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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Gesellen mit einem Marmorbohrer, wie er ähnlich auch von den heutigen
Bildhauern angewandt wird. Eutropos selbst, so heißt nach der Inschrift
der Todte, überwacht die Arbeit als Herr der Werkstatt, während eine
Taube mit einem Oelblatt aus ihn zufliegt, womit in diesem Fall schwerlich
blos ein allgemeines Sinnbild gegeben, sondern geschildert werden sollte, wie
ihn der Tod über der Arbeit gefunden und ihm den Frieden gebracht habe,
Beachtung verdient, daß der Fabrikant ein Grieche ist; denn daß es in
der Regel Griechen, nicht Römer waren, welche für den großen Bedarf römi¬
scher Grabstätten arbeiteten, erhellt aus den Gegenständen und der Art der
Darstellungen, womit man Sarkophage zu umkleiden liebte. Auch wird dies
so allgemein angenommen, daß man sogar die Meinung aufgestellt hat, die
Sarkophage seien sammt ihren Reliefs größtentheils in Griechenland gearbeitet
worden und als fertige Waare in den überseeischen Handel gekommen. Eine
scheinbare Stütze findet diese Ansicht zwar in dem Umstände, daß das Ma¬
terial großentheils griechischer Marmor ist -- wie denn der Name Sarkophag
selbst von einer Steinart aus Achos in Troas herrührt, welcher man die Kraft
zuschrieb, in Kürze die verwesenden Theile des Leichnams aufzusaugen, -- aber
unleugbar ist die Wahrnehmung, daß die in Griechenland selbst gefundenen
römischen Sarkophage Fabrikationsunterschiede zeigen, die sich bei jener Ansicht
schwer erklären würden. Unnöthig erscheinen auch die Gefahren und die Kosten
des Transports, da doch gerade die besten griechischen Künstler jener Zeit
fortwährend in Rom beschäftigt wurden und neben sich naturgemäß eine große
Anzahl Handarbeiter haben mußten. Geradezu entscheidend aber ist die
Thatsache, daß sich in Rom Sarkophage aus griechischem Marmor mit un¬
vollendeten Neliefschmuck gefunden haben. Ganz wahrscheinlich ist, daß
man in den Marmorbrüchen die für Sarkophage bestimmten Blöcke ausge¬
höhlt, ihnen wohl auch in einzelnen decorativer Theilen die fertige Form
gegeben, die Ausführung der Reliefs aber den am Orte des Gebrauches ar¬
beitenden Künstlern überlassen habe. Und so wäre es denn nicht zu ver¬
wundern, wenn auf dem Emporium Roms am Tiberufer neben den aus dem
Orient und aus Griechenland stammenden abbozzirten Säulen, die dort noch
heutigen Tages gefunden werden, auch einmal ähnlich abbozzirte Sarkophage
zum Vorschein kämen.

In weit höherem Grade noch als durch ihre Fabrikation sind die Sarko¬
phage durch ihre Darstellungen ein beredtes Zeugniß sür die Hellenisirung Roms.
Denn es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß sich in ihnen kaum ein eigent¬
lich nationaler Zug findet. Wo Gottheiten geschildert sind, begegnen wir nir¬
gends den Gestalten des römischen Glaubens: die capitolinischen Götter, welche
zuweilen als Zuschauer einer Handlung austreten, haben stets griechische Tracht


Gesellen mit einem Marmorbohrer, wie er ähnlich auch von den heutigen
Bildhauern angewandt wird. Eutropos selbst, so heißt nach der Inschrift
der Todte, überwacht die Arbeit als Herr der Werkstatt, während eine
Taube mit einem Oelblatt aus ihn zufliegt, womit in diesem Fall schwerlich
blos ein allgemeines Sinnbild gegeben, sondern geschildert werden sollte, wie
ihn der Tod über der Arbeit gefunden und ihm den Frieden gebracht habe,
Beachtung verdient, daß der Fabrikant ein Grieche ist; denn daß es in
der Regel Griechen, nicht Römer waren, welche für den großen Bedarf römi¬
scher Grabstätten arbeiteten, erhellt aus den Gegenständen und der Art der
Darstellungen, womit man Sarkophage zu umkleiden liebte. Auch wird dies
so allgemein angenommen, daß man sogar die Meinung aufgestellt hat, die
Sarkophage seien sammt ihren Reliefs größtentheils in Griechenland gearbeitet
worden und als fertige Waare in den überseeischen Handel gekommen. Eine
scheinbare Stütze findet diese Ansicht zwar in dem Umstände, daß das Ma¬
terial großentheils griechischer Marmor ist — wie denn der Name Sarkophag
selbst von einer Steinart aus Achos in Troas herrührt, welcher man die Kraft
zuschrieb, in Kürze die verwesenden Theile des Leichnams aufzusaugen, — aber
unleugbar ist die Wahrnehmung, daß die in Griechenland selbst gefundenen
römischen Sarkophage Fabrikationsunterschiede zeigen, die sich bei jener Ansicht
schwer erklären würden. Unnöthig erscheinen auch die Gefahren und die Kosten
des Transports, da doch gerade die besten griechischen Künstler jener Zeit
fortwährend in Rom beschäftigt wurden und neben sich naturgemäß eine große
Anzahl Handarbeiter haben mußten. Geradezu entscheidend aber ist die
Thatsache, daß sich in Rom Sarkophage aus griechischem Marmor mit un¬
vollendeten Neliefschmuck gefunden haben. Ganz wahrscheinlich ist, daß
man in den Marmorbrüchen die für Sarkophage bestimmten Blöcke ausge¬
höhlt, ihnen wohl auch in einzelnen decorativer Theilen die fertige Form
gegeben, die Ausführung der Reliefs aber den am Orte des Gebrauches ar¬
beitenden Künstlern überlassen habe. Und so wäre es denn nicht zu ver¬
wundern, wenn auf dem Emporium Roms am Tiberufer neben den aus dem
Orient und aus Griechenland stammenden abbozzirten Säulen, die dort noch
heutigen Tages gefunden werden, auch einmal ähnlich abbozzirte Sarkophage
zum Vorschein kämen.

