Meine Herrn, erwiderte dieser, Sie irren sich sehr, wenn sie mir eine solche
Absicht angemuthet haben, vielmehr muß ich ihnen versichern, daß diese
Statue als ein Merkmal der Achtung von mir aufgesetzt worden, welche
der Staat ihren Bemühungen und Gefahren schuldig ist, und daß ich, wenn
ich nicht Hommel wäre, gleich ein Schornsteinfeger werden möchte. Die
schwarze Schaar fühlte sich durch diese artige Lobrede so geehrt, daß sie sich
bückte und Hommel selbige mit vielen Gegenbücklingen zur Thür hinaus be¬
gleitete. Den unbeweglichen Schornsteinfeger habe ich noch bei meiner Ab¬
reise an seiner Stelle gefunden.

Ein sehr reicher aber auch stolzer Docent war Dr. Behm, der die Ge¬
schichte las. Er hatte eine reiche Frau geheirathet und war auf seinem
Katheder in Seide gekleidet. Folgende Geschichte von ihm und einem
Herrn v. Helmersen habe ich damals erfahren. Dieser lustige Vogel hatte
sich als Student zwar zu einem Collegio bei Behm eingeschrieben, dasselbe
aber wie gewöhnlich nicht besucht. Behm nahm dieses sehr übel, und als
Helmersen sich endlich einmal wieder einfand, nahm Behm Gelegenheit ihn
auf die Wichtigkeit der Geschichte aufmerksam zu machen und sich zu ihm
wendend zu sagen: daß dem großen Griffel der Geschichte zu folgen und ihn
zu verstehen einen ununterbrochenen Fleiß fordere. Helmersen erschien den
folgenden Tag mit einem Bleistifte von der Dicke eines Armes auf der
Schulter, setzte sich Behm gegenüber, spitzte voll Aufmerksamkeit diesen balken-
förmigen Bleistift mit einem ganz kleinen Messerlein, wie man solches als
Uhrberloque zu tragen pflegte, und bereitete sich zum Nachschreiben. Diese
komische Vorbereitung, noch mehr das dem Helmersen eigene satirische Gesicht,
erregte ein allgemeines Lachen, so daß Behm selbst nichts Anderes übrig
blieb, als Herrn v. Helmersen zu ersuchen, nächstens einen kleineren Bleistift
mitzubringen. Den andern Tag erschien Helmersen wieder auf diesem Platz,
man sah nichts Auffallendes an ihm und Behm fing an zu dociren. Plötz¬
lich zog Helmersen einen kleinen Bleistift aus dem Busen, von seiner Seite
aber ein Schwert von Messer aus der Scheide, und sing nun damit an, den
Bleistift auf eine possirliche Art zu handhaben. Man konnte ebensowenig
sich des Lachens erwehren und Behm fand es am rathsamsten, Nichts mehr
zu sagen. -- Außer andern lustigen Studentenstreichen erließ Helmersen noch
ein Letztes, denn er mußte Leipzig deshalb verlassen. In der reformulen
Kirche, wo der Gottesdienst durch Zollikofer so feierlich wurde, siiß unter


bestes Kleid an und kam ihnen mit der Frage entgegen, was den Herrn
zu Diensten stände? Der wortführende Brandmeister gab wichtig zu erkennen,
daß er und seine Consorten durch jenen auf dem Schornstein angebrachten
Mann, der seine Stelle mit dem Besen nicht verließ, sehr beleidigt wären,
und wie er, Professor, als ein hochgelehrter Mann sie so kränken könne.
Meine Herrn, erwiderte dieser, Sie irren sich sehr, wenn sie mir eine solche
Absicht angemuthet haben, vielmehr muß ich ihnen versichern, daß diese
Statue als ein Merkmal der Achtung von mir aufgesetzt worden, welche
der Staat ihren Bemühungen und Gefahren schuldig ist, und daß ich, wenn
ich nicht Hommel wäre, gleich ein Schornsteinfeger werden möchte. Die
schwarze Schaar fühlte sich durch diese artige Lobrede so geehrt, daß sie sich
bückte und Hommel selbige mit vielen Gegenbücklingen zur Thür hinaus be¬
gleitete. Den unbeweglichen Schornsteinfeger habe ich noch bei meiner Ab¬
reise an seiner Stelle gefunden.

Ein sehr reicher aber auch stolzer Docent war Dr. Behm, der die Ge¬
schichte las. Er hatte eine reiche Frau geheirathet und war auf seinem
Katheder in Seide gekleidet. Folgende Geschichte von ihm und einem
Herrn v. Helmersen habe ich damals erfahren. Dieser lustige Vogel hatte
sich als Student zwar zu einem Collegio bei Behm eingeschrieben, dasselbe
aber wie gewöhnlich nicht besucht. Behm nahm dieses sehr übel, und als
Helmersen sich endlich einmal wieder einfand, nahm Behm Gelegenheit ihn
auf die Wichtigkeit der Geschichte aufmerksam zu machen und sich zu ihm
wendend zu sagen: daß dem großen Griffel der Geschichte zu folgen und ihn
zu verstehen einen ununterbrochenen Fleiß fordere. Helmersen erschien den
folgenden Tag mit einem Bleistifte von der Dicke eines Armes auf der
Schulter, setzte sich Behm gegenüber, spitzte voll Aufmerksamkeit diesen balken-
förmigen Bleistift mit einem ganz kleinen Messerlein, wie man solches als
Uhrberloque zu tragen pflegte, und bereitete sich zum Nachschreiben. Diese
komische Vorbereitung, noch mehr das dem Helmersen eigene satirische Gesicht,
erregte ein allgemeines Lachen, so daß Behm selbst nichts Anderes übrig
blieb, als Herrn v. Helmersen zu ersuchen, nächstens einen kleineren Bleistift
mitzubringen. Den andern Tag erschien Helmersen wieder auf diesem Platz,
man sah nichts Auffallendes an ihm und Behm fing an zu dociren. Plötz¬
lich zog Helmersen einen kleinen Bleistift aus dem Busen, von seiner Seite
aber ein Schwert von Messer aus der Scheide, und sing nun damit an, den
Bleistift auf eine possirliche Art zu handhaben. Man konnte ebensowenig
sich des Lachens erwehren und Behm fand es am rathsamsten, Nichts mehr
zu sagen. — Außer andern lustigen Studentenstreichen erließ Helmersen noch
ein Letztes, denn er mußte Leipzig deshalb verlassen. In der reformulen
Kirche, wo der Gottesdienst durch Zollikofer so feierlich wurde, siiß unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/60>, abgerufen am 28.09.2024.