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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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besonders reich ausfiel. Aber dies paßte den griechischen Actionsmännern
nicht, denn damit wäre die Sache aus gewesen.

Auf Aegina z. B. wünschten mehre hundert kretische Familien heimzu¬
kehren und der türkische Gesandte, an den sie sich deshalb gewandt hatten,
stellte ihnen dafür einen Lloyddampfer zur Verfügung. Als dieser jedoch im
Hafen erschien, sammelte sich am Ufer eine zahlreiche Volksmenge, welche die
Landung der Schiffsmannschaft und die Einschiffung der Flüchtlinge hinderte.
Aber nicht nur das, sondern auch die Behörden der Insel weigerten sich, die
Landung der Schiffsofficiere und der türkischen Consulatsbeamten und den
Verkehr derselben mit den Kandioten zuzulassen. Der Dampfer mußte un-
verrichteter Dinge in den Piräus zurückkehren. Auf die Jnterpellation des
türkischen Gesandten über solche offne Complicität der Behörden mußte der
auswärtige Minister Herr Deliyanni die Unfähigkeit der Negierung einge¬
stehen, dem Willen der Nation Zügel anzulegen. Da hiezu nun eine große
Demonstration des athenischen Pöbels vor dem Hause des Gesandten kam,
so begreift sich leicht, daß der Pforte endlich die Geduld ausging, und sie
beschloß ein Ultimatum an Griechenland zu richten. Die Sprache desselben
ist allerdings-scharf und einige der angedrohten Maßregeln, wie z. B. die
Ausweisung aller hellenischen Unterthanen aus der Türkei, sind hart, aber einer¬
seits werden sie auf Vorstellung der Mächte gehindert werden und anderer¬
seits muß man zugeben, daß schwerlich die elementarsten Regeln des Völker¬
rechts rücksichtsloser bei Seite gesetzt worden sind, als von Griechenland in
diesem Falle. Den besten Beweis bietet die Note, durch welche das Ulti¬
matum beantwortet d. h. abgelehnt wird. In diesem merkwürdigen Acten¬
stücke sagt Herr Deliyanni, was die Flüchtlinge betrifft, erkläre sich die
Indignation des griechischen Volkes daraus, daß es in der Rückkehr derselben
nur das Ergebniß eines versteckten Druckes (aetioll oeoulte) von Seiten der
ottomanischen Agenten und Consuln gesehen und nicht habe annehmen
können, daß Leute, welche kamen um die Gastfreundschaft Griechenlands
in Anspruch zu nehmen, sich freiwillig entschließen könnten in ihr Land
zurückzukehren, wo der unglückliche Zustand fortwährend auf den Christen
drücke.

Dann gibt der Minister zu, daß die Freiwilligen von früheren, zur
Disposition gestellten Officieren der königlichen Armee geführt würden, sagt
aber: "die griechische Regierung hatte keine Gewalt, Civil- oder Militär¬
personen zu hindern als Private nach Kreta z-u gehen, um dort zu fechten,
sie kann nicht die Ausrüstung von Schiffen hindern, welche auf ihre eigne
Gefahr hin fahren."

Schwerlich ist Aehnliches von einer Regierung sonst schon ernsthaft vor¬
gebracht: danach würde das Völkerrecht jede Freibeuterei oder Piraterie


besonders reich ausfiel. Aber dies paßte den griechischen Actionsmännern
nicht, denn damit wäre die Sache aus gewesen.

Auf Aegina z. B. wünschten mehre hundert kretische Familien heimzu¬
kehren und der türkische Gesandte, an den sie sich deshalb gewandt hatten,
stellte ihnen dafür einen Lloyddampfer zur Verfügung. Als dieser jedoch im
Hafen erschien, sammelte sich am Ufer eine zahlreiche Volksmenge, welche die
Landung der Schiffsmannschaft und die Einschiffung der Flüchtlinge hinderte.
Aber nicht nur das, sondern auch die Behörden der Insel weigerten sich, die
Landung der Schiffsofficiere und der türkischen Consulatsbeamten und den
Verkehr derselben mit den Kandioten zuzulassen. Der Dampfer mußte un-
verrichteter Dinge in den Piräus zurückkehren. Auf die Jnterpellation des
türkischen Gesandten über solche offne Complicität der Behörden mußte der
auswärtige Minister Herr Deliyanni die Unfähigkeit der Negierung einge¬
stehen, dem Willen der Nation Zügel anzulegen. Da hiezu nun eine große
Demonstration des athenischen Pöbels vor dem Hause des Gesandten kam,
so begreift sich leicht, daß der Pforte endlich die Geduld ausging, und sie
beschloß ein Ultimatum an Griechenland zu richten. Die Sprache desselben
ist allerdings-scharf und einige der angedrohten Maßregeln, wie z. B. die
Ausweisung aller hellenischen Unterthanen aus der Türkei, sind hart, aber einer¬
seits werden sie auf Vorstellung der Mächte gehindert werden und anderer¬
seits muß man zugeben, daß schwerlich die elementarsten Regeln des Völker¬
rechts rücksichtsloser bei Seite gesetzt worden sind, als von Griechenland in
diesem Falle. Den besten Beweis bietet die Note, durch welche das Ulti¬
matum beantwortet d. h. abgelehnt wird. In diesem merkwürdigen Acten¬
stücke sagt Herr Deliyanni, was die Flüchtlinge betrifft, erkläre sich die
Indignation des griechischen Volkes daraus, daß es in der Rückkehr derselben
nur das Ergebniß eines versteckten Druckes (aetioll oeoulte) von Seiten der
ottomanischen Agenten und Consuln gesehen und nicht habe annehmen
können, daß Leute, welche kamen um die Gastfreundschaft Griechenlands
in Anspruch zu nehmen, sich freiwillig entschließen könnten in ihr Land
zurückzukehren, wo der unglückliche Zustand fortwährend auf den Christen
drücke.

