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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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etliche schwedische Herren im Lande, und am Hofe deutsche Junker, welche
mich von Jugend auf gekannt haben." Da frug der Herzog: "Wer sind
diese schwedischen Herren?" Ich berichtete: "Herr Axel Löwenkopf (der mit
dem König und Herzog Geschwisterkind war), Herr Curo Bielke. Herr Erich
und Herr Johann Sparre." Der Herzog fragte, wo ich mit ihnen Kund¬
schaft gehabt. Ich meldete, daß ich sie in Italien gekannt. Darauf spricht
er: "In Italien! Ja die italienischen Praktiken gelten bei mir nichts." Und
das sagte er darum, weil diese Herren grade damals in Ungnade und Ver¬
haft waren. Darnach frug er, wer die Deutschen an seinem Hofe wären.
Ich vermeldete: "Ein Meißnischer von Adel, Georg Blank genannt, welchen
ich sammt seinem Bruder zu Leipzig kannte, da ich noch ein Knabe war und
dort studirte."

Der Herzog schwieg dazu still, und Herr Ricks Guldenstern fing wieder
an zu reden: "Es ist nichts Neues, daß man Legaten intercipirt. So hat
bei Menschengedenken der Vicekönig von Sicilien die französischen Gesandten,
welche nach der Türkei reisen wollten, gefangen und aufgehalten. Und weder
kaiserliche Majestät noch sonst Jemand würde es fürstlicher Durchlaucht ver¬
denken können, daß Sie in dieser Sache so fleißig nachforschen, weil ihr doch
in des Feindes Land, mit dem Sie in offenem Krieg stehen, betreten wurdet."
Indem fiel ihm der Herzog abermals- in die Rede und sagte: "Was meint
ihr, wenn ich gleich den Kerl henken lasse, der Kaiser würde seinetwegen
einen Krieg anfangen?" Ich ließ diese Rede des Herzogs vorübergehen und
antwortete Herrn Ricks Guldenstern auf seine Einrede: "Was der Herr
wegen der Legaten sagt, kann sich auf mich nicht beziehen, denn erstlich bin
ich kein Legat, dem etwas zu handeln und tractiren anbefohlen ist, sondern
bin nur mit Briefen herumgeschickt worden; dann aber sind jene, deren der
Herr gedacht, vom Feind zum Feinde gereist; ich aber habe zwar meine
Reise zu Ihrem Feinde angestellt, bin aber von keinem Ihrer Feinde dahin
geschickt worden. Und wenn ich etwas wider die Krone Schweden zu
handeln gehabt, hätte ich wol einen anderen Weg finden wollen, wo ich der
Gefahr nicht ausgesetzt war, in schwedische Hände zu fallen." Der Herzog
fragte, wie ich meinen Weg denn sonst hätte nehmen wollen. Ich ant¬
wortete: "Es sind der Wege nach Moskau gar viel, ich hätte leicht einen
finden können."

Nach diesem wurden noch mehrere Reden pro et contra, gewechselt, end¬
lich entließ mich der Herzog wieder mit der Drohung, wenn ich meine Ge¬
schäfte nicht gutwillig offenbaren würde, würde mir ein anderer Frager an
die Seite gestellt werden. Darauf antwortete ich im Hinausgehen: "Der
Teufel mag fortan Fürsten und Herren dienen, wenn einer mit dem Diener


etliche schwedische Herren im Lande, und am Hofe deutsche Junker, welche
mich von Jugend auf gekannt haben." Da frug der Herzog: „Wer sind
diese schwedischen Herren?" Ich berichtete: „Herr Axel Löwenkopf (der mit
dem König und Herzog Geschwisterkind war), Herr Curo Bielke. Herr Erich
und Herr Johann Sparre." Der Herzog fragte, wo ich mit ihnen Kund¬
schaft gehabt. Ich meldete, daß ich sie in Italien gekannt. Darauf spricht
er: „In Italien! Ja die italienischen Praktiken gelten bei mir nichts." Und
das sagte er darum, weil diese Herren grade damals in Ungnade und Ver¬
haft waren. Darnach frug er, wer die Deutschen an seinem Hofe wären.
Ich vermeldete: „Ein Meißnischer von Adel, Georg Blank genannt, welchen
ich sammt seinem Bruder zu Leipzig kannte, da ich noch ein Knabe war und
dort studirte."

