Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den ist. Da kein einziger Throncandidat vorhanden ist, der auf allgemeine
Zustimmung rechnen könnte, ist dem Ehrgeiz der Parteiführer Thür und Thor
geöffnet. Prim und Espartero werden zwar nicht mehr genannt -- aber
das ist auch Alles, was sich als Resultat viermonatlicher Ueberlegung erge¬
ben hat, und die alten Candidaten Anton von Montpensier, Ferdinand und
Louis von Portugal müssen wieder herhalten, ohne daß auch nur mit Sicher¬
heit gesagt werden könnte, ob bei den beiden Letztgenannten auf Zuvor¬
kommenheit für etwaige Vota der Cortes zu rechnen ist. Die Candidatur
des Herzogs von Aosta, welche man mit Cialdini's letzter spanischer Reise in
Zusammenhang brachte, ist wiederum von der Tagesordnung verschwunden.
So rückt, was sich schon vor Beginn der spanischen Bewegung voraussagen
ließ, -- der Bürgerkrieg immer näher. Auf diesen haben auch die beiden
verbannten Dynastien ihre Rechnung gesetzt. Die Verhandlungen über Aus¬
söhnung der Jsabellinos und Karlisten sind nicht zum Abschluß gekommen,
Agenten beider Bourbonenfamilien zeigen sich an der Grenze und harren des
günstigen Augenblicks zur Bewaffnung ihrer Anhänger. Jene lange Liste
dem Volk ertheilter Freiheiten, mit denen Serrano die Cortesversammlung
vom 11. Februar eröffnete, hat Nichts daran zu ändern vermocht, daß die
ländliche Bevölkerung, namentlich der entfernteren Provinzen, gerade wie
vor fünfzig und sechzig Jahren, den Bestrebungen der gebildeten Klaffen für
Herstellung eines modern-constitutionellen Staatswesens fremd gegenüber
steht, und nur zum Leben erwacht, wenn die alten Schlagworte genannt oder
Erinnerungen an die mittelalterlichen Fuentes wach gerufen werden. -- Nach
den Nachrichten aus Cuba ist es dem General Dulce nicht gelungen, die
von Lerfundi begangenen Fehler gut zu machen, und außerhalb der euba-
nischen Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Immer neue Verstärkungen werden
verlangt, obgleich die erschöpfte Staatscasse kaum im Stande gewesen ist,
die Mittel für die letzte Erpedition aufzubringen.

Fünf Tage nach Eröffnung der spanischen Cortes trat das englische Par¬
lament zusammen, um die Gladstone'sche Thronrede zu vernehmen. Erst mit
dem 1. März beginnt die Debatte, welche die Lebensfähigkeit des Programms
feststellen soll, auf welches die Glieder der neuen Regierung sich geeinigt
haben, das und die Abschaffung der irischen Staatskirche an der Stirn trägt.
Das Detail der Gladstone'sche" Vorschläge über die Verwendung des herren¬
los werdenden Guts der bischöflichen Kirche ist außerhalb des Cabinets be¬
kannt, und doch kommt auf dieses Alles an. Wie noch neuerdings durch
die Russischen Briefe bestätigt worden, ist der Gedanke an die Abschaffung
der irischen Staatskirche -- den Whigs kein neuer; die Schwierigkeit aber, der
reichen Ausstattung, von welcher die zweiundzwanzig gemeindelosen Kirchen-
lürsten der grünen Insel gezehrt, eine gerechte, und zugleich der verschiedenen


den ist. Da kein einziger Throncandidat vorhanden ist, der auf allgemeine
Zustimmung rechnen könnte, ist dem Ehrgeiz der Parteiführer Thür und Thor
geöffnet. Prim und Espartero werden zwar nicht mehr genannt — aber
das ist auch Alles, was sich als Resultat viermonatlicher Ueberlegung erge¬
ben hat, und die alten Candidaten Anton von Montpensier, Ferdinand und
Louis von Portugal müssen wieder herhalten, ohne daß auch nur mit Sicher¬
heit gesagt werden könnte, ob bei den beiden Letztgenannten auf Zuvor¬
kommenheit für etwaige Vota der Cortes zu rechnen ist. Die Candidatur
des Herzogs von Aosta, welche man mit Cialdini's letzter spanischer Reise in
Zusammenhang brachte, ist wiederum von der Tagesordnung verschwunden.