In weit höherem Grade noch als durch ihre Fabrikation sind die Sarko¬
phage durch ihre Darstellungen ein beredtes Zeugniß sür die Hellenisirung Roms.
Denn es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß sich in ihnen kaum ein eigent¬
lich nationaler Zug findet. Wo Gottheiten geschildert sind, begegnen wir nir¬
gends den Gestalten des römischen Glaubens: die capitolinischen Götter, welche
zuweilen als Zuschauer einer Handlung austreten, haben stets griechische Tracht


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[0259] Gesellen mit einem Marmorbohrer, wie er ähnlich auch von den heutigen Bildhauern angewandt wird. Eutropos selbst, so heißt nach der Inschrift der Todte, überwacht die Arbeit als Herr der Werkstatt, während eine Taube mit einem Oelblatt aus ihn zufliegt, womit in diesem Fall schwerlich blos ein allgemeines Sinnbild gegeben, sondern geschildert werden sollte, wie ihn der Tod über der Arbeit gefunden und ihm den Frieden gebracht habe, Beachtung verdient, daß der Fabrikant ein Grieche ist; denn daß es in der Regel Griechen, nicht Römer waren, welche für den großen Bedarf römi¬ scher Grabstätten arbeiteten, erhellt aus den Gegenständen und der Art der Darstellungen, womit man Sarkophage zu umkleiden liebte. Auch wird dies so allgemein angenommen, daß man sogar die Meinung aufgestellt hat, die Sarkophage seien sammt ihren Reliefs größtentheils in Griechenland gearbeitet worden und als fertige Waare in den überseeischen Handel gekommen. Eine scheinbare Stütze findet diese Ansicht zwar in dem Umstände, daß das Ma¬ terial großentheils griechischer Marmor ist — wie denn der Name Sarkophag selbst von einer Steinart aus Achos in Troas herrührt, welcher man die Kraft zuschrieb, in Kürze die verwesenden Theile des Leichnams aufzusaugen, — aber unleugbar ist die Wahrnehmung, daß die in Griechenland selbst gefundenen römischen Sarkophage Fabrikationsunterschiede zeigen, die sich bei jener Ansicht schwer erklären würden. Unnöthig erscheinen auch die Gefahren und die Kosten des Transports, da doch gerade die besten griechischen Künstler jener Zeit fortwährend in Rom beschäftigt wurden und neben sich naturgemäß eine große Anzahl Handarbeiter haben mußten. Geradezu entscheidend aber ist die Thatsache, daß sich in Rom Sarkophage aus griechischem Marmor mit un¬ vollendeten Neliefschmuck gefunden haben. Ganz wahrscheinlich ist, daß man in den Marmorbrüchen die für Sarkophage bestimmten Blöcke ausge¬ höhlt, ihnen wohl auch in einzelnen decorativer Theilen die fertige Form gegeben, die Ausführung der Reliefs aber den am Orte des Gebrauches ar¬ beitenden Künstlern überlassen habe. Und so wäre es denn nicht zu ver¬ wundern, wenn auf dem Emporium Roms am Tiberufer neben den aus dem Orient und aus Griechenland stammenden abbozzirten Säulen, die dort noch heutigen Tages gefunden werden, auch einmal ähnlich abbozzirte Sarkophage zum Vorschein kämen. In weit höherem Grade noch als durch ihre Fabrikation sind die Sarko¬ phage durch ihre Darstellungen ein beredtes Zeugniß sür die Hellenisirung Roms. Denn es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß sich in ihnen kaum ein eigent¬ lich nationaler Zug findet. Wo Gottheiten geschildert sind, begegnen wir nir¬ gends den Gestalten des römischen Glaubens: die capitolinischen Götter, welche zuweilen als Zuschauer einer Handlung austreten, haben stets griechische Tracht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/259>, abgerufen am 20.10.2024.