Der Herzog schwieg dazu still, und Herr Ricks Guldenstern fing wieder
an zu reden: „Es ist nichts Neues, daß man Legaten intercipirt. So hat
bei Menschengedenken der Vicekönig von Sicilien die französischen Gesandten,
welche nach der Türkei reisen wollten, gefangen und aufgehalten. Und weder
kaiserliche Majestät noch sonst Jemand würde es fürstlicher Durchlaucht ver¬
denken können, daß Sie in dieser Sache so fleißig nachforschen, weil ihr doch
in des Feindes Land, mit dem Sie in offenem Krieg stehen, betreten wurdet."
Indem fiel ihm der Herzog abermals- in die Rede und sagte: „Was meint
ihr, wenn ich gleich den Kerl henken lasse, der Kaiser würde seinetwegen
einen Krieg anfangen?" Ich ließ diese Rede des Herzogs vorübergehen und
antwortete Herrn Ricks Guldenstern auf seine Einrede: „Was der Herr
wegen der Legaten sagt, kann sich auf mich nicht beziehen, denn erstlich bin
ich kein Legat, dem etwas zu handeln und tractiren anbefohlen ist, sondern
bin nur mit Briefen herumgeschickt worden; dann aber sind jene, deren der
Herr gedacht, vom Feind zum Feinde gereist; ich aber habe zwar meine
Reise zu Ihrem Feinde angestellt, bin aber von keinem Ihrer Feinde dahin
geschickt worden. Und wenn ich etwas wider die Krone Schweden zu
handeln gehabt, hätte ich wol einen anderen Weg finden wollen, wo ich der
Gefahr nicht ausgesetzt war, in schwedische Hände zu fallen." Der Herzog
fragte, wie ich meinen Weg denn sonst hätte nehmen wollen. Ich ant¬
wortete: „Es sind der Wege nach Moskau gar viel, ich hätte leicht einen
finden können."

Nach diesem wurden noch mehrere Reden pro et contra, gewechselt, end¬
lich entließ mich der Herzog wieder mit der Drohung, wenn ich meine Ge¬
schäfte nicht gutwillig offenbaren würde, würde mir ein anderer Frager an
die Seite gestellt werden. Darauf antwortete ich im Hinausgehen: „Der
Teufel mag fortan Fürsten und Herren dienen, wenn einer mit dem Diener


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[0481] etliche schwedische Herren im Lande, und am Hofe deutsche Junker, welche mich von Jugend auf gekannt haben." Da frug der Herzog: „Wer sind diese schwedischen Herren?" Ich berichtete: „Herr Axel Löwenkopf (der mit dem König und Herzog Geschwisterkind war), Herr Curo Bielke. Herr Erich und Herr Johann Sparre." Der Herzog fragte, wo ich mit ihnen Kund¬ schaft gehabt. Ich meldete, daß ich sie in Italien gekannt. Darauf spricht er: „In Italien! Ja die italienischen Praktiken gelten bei mir nichts." Und das sagte er darum, weil diese Herren grade damals in Ungnade und Ver¬ haft waren. Darnach frug er, wer die Deutschen an seinem Hofe wären. Ich vermeldete: „Ein Meißnischer von Adel, Georg Blank genannt, welchen ich sammt seinem Bruder zu Leipzig kannte, da ich noch ein Knabe war und dort studirte." Der Herzog schwieg dazu still, und Herr Ricks Guldenstern fing wieder an zu reden: „Es ist nichts Neues, daß man Legaten intercipirt. So hat bei Menschengedenken der Vicekönig von Sicilien die französischen Gesandten, welche nach der Türkei reisen wollten, gefangen und aufgehalten. Und weder kaiserliche Majestät noch sonst Jemand würde es fürstlicher Durchlaucht ver¬ denken können, daß Sie in dieser Sache so fleißig nachforschen, weil ihr doch in des Feindes Land, mit dem Sie in offenem Krieg stehen, betreten wurdet." Indem fiel ihm der Herzog abermals- in die Rede und sagte: „Was meint ihr, wenn ich gleich den Kerl henken lasse, der Kaiser würde seinetwegen einen Krieg anfangen?" Ich ließ diese Rede des Herzogs vorübergehen und antwortete Herrn Ricks Guldenstern auf seine Einrede: „Was der Herr wegen der Legaten sagt, kann sich auf mich nicht beziehen, denn erstlich bin ich kein Legat, dem etwas zu handeln und tractiren anbefohlen ist, sondern bin nur mit Briefen herumgeschickt worden; dann aber sind jene, deren der Herr gedacht, vom Feind zum Feinde gereist; ich aber habe zwar meine Reise zu Ihrem Feinde angestellt, bin aber von keinem Ihrer Feinde dahin geschickt worden. Und wenn ich etwas wider die Krone Schweden zu handeln gehabt, hätte ich wol einen anderen Weg finden wollen, wo ich der Gefahr nicht ausgesetzt war, in schwedische Hände zu fallen." Der Herzog fragte, wie ich meinen Weg denn sonst hätte nehmen wollen. Ich ant¬ wortete: „Es sind der Wege nach Moskau gar viel, ich hätte leicht einen finden können." Nach diesem wurden noch mehrere Reden pro et contra, gewechselt, end¬ lich entließ mich der Herzog wieder mit der Drohung, wenn ich meine Ge¬ schäfte nicht gutwillig offenbaren würde, würde mir ein anderer Frager an die Seite gestellt werden. Darauf antwortete ich im Hinausgehen: „Der Teufel mag fortan Fürsten und Herren dienen, wenn einer mit dem Diener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/481>, abgerufen am 28.09.2024.