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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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bürg sich bis zum 7, Grade in die Höhe gearbeitet oder vielmehr einge¬
kauft hatte.

Unsere von ihm gestiftete Uniform war scharlachroth mit grünsammt-
nem Kragen und großen blanken Stahlknöpfen -- darin wurde Sonntags ge¬
gangen, gefahren und geritten und so die Aufmerksamkeit der Stadt erregt.
Der Prorector machte ihm Vorstellungen hierüber, aber er wußte sich damit
auszureden, daß der Zufall einer übereinstimmenden Liebhaberei zu einer
Farbe nicht für eine intentirte Auszeichnung anzunehmen wäre. Man konnte
uns nicht so recht beikommen, so lange Siepers als Senior seinen rothen Rock
in Schutz nahm, bis es dem erwähnten Professor Platner gelang uns auf
eine ganz eigene Weise von dieser Kleidung abzubringen. Er berief uns
einstmals zu einer außerordentlichen Vorlesung. Wir trafen in seinem schö¬
nen mit Büsten und Kunstsachen decorirten Hörsaal ein; wir wunderten uns
darüber, daß nur wir Landsleute die Gesellschaft ausmachten, noch mehr aber,
als er uns in seiner beredten und anziehenden Sprache einen Vortrag über
die Dankbarkeit hielt, und damit schloß, daß es unsern Gesinnungen eine
außerordentliche Ehre machen würde, wenn wir arme Studenten mit unsern
rothen Röcken beschenken würden. -- Seine Zuhörer und Bewunderer, Siepers
an der Spitze, willigten ein; ein Pedell kam den andern Morgen und die
Meisten gaben ihre rothen Röcke den Armen. So wußte Platner uns das
Ansehen zu lassen, freiwillig eine Wohlthat geübt, einer Forderung nicht nach¬
gegeben zu haben, die doch in der guten Ordnung gegründet war.

Uebrigens war Platner ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Re¬
den und sein Hörsaal ein festlicher Philosophentempel, in welchem er wegen
seiner Beredtsamkeit von durchreisenden Vornehmen und Fremden sehr besucht
wurde. Besonders fand seine Moral mit ihrer Glückseligkeitslehre damals
vielen Beifall. Den Stolz in jedem Stande stellte er sehr treffend und bil¬
derreich vor, auch den gelehrten Stolz ganz unparteiisch, der ihm selbst sehr
anklebte. Sein Streit mit Wezel erregte damals viel Aufmerksamkeit. Letz¬
terer hatte einmal sich geäußert, daß in der Theodicee des großen Leibnitz,
den unser Platner vergötterte, das Raisonnement wie ein Nachen auf dem
großen Meere der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, wodurch er auf die
vielen Citate dieses großen Philosophen zielte. Dieses war Platnern
wieder erzählt worden, der jene Censur über seinen Helden nicht vertragen
konnte und daher in einer öffentlichen Vorlesung über Wezeln sich ausließ,
wie dieser es sich habe können einfallen lassen, Leibnitz zu beurtheilen.
Dieses kam dem Wezel wieder zu Ohren, und nun ließ Letzterer ein Epi¬
gramm wider Platner mit der Ueberschrift "Doctor Pumpelmoos" drucken,
indem er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb einen ganzen
Bogen dagegen; Wezel aber drohte ihn mit sammt seinen moralischen Apho-


bürg sich bis zum 7, Grade in die Höhe gearbeitet oder vielmehr einge¬
kauft hatte.

Unsere von ihm gestiftete Uniform war scharlachroth mit grünsammt-
nem Kragen und großen blanken Stahlknöpfen — darin wurde Sonntags ge¬
gangen, gefahren und geritten und so die Aufmerksamkeit der Stadt erregt.
Der Prorector machte ihm Vorstellungen hierüber, aber er wußte sich damit
auszureden, daß der Zufall einer übereinstimmenden Liebhaberei zu einer
Farbe nicht für eine intentirte Auszeichnung anzunehmen wäre. Man konnte
uns nicht so recht beikommen, so lange Siepers als Senior seinen rothen Rock
in Schutz nahm, bis es dem erwähnten Professor Platner gelang uns auf
eine ganz eigene Weise von dieser Kleidung abzubringen. Er berief uns
einstmals zu einer außerordentlichen Vorlesung. Wir trafen in seinem schö¬
nen mit Büsten und Kunstsachen decorirten Hörsaal ein; wir wunderten uns
darüber, daß nur wir Landsleute die Gesellschaft ausmachten, noch mehr aber,
als er uns in seiner beredten und anziehenden Sprache einen Vortrag über
die Dankbarkeit hielt, und damit schloß, daß es unsern Gesinnungen eine
außerordentliche Ehre machen würde, wenn wir arme Studenten mit unsern
rothen Röcken beschenken würden. — Seine Zuhörer und Bewunderer, Siepers
an der Spitze, willigten ein; ein Pedell kam den andern Morgen und die
Meisten gaben ihre rothen Röcke den Armen. So wußte Platner uns das
Ansehen zu lassen, freiwillig eine Wohlthat geübt, einer Forderung nicht nach¬
gegeben zu haben, die doch in der guten Ordnung gegründet war.