So rückt, was sich schon vor Beginn der spanischen Bewegung voraussagen
ließ, — der Bürgerkrieg immer näher. Auf diesen haben auch die beiden
verbannten Dynastien ihre Rechnung gesetzt. Die Verhandlungen über Aus¬
söhnung der Jsabellinos und Karlisten sind nicht zum Abschluß gekommen,
Agenten beider Bourbonenfamilien zeigen sich an der Grenze und harren des
günstigen Augenblicks zur Bewaffnung ihrer Anhänger. Jene lange Liste
dem Volk ertheilter Freiheiten, mit denen Serrano die Cortesversammlung
vom 11. Februar eröffnete, hat Nichts daran zu ändern vermocht, daß die
ländliche Bevölkerung, namentlich der entfernteren Provinzen, gerade wie
vor fünfzig und sechzig Jahren, den Bestrebungen der gebildeten Klaffen für
Herstellung eines modern-constitutionellen Staatswesens fremd gegenüber
steht, und nur zum Leben erwacht, wenn die alten Schlagworte genannt oder
Erinnerungen an die mittelalterlichen Fuentes wach gerufen werden. — Nach
den Nachrichten aus Cuba ist es dem General Dulce nicht gelungen, die
von Lerfundi begangenen Fehler gut zu machen, und außerhalb der euba-
nischen Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Immer neue Verstärkungen werden
verlangt, obgleich die erschöpfte Staatscasse kaum im Stande gewesen ist,
die Mittel für die letzte Erpedition aufzubringen.

Fünf Tage nach Eröffnung der spanischen Cortes trat das englische Par¬
lament zusammen, um die Gladstone'sche Thronrede zu vernehmen. Erst mit
dem 1. März beginnt die Debatte, welche die Lebensfähigkeit des Programms
feststellen soll, auf welches die Glieder der neuen Regierung sich geeinigt
haben, das und die Abschaffung der irischen Staatskirche an der Stirn trägt.
Das Detail der Gladstone'sche» Vorschläge über die Verwendung des herren¬
los werdenden Guts der bischöflichen Kirche ist außerhalb des Cabinets be¬
kannt, und doch kommt auf dieses Alles an. Wie noch neuerdings durch
die Russischen Briefe bestätigt worden, ist der Gedanke an die Abschaffung
der irischen Staatskirche — den Whigs kein neuer; die Schwierigkeit aber, der
reichen Ausstattung, von welcher die zweiundzwanzig gemeindelosen Kirchen-
lürsten der grünen Insel gezehrt, eine gerechte, und zugleich der verschiedenen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120533"/>
          <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> den ist. Da kein einziger Throncandidat vorhanden ist, der auf allgemeine<lb/>
Zustimmung rechnen könnte, ist dem Ehrgeiz der Parteiführer Thür und Thor<lb/>
geöffnet.  Prim und Espartero werden zwar nicht mehr genannt &#x2014; aber<lb/>
das ist auch Alles, was sich als Resultat viermonatlicher Ueberlegung erge¬<lb/>
ben hat, und die alten Candidaten Anton von Montpensier, Ferdinand und<lb/>
Louis von Portugal müssen wieder herhalten, ohne daß auch nur mit Sicher¬<lb/>
heit gesagt werden könnte, ob bei den beiden Letztgenannten auf Zuvor¬<lb/>
kommenheit für etwaige Vota der Cortes zu rechnen ist.  Die Candidatur<lb/>
des Herzogs von Aosta, welche man mit Cialdini's letzter spanischer Reise in<lb/>
Zusammenhang brachte, ist wiederum von der Tagesordnung verschwunden.<lb/>
So rückt, was sich schon vor Beginn der spanischen Bewegung voraussagen<lb/>
ließ, &#x2014; der Bürgerkrieg immer näher. Auf diesen haben auch die beiden<lb/>
verbannten Dynastien ihre Rechnung gesetzt. Die Verhandlungen über Aus¬<lb/>
söhnung der Jsabellinos und Karlisten sind nicht zum Abschluß gekommen,<lb/>
Agenten beider Bourbonenfamilien zeigen sich an der Grenze und harren des<lb/>
günstigen Augenblicks zur Bewaffnung ihrer Anhänger. Jene lange Liste<lb/>
dem Volk ertheilter Freiheiten, mit denen Serrano die Cortesversammlung<lb/>
vom 11. Februar eröffnete, hat Nichts daran zu ändern vermocht, daß die<lb/>
ländliche Bevölkerung, namentlich der entfernteren Provinzen, gerade wie<lb/>
vor fünfzig und sechzig Jahren, den Bestrebungen der gebildeten Klaffen für<lb/>
Herstellung eines modern-constitutionellen Staatswesens fremd gegenüber<lb/>
steht, und nur zum Leben erwacht, wenn die alten Schlagworte genannt oder<lb/>
Erinnerungen an die mittelalterlichen Fuentes wach gerufen werden. &#x2014; Nach<lb/>
den Nachrichten aus Cuba ist es dem General Dulce nicht gelungen, die<lb/>
von Lerfundi begangenen Fehler gut zu machen, und außerhalb der euba-<lb/>