Dann gibt der Minister zu, daß die Freiwilligen von früheren, zur
Disposition gestellten Officieren der königlichen Armee geführt würden, sagt
aber: „die griechische Regierung hatte keine Gewalt, Civil- oder Militär¬
personen zu hindern als Private nach Kreta z-u gehen, um dort zu fechten,
sie kann nicht die Ausrüstung von Schiffen hindern, welche auf ihre eigne
Gefahr hin fahren."

Schwerlich ist Aehnliches von einer Regierung sonst schon ernsthaft vor¬
gebracht: danach würde das Völkerrecht jede Freibeuterei oder Piraterie


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[0044] besonders reich ausfiel. Aber dies paßte den griechischen Actionsmännern nicht, denn damit wäre die Sache aus gewesen. Auf Aegina z. B. wünschten mehre hundert kretische Familien heimzu¬ kehren und der türkische Gesandte, an den sie sich deshalb gewandt hatten, stellte ihnen dafür einen Lloyddampfer zur Verfügung. Als dieser jedoch im Hafen erschien, sammelte sich am Ufer eine zahlreiche Volksmenge, welche die Landung der Schiffsmannschaft und die Einschiffung der Flüchtlinge hinderte. Aber nicht nur das, sondern auch die Behörden der Insel weigerten sich, die Landung der Schiffsofficiere und der türkischen Consulatsbeamten und den Verkehr derselben mit den Kandioten zuzulassen. Der Dampfer mußte un- verrichteter Dinge in den Piräus zurückkehren. Auf die Jnterpellation des türkischen Gesandten über solche offne Complicität der Behörden mußte der auswärtige Minister Herr Deliyanni die Unfähigkeit der Negierung einge¬ stehen, dem Willen der Nation Zügel anzulegen. Da hiezu nun eine große Demonstration des athenischen Pöbels vor dem Hause des Gesandten kam, so begreift sich leicht, daß der Pforte endlich die Geduld ausging, und sie beschloß ein Ultimatum an Griechenland zu richten. Die Sprache desselben ist allerdings-scharf und einige der angedrohten Maßregeln, wie z. B. die Ausweisung aller hellenischen Unterthanen aus der Türkei, sind hart, aber einer¬ seits werden sie auf Vorstellung der Mächte gehindert werden und anderer¬ seits muß man zugeben, daß schwerlich die elementarsten Regeln des Völker¬ rechts rücksichtsloser bei Seite gesetzt worden sind, als von Griechenland in diesem Falle. Den besten Beweis bietet die Note, durch welche das Ulti¬ matum beantwortet d. h. abgelehnt wird. In diesem merkwürdigen Acten¬ stücke sagt Herr Deliyanni, was die Flüchtlinge betrifft, erkläre sich die Indignation des griechischen Volkes daraus, daß es in der Rückkehr derselben nur das Ergebniß eines versteckten Druckes (aetioll oeoulte) von Seiten der ottomanischen Agenten und Consuln gesehen und nicht habe annehmen können, daß Leute, welche kamen um die Gastfreundschaft Griechenlands in Anspruch zu nehmen, sich freiwillig entschließen könnten in ihr Land zurückzukehren, wo der unglückliche Zustand fortwährend auf den Christen drücke. Dann gibt der Minister zu, daß die Freiwilligen von früheren, zur Disposition gestellten Officieren der königlichen Armee geführt würden, sagt aber: „die griechische Regierung hatte keine Gewalt, Civil- oder Militär¬ personen zu hindern als Private nach Kreta z-u gehen, um dort zu fechten, sie kann nicht die Ausrüstung von Schiffen hindern, welche auf ihre eigne Gefahr hin fahren." Schwerlich ist Aehnliches von einer Regierung sonst schon ernsthaft vor¬ gebracht: danach würde das Völkerrecht jede Freibeuterei oder Piraterie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/44>, abgerufen am 28.09.2024.