Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Rechtspflege gegen die herrschenden Tendenzen der Willkür. Entschließen die
liberalen Parteien sich aber nicht bald, ihnen zu Hilfe zu kommen, die all¬
mählichen Einflüsse, welche die Polizei und der ihrem Wesen verwandte Mt-
nisterialismus in der Strafjustiz heutzutage ausüben, von Grund aus nieder¬
zutreten, so wird unfehlbar auch für Preußen die Zeit nicht fern sein, in
der das Auftreten eines Seguier -- so hieß ja wol der Procureur von Tou¬
louse -- zu den großen politischen Ereignissen zählen wird.




Ein Htalmnissimo des XVI. Jahrhunderts.

Lwi-la äooumMtalÄ al (üarlo V. in oorrslWions all' Italie ack?rotossorö Kiu-
ssxpo of I-vos.. 2 Las. Völlig, 1863. 1864.

Das Zettalter Karl's V. stellt dem Geschichtschreiber eine Aufgabe, die
den Italiener nicht minder reizen muß als den Deutschen. Auf lange Zeit
entscheidend waren jene inhaltreichen Decennien für das eine Land wie für
das andere, und wenn der Deutsche gewöhnt ist. die Reformation in den
Mittelpunkt dieser Epoche zu rücken, so weiß Jedermann, wie sehr ihr Ver¬
lauf beeinflußt wurde und bald Hemmung, bald Förderung erhielt durch die
Ereignisse jenseits der Alpen, wie umgekehrt die deutsche Kirchentrennung
wesentlich eingriff in die Geschicke Italiens. Ja die Reformation erscheint
selbst nur als eins der geschichtlichen Momente, freilich als das folgen¬
reichste in jener Wende der Zeiten, da noch einmal der alte mittelalterliche
Kaisertraum Verwirklichung forderte, mit furchtbareren Mitteln als jemals
alle Mächte Europas von den Vorgebirgen Spaniens bis zum Bosporus in
einen Kampf hineinreißend, dessen Ausgang kein anderer war als das defini¬
tive Scheitern jener mittelalterlichen Idee. Denn jetzt handelte es sich nicht
mehr um den Streit des Staats mit der Kirche, des Kaisers mit dem Papst;
vielmehr zwei ebenbürtige weltliche Staaten, Spanien und Frankreich traten
als die Erben der kaiserlichen Macht auf, und indem keine stark genug war
die andere zu unterwerfen, ging statt der allgemeinen Weltmonarchie die
neue Idee des Gleichgewichts der Staaten aus dem Kampfe hervor. In
diesem 30jährigen Ringen aber bleibt Italien der Preis des Streits um die
Herrschaft. Fast ununterbrochen ist es der Schauplatz verheerender Kriege.


Rechtspflege gegen die herrschenden Tendenzen der Willkür. Entschließen die
liberalen Parteien sich aber nicht bald, ihnen zu Hilfe zu kommen, die all¬
mählichen Einflüsse, welche die Polizei und der ihrem Wesen verwandte Mt-
nisterialismus in der Strafjustiz heutzutage ausüben, von Grund aus nieder¬
zutreten, so wird unfehlbar auch für Preußen die Zeit nicht fern sein, in
der das Auftreten eines Seguier — so hieß ja wol der Procureur von Tou¬
louse — zu den großen politischen Ereignissen zählen wird.




Ein Htalmnissimo des XVI. Jahrhunderts.

Lwi-la äooumMtalÄ al (üarlo V. in oorrslWions all' Italie ack?rotossorö Kiu-
ssxpo of I-vos.. 2 Las. Völlig, 1863. 1864.