Uebrigens war Platner ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Re¬
den und sein Hörsaal ein festlicher Philosophentempel, in welchem er wegen
seiner Beredtsamkeit von durchreisenden Vornehmen und Fremden sehr besucht
wurde. Besonders fand seine Moral mit ihrer Glückseligkeitslehre damals
vielen Beifall. Den Stolz in jedem Stande stellte er sehr treffend und bil¬
derreich vor, auch den gelehrten Stolz ganz unparteiisch, der ihm selbst sehr
anklebte. Sein Streit mit Wezel erregte damals viel Aufmerksamkeit. Letz¬
terer hatte einmal sich geäußert, daß in der Theodicee des großen Leibnitz,
den unser Platner vergötterte, das Raisonnement wie ein Nachen auf dem
großen Meere der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, wodurch er auf die
vielen Citate dieses großen Philosophen zielte. Dieses war Platnern
wieder erzählt worden, der jene Censur über seinen Helden nicht vertragen
konnte und daher in einer öffentlichen Vorlesung über Wezeln sich ausließ,
wie dieser es sich habe können einfallen lassen, Leibnitz zu beurtheilen.
Dieses kam dem Wezel wieder zu Ohren, und nun ließ Letzterer ein Epi¬
gramm wider Platner mit der Ueberschrift „Doctor Pumpelmoos" drucken,
indem er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb einen ganzen
Bogen dagegen; Wezel aber drohte ihn mit sammt seinen moralischen Apho-


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[0056] bürg sich bis zum 7, Grade in die Höhe gearbeitet oder vielmehr einge¬ kauft hatte. Unsere von ihm gestiftete Uniform war scharlachroth mit grünsammt- nem Kragen und großen blanken Stahlknöpfen — darin wurde Sonntags ge¬ gangen, gefahren und geritten und so die Aufmerksamkeit der Stadt erregt. Der Prorector machte ihm Vorstellungen hierüber, aber er wußte sich damit auszureden, daß der Zufall einer übereinstimmenden Liebhaberei zu einer Farbe nicht für eine intentirte Auszeichnung anzunehmen wäre. Man konnte uns nicht so recht beikommen, so lange Siepers als Senior seinen rothen Rock in Schutz nahm, bis es dem erwähnten Professor Platner gelang uns auf eine ganz eigene Weise von dieser Kleidung abzubringen. Er berief uns einstmals zu einer außerordentlichen Vorlesung. Wir trafen in seinem schö¬ nen mit Büsten und Kunstsachen decorirten Hörsaal ein; wir wunderten uns darüber, daß nur wir Landsleute die Gesellschaft ausmachten, noch mehr aber, als er uns in seiner beredten und anziehenden Sprache einen Vortrag über die Dankbarkeit hielt, und damit schloß, daß es unsern Gesinnungen eine außerordentliche Ehre machen würde, wenn wir arme Studenten mit unsern rothen Röcken beschenken würden. — Seine Zuhörer und Bewunderer, Siepers an der Spitze, willigten ein; ein Pedell kam den andern Morgen und die Meisten gaben ihre rothen Röcke den Armen. So wußte Platner uns das Ansehen zu lassen, freiwillig eine Wohlthat geübt, einer Forderung nicht nach¬ gegeben zu haben, die doch in der guten Ordnung gegründet war. Uebrigens war Platner ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Re¬ den und sein Hörsaal ein festlicher Philosophentempel, in welchem er wegen seiner Beredtsamkeit von durchreisenden Vornehmen und Fremden sehr besucht wurde. Besonders fand seine Moral mit ihrer Glückseligkeitslehre damals vielen Beifall. Den Stolz in jedem Stande stellte er sehr treffend und bil¬ derreich vor, auch den gelehrten Stolz ganz unparteiisch, der ihm selbst sehr anklebte. Sein Streit mit Wezel erregte damals viel Aufmerksamkeit. Letz¬ terer hatte einmal sich geäußert, daß in der Theodicee des großen Leibnitz, den unser Platner vergötterte, das Raisonnement wie ein Nachen auf dem großen Meere der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, wodurch er auf die vielen Citate dieses großen Philosophen zielte. Dieses war Platnern wieder erzählt worden, der jene Censur über seinen Helden nicht vertragen konnte und daher in einer öffentlichen Vorlesung über Wezeln sich ausließ, wie dieser es sich habe können einfallen lassen, Leibnitz zu beurtheilen. Dieses kam dem Wezel wieder zu Ohren, und nun ließ Letzterer ein Epi¬ gramm wider Platner mit der Ueberschrift „Doctor Pumpelmoos" drucken, indem er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb einen ganzen Bogen dagegen; Wezel aber drohte ihn mit sammt seinen moralischen Apho-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/56>, abgerufen am 28.09.2024.