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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Fast jeder Congreßrepräsentant sann eine Rede halten; in ihrer
engeren Heimath werden die meisten dieser Redner sogar für Demosthene
angesehen, aber im Congreß, wo während der ganzen Sitzung ein jahrmarkt¬
ähnliches Durcheinander herrscht, gelingt es nur sehr Wenigen von Ihnen,
sich Ruhe und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Davis war einer dieser
Bevorzugten.

"?dö Zentleman U^i^Z is up" -- erscholl es gewöhnlich durch
die Corridore des Kapitals, wenn er sprach, in Schaaren strömte das
Volk nach den Gallerien, und selbst die Senatoren eilten herbei, um ihn zu
hören.

Und es war in der That ein Genuß ihn sprechen zu hören. Die
zartgebaute Gestalt schien zu wachsen mit den Perioden, welche er wie
Perlen aneinanderreihte; seine Augen strahlten von Begeisterung, wenn er
seine wuchtigen Argumente gegen einen Antrag der Gegenpartei schleuderte,
und nicht selten brach das Publikum auf den Gallerien in so lauten Beifall
aus, daß sich der Sprecher des Hauses oft genöthigt sah, dieselben räumen
zu lassen. Dabei war ihm jede Effekthascherei fremd; nie hörte man von
ihm eine jener zu Gemeinplätzen gewordenen, auf den Beifall der Massen
berechneten Phrasen; immer ging er direkt auf das Wesen der Sache los.

Als Beweis seiner hinreißenden Gewalt über die Handlungsweise seiner
Collegen sei es vergönnt, eine extemporirte Rede einzuflechten, welche er am
11. April 1864 im Repräsentantenhause hielt. Die Aussichten der Republik
waren damals hoffnungsloser denn je; überall Niederlagen, überall De¬
müthigungen und im Rücken der Armee jene furchtbare Reaction, welche be¬
reits in New-Aork ihre Bluthochzeit gehalten hatte. Da wurde im Congreß
der Antrag gestellt, den Süden anzuerkennen und so dem Kriege ein rasches
Ende zu machen. Die meisten Republikaner waren wie gelähmt, dieses
Schreckenswort hatte wol mancher befürchtet, doch keiner hatte es für mög¬
lich gehalten, daß ein Vertreter des Nordens nach so viel Blutvergießen,
nach so großen Opfern den Muth haben werde, es auszusprechen. Henry
Winter Davis aber erhob sich sofort und wies den schmachvollen Antrag in
einer Rede zurück, welche wol verdiente, neben dem berühmten "Hu,oil8<iug,s
tauäem" -- aufbewahrt zu werden.

Er sagte-.

"Herr Sprecher! Wenn man behauptet, daß eine Zeit kommen mag, wo
die Frage wegen Anerkennung der südlichen Konföderation aufgeworfen wer¬
den darf, so will ich dem nicht widersprechen. Wenn das Volk erschöpft
durch Steuern, müde der Opfer und des Blutvergießens, betrogen von seinen
Gesetzgebern, verführt von Demagogen zu dem Glauben, daß Frieden der
Weg zu Wiedervereinigung und Unterwerfung der Pfad zum Siege ist, seine


Fast jeder Congreßrepräsentant sann eine Rede halten; in ihrer
engeren Heimath werden die meisten dieser Redner sogar für Demosthene
angesehen, aber im Congreß, wo während der ganzen Sitzung ein jahrmarkt¬
ähnliches Durcheinander herrscht, gelingt es nur sehr Wenigen von Ihnen,
sich Ruhe und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Davis war einer dieser
Bevorzugten.

„?dö Zentleman U^i^Z is up" — erscholl es gewöhnlich durch
die Corridore des Kapitals, wenn er sprach, in Schaaren strömte das
Volk nach den Gallerien, und selbst die Senatoren eilten herbei, um ihn zu
hören.

Und es war in der That ein Genuß ihn sprechen zu hören. Die
zartgebaute Gestalt schien zu wachsen mit den Perioden, welche er wie
Perlen aneinanderreihte; seine Augen strahlten von Begeisterung, wenn er
seine wuchtigen Argumente gegen einen Antrag der Gegenpartei schleuderte,
und nicht selten brach das Publikum auf den Gallerien in so lauten Beifall
aus, daß sich der Sprecher des Hauses oft genöthigt sah, dieselben räumen
zu lassen. Dabei war ihm jede Effekthascherei fremd; nie hörte man von
ihm eine jener zu Gemeinplätzen gewordenen, auf den Beifall der Massen
berechneten Phrasen; immer ging er direkt auf das Wesen der Sache los.