Das Zettalter Karl's V. stellt dem Geschichtschreiber eine Aufgabe, die
den Italiener nicht minder reizen muß als den Deutschen. Auf lange Zeit
entscheidend waren jene inhaltreichen Decennien für das eine Land wie für
das andere, und wenn der Deutsche gewöhnt ist. die Reformation in den
Mittelpunkt dieser Epoche zu rücken, so weiß Jedermann, wie sehr ihr Ver¬
lauf beeinflußt wurde und bald Hemmung, bald Förderung erhielt durch die
Ereignisse jenseits der Alpen, wie umgekehrt die deutsche Kirchentrennung
wesentlich eingriff in die Geschicke Italiens. Ja die Reformation erscheint
selbst nur als eins der geschichtlichen Momente, freilich als das folgen¬
reichste in jener Wende der Zeiten, da noch einmal der alte mittelalterliche
Kaisertraum Verwirklichung forderte, mit furchtbareren Mitteln als jemals
alle Mächte Europas von den Vorgebirgen Spaniens bis zum Bosporus in
einen Kampf hineinreißend, dessen Ausgang kein anderer war als das defini¬
tive Scheitern jener mittelalterlichen Idee. Denn jetzt handelte es sich nicht
mehr um den Streit des Staats mit der Kirche, des Kaisers mit dem Papst;
vielmehr zwei ebenbürtige weltliche Staaten, Spanien und Frankreich traten
als die Erben der kaiserlichen Macht auf, und indem keine stark genug war
die andere zu unterwerfen, ging statt der allgemeinen Weltmonarchie die
neue Idee des Gleichgewichts der Staaten aus dem Kampfe hervor. In
diesem 30jährigen Ringen aber bleibt Italien der Preis des Streits um die
Herrschaft. Fast ununterbrochen ist es der Schauplatz verheerender Kriege.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120489"/>
          <p xml:id="ID_853" prev="#ID_852"> Rechtspflege gegen die herrschenden Tendenzen der Willkür. Entschließen die<lb/>
liberalen Parteien sich aber nicht bald, ihnen zu Hilfe zu kommen, die all¬<lb/>
mählichen Einflüsse, welche die Polizei und der ihrem Wesen verwandte Mt-<lb/>
nisterialismus in der Strafjustiz heutzutage ausüben, von Grund aus nieder¬<lb/>
zutreten, so wird unfehlbar auch für Preußen die Zeit nicht fern sein, in<lb/>
der das Auftreten eines Seguier &#x2014; so hieß ja wol der Procureur von Tou¬<lb/>
louse &#x2014; zu den großen politischen Ereignissen zählen wird.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Htalmnissimo des XVI. Jahrhunderts.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_854"> Lwi-la äooumMtalÄ al (üarlo V. in oorrslWions all' Italie ack?rotossorö Kiu-<lb/>
ssxpo of I-vos.. 2 Las. Völlig, 1863. 1864.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_855" next="#ID_856"> Das Zettalter Karl's V. stellt dem Geschichtschreiber eine Aufgabe, die<lb/>
den Italiener nicht minder reizen muß als den Deutschen. Auf lange Zeit<lb/>
entscheidend waren jene inhaltreichen Decennien für das eine Land wie für<lb/>
das andere, und wenn der Deutsche gewöhnt ist. die Reformation in den<lb/>
Mittelpunkt dieser Epoche zu rücken, so weiß Jedermann, wie sehr ihr Ver¬<lb/>
lauf beeinflußt wurde und bald Hemmung, bald Förderung erhielt durch die<lb/>
Ereignisse jenseits der Alpen, wie umgekehrt die deutsche Kirchentrennung<lb/>
wesentlich eingriff in die Geschicke Italiens. Ja die Reformation erscheint<lb/>
selbst nur als eins der geschichtlichen Momente, freilich als das folgen¬<lb/>
reichste in jener Wende der Zeiten, da noch einmal der alte mittelalterliche<lb/>
Kaisertraum Verwirklichung forderte, mit furchtbareren Mitteln als jemals<lb/>
alle Mächte Europas von den Vorgebirgen Spaniens bis zum Bosporus in<lb/>
einen Kampf hineinreißend, dessen Ausgang kein anderer war als das defini¬<lb/>
tive Scheitern jener mittelalterlichen Idee. Denn jetzt handelte es sich nicht<lb/>
mehr um den Streit des Staats mit der Kirche, des Kaisers mit dem Papst;<lb/>
vielmehr zwei ebenbürtige weltliche Staaten, Spanien und Frankreich traten<lb/>
als die Erben der kaiserlichen Macht auf, und indem keine stark genug war<lb/>
die andere zu unterwerfen, ging statt der allgemeinen Weltmonarchie die<lb/>
neue Idee des Gleichgewichts der Staaten aus dem Kampfe hervor. In<lb/>
diesem 30jährigen Ringen aber bleibt Italien der Preis des Streits um die<lb/>
Herrschaft. Fast ununterbrochen ist es der Schauplatz verheerender Kriege.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0300] Rechtspflege gegen die herrschenden Tendenzen der Willkür. Entschließen die liberalen Parteien sich aber nicht bald, ihnen zu Hilfe zu kommen, die all¬ mählichen Einflüsse, welche die Polizei und der ihrem Wesen verwandte Mt- nisterialismus in der Strafjustiz heutzutage ausüben, von Grund aus nieder¬ zutreten, so wird unfehlbar auch für Preußen die Zeit nicht fern sein, in der das Auftreten eines Seguier — so hieß ja wol der Procureur von Tou¬ louse — zu den großen politischen Ereignissen zählen wird. Ein Htalmnissimo des XVI. Jahrhunderts. Lwi-la äooumMtalÄ al (üarlo V. in oorrslWions all' Italie ack?rotossorö Kiu- ssxpo of I-vos.. 2 Las. Völlig, 1863. 1864. Das Zettalter Karl's V. stellt dem Geschichtschreiber eine Aufgabe, die den Italiener nicht minder reizen muß als den Deutschen. Auf lange Zeit entscheidend waren jene inhaltreichen Decennien für das eine Land wie für das andere, und wenn der Deutsche gewöhnt ist. die Reformation in den Mittelpunkt dieser Epoche zu rücken, so weiß Jedermann, wie sehr ihr Ver¬ lauf beeinflußt wurde und bald Hemmung, bald Förderung erhielt durch die Ereignisse jenseits der Alpen, wie umgekehrt die deutsche Kirchentrennung wesentlich eingriff in die Geschicke Italiens. Ja die Reformation erscheint selbst nur als eins der geschichtlichen Momente, freilich als das folgen¬ reichste in jener Wende der Zeiten, da noch einmal der alte mittelalterliche Kaisertraum Verwirklichung forderte, mit furchtbareren Mitteln als jemals alle Mächte Europas von den Vorgebirgen Spaniens bis zum Bosporus in einen Kampf hineinreißend, dessen Ausgang kein anderer war als das defini¬ tive Scheitern jener mittelalterlichen Idee. Denn jetzt handelte es sich nicht mehr um den Streit des Staats mit der Kirche, des Kaisers mit dem Papst; vielmehr zwei ebenbürtige weltliche Staaten, Spanien und Frankreich traten als die Erben der kaiserlichen Macht auf, und indem keine stark genug war die andere zu unterwerfen, ging statt der allgemeinen Weltmonarchie die neue Idee des Gleichgewichts der Staaten aus dem Kampfe hervor. In diesem 30jährigen Ringen aber bleibt Italien der Preis des Streits um die Herrschaft. Fast ununterbrochen ist es der Schauplatz verheerender Kriege.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/300
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/300>, abgerufen am 28.09.2024.