nischen Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Immer neue Verstärkungen werden<lb/>
verlangt, obgleich die erschöpfte Staatscasse kaum im Stande gewesen ist,<lb/>
die Mittel für die letzte Erpedition aufzubringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_974" next="#ID_975"> Fünf Tage nach Eröffnung der spanischen Cortes trat das englische Par¬<lb/>
lament zusammen, um die Gladstone'sche Thronrede zu vernehmen. Erst mit<lb/>
dem 1. März beginnt die Debatte, welche die Lebensfähigkeit des Programms<lb/>
feststellen soll, auf welches die Glieder der neuen Regierung sich geeinigt<lb/>
haben, das und die Abschaffung der irischen Staatskirche an der Stirn trägt.<lb/>
Das Detail der Gladstone'sche» Vorschläge über die Verwendung des herren¬<lb/>
los werdenden Guts der bischöflichen Kirche ist außerhalb des Cabinets be¬<lb/>
kannt, und doch kommt auf dieses Alles an. Wie noch neuerdings durch<lb/>
die Russischen Briefe bestätigt worden, ist der Gedanke an die Abschaffung<lb/>
der irischen Staatskirche &#x2014; den Whigs kein neuer; die Schwierigkeit aber, der<lb/>
reichen Ausstattung, von welcher die zweiundzwanzig gemeindelosen Kirchen-<lb/>
lürsten der grünen Insel gezehrt, eine gerechte, und zugleich der verschiedenen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0344] den ist. Da kein einziger Throncandidat vorhanden ist, der auf allgemeine Zustimmung rechnen könnte, ist dem Ehrgeiz der Parteiführer Thür und Thor geöffnet. Prim und Espartero werden zwar nicht mehr genannt — aber das ist auch Alles, was sich als Resultat viermonatlicher Ueberlegung erge¬ ben hat, und die alten Candidaten Anton von Montpensier, Ferdinand und Louis von Portugal müssen wieder herhalten, ohne daß auch nur mit Sicher¬ heit gesagt werden könnte, ob bei den beiden Letztgenannten auf Zuvor¬ kommenheit für etwaige Vota der Cortes zu rechnen ist. Die Candidatur des Herzogs von Aosta, welche man mit Cialdini's letzter spanischer Reise in Zusammenhang brachte, ist wiederum von der Tagesordnung verschwunden. So rückt, was sich schon vor Beginn der spanischen Bewegung voraussagen ließ, — der Bürgerkrieg immer näher. Auf diesen haben auch die beiden verbannten Dynastien ihre Rechnung gesetzt. Die Verhandlungen über Aus¬ söhnung der Jsabellinos und Karlisten sind nicht zum Abschluß gekommen, Agenten beider Bourbonenfamilien zeigen sich an der Grenze und harren des günstigen Augenblicks zur Bewaffnung ihrer Anhänger. Jene lange Liste dem Volk ertheilter Freiheiten, mit denen Serrano die Cortesversammlung vom 11. Februar eröffnete, hat Nichts daran zu ändern vermocht, daß die ländliche Bevölkerung, namentlich der entfernteren Provinzen, gerade wie vor fünfzig und sechzig Jahren, den Bestrebungen der gebildeten Klaffen für Herstellung eines modern-constitutionellen Staatswesens fremd gegenüber steht, und nur zum Leben erwacht, wenn die alten Schlagworte genannt oder Erinnerungen an die mittelalterlichen Fuentes wach gerufen werden. — Nach den Nachrichten aus Cuba ist es dem General Dulce nicht gelungen, die von Lerfundi begangenen Fehler gut zu machen, und außerhalb der euba- nischen Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Immer neue Verstärkungen werden verlangt, obgleich die erschöpfte Staatscasse kaum im Stande gewesen ist, die Mittel für die letzte Erpedition aufzubringen. Fünf Tage nach Eröffnung der spanischen Cortes trat das englische Par¬ lament zusammen, um die Gladstone'sche Thronrede zu vernehmen. Erst mit dem 1. März beginnt die Debatte, welche die Lebensfähigkeit des Programms feststellen soll, auf welches die Glieder der neuen Regierung sich geeinigt haben, das und die Abschaffung der irischen Staatskirche an der Stirn trägt. Das Detail der Gladstone'sche» Vorschläge über die Verwendung des herren¬ los werdenden Guts der bischöflichen Kirche ist außerhalb des Cabinets be¬ kannt, und doch kommt auf dieses Alles an. Wie noch neuerdings durch die Russischen Briefe bestätigt worden, ist der Gedanke an die Abschaffung der irischen Staatskirche — den Whigs kein neuer; die Schwierigkeit aber, der reichen Ausstattung, von welcher die zweiundzwanzig gemeindelosen Kirchen- lürsten der grünen Insel gezehrt, eine gerechte, und zugleich der verschiedenen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/344
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/344>, abgerufen am 20.10.2024.