Als Beweis seiner hinreißenden Gewalt über die Handlungsweise seiner
Collegen sei es vergönnt, eine extemporirte Rede einzuflechten, welche er am
11. April 1864 im Repräsentantenhause hielt. Die Aussichten der Republik
waren damals hoffnungsloser denn je; überall Niederlagen, überall De¬
müthigungen und im Rücken der Armee jene furchtbare Reaction, welche be¬
reits in New-Aork ihre Bluthochzeit gehalten hatte. Da wurde im Congreß
der Antrag gestellt, den Süden anzuerkennen und so dem Kriege ein rasches
Ende zu machen. Die meisten Republikaner waren wie gelähmt, dieses
Schreckenswort hatte wol mancher befürchtet, doch keiner hatte es für mög¬
lich gehalten, daß ein Vertreter des Nordens nach so viel Blutvergießen,
nach so großen Opfern den Muth haben werde, es auszusprechen. Henry
Winter Davis aber erhob sich sofort und wies den schmachvollen Antrag in
einer Rede zurück, welche wol verdiente, neben dem berühmten „Hu,oil8<iug,s
tauäem" — aufbewahrt zu werden.

Er sagte-.

„Herr Sprecher! Wenn man behauptet, daß eine Zeit kommen mag, wo
die Frage wegen Anerkennung der südlichen Konföderation aufgeworfen wer¬
den darf, so will ich dem nicht widersprechen. Wenn das Volk erschöpft
durch Steuern, müde der Opfer und des Blutvergießens, betrogen von seinen
Gesetzgebern, verführt von Demagogen zu dem Glauben, daß Frieden der
Weg zu Wiedervereinigung und Unterwerfung der Pfad zum Siege ist, seine


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[0398] Fast jeder Congreßrepräsentant sann eine Rede halten; in ihrer engeren Heimath werden die meisten dieser Redner sogar für Demosthene angesehen, aber im Congreß, wo während der ganzen Sitzung ein jahrmarkt¬ ähnliches Durcheinander herrscht, gelingt es nur sehr Wenigen von Ihnen, sich Ruhe und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Davis war einer dieser Bevorzugten. „?dö Zentleman U^i^Z is up" — erscholl es gewöhnlich durch die Corridore des Kapitals, wenn er sprach, in Schaaren strömte das Volk nach den Gallerien, und selbst die Senatoren eilten herbei, um ihn zu hören. Und es war in der That ein Genuß ihn sprechen zu hören. Die zartgebaute Gestalt schien zu wachsen mit den Perioden, welche er wie Perlen aneinanderreihte; seine Augen strahlten von Begeisterung, wenn er seine wuchtigen Argumente gegen einen Antrag der Gegenpartei schleuderte, und nicht selten brach das Publikum auf den Gallerien in so lauten Beifall aus, daß sich der Sprecher des Hauses oft genöthigt sah, dieselben räumen zu lassen. Dabei war ihm jede Effekthascherei fremd; nie hörte man von ihm eine jener zu Gemeinplätzen gewordenen, auf den Beifall der Massen berechneten Phrasen; immer ging er direkt auf das Wesen der Sache los. Als Beweis seiner hinreißenden Gewalt über die Handlungsweise seiner Collegen sei es vergönnt, eine extemporirte Rede einzuflechten, welche er am 11. April 1864 im Repräsentantenhause hielt. Die Aussichten der Republik waren damals hoffnungsloser denn je; überall Niederlagen, überall De¬ müthigungen und im Rücken der Armee jene furchtbare Reaction, welche be¬ reits in New-Aork ihre Bluthochzeit gehalten hatte. Da wurde im Congreß der Antrag gestellt, den Süden anzuerkennen und so dem Kriege ein rasches Ende zu machen. Die meisten Republikaner waren wie gelähmt, dieses Schreckenswort hatte wol mancher befürchtet, doch keiner hatte es für mög¬ lich gehalten, daß ein Vertreter des Nordens nach so viel Blutvergießen, nach so großen Opfern den Muth haben werde, es auszusprechen. Henry Winter Davis aber erhob sich sofort und wies den schmachvollen Antrag in einer Rede zurück, welche wol verdiente, neben dem berühmten „Hu,oil8<iug,s tauäem" — aufbewahrt zu werden. Er sagte-. „Herr Sprecher! Wenn man behauptet, daß eine Zeit kommen mag, wo die Frage wegen Anerkennung der südlichen Konföderation aufgeworfen wer¬ den darf, so will ich dem nicht widersprechen. Wenn das Volk erschöpft durch Steuern, müde der Opfer und des Blutvergießens, betrogen von seinen Gesetzgebern, verführt von Demagogen zu dem Glauben, daß Frieden der Weg zu Wiedervereinigung und Unterwerfung der Pfad zum Siege ist, seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/398>, abgerufen am 28.09.2024.