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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Abminderung desselben unter den Betrag von 200.000 Thlr. eine neue Ver¬
einbarung über die Höhe der Aversionalzahlung vorbehielt. Man statuirte
hiernach ein Bedürfniß der landesherrlichen Casse von 366.000 Thlr., gleich¬
viel, ob die Ausgaben derselben an Matricularbeitrag 400,000 Thlr. mehr
oder weniger betragen, Bei so geringem Aufwands von Mühe in der Er-
gründung des Bedürfnisses wird man sich nicht wundern, wenn andrerseits
auch die Frage unerörtert blieb, ob denn auch die Bevölkerung im Stande
sein werde, neben der Aufbringung an Zöllen und Verbrauchssteuern für
die Bundescasse noch die Mittel zur Deckung jenes angeblichen Bedürfnisses
zu erschwingen und dadurch die bisherige Zahlung an ordentlicher Contri-
bution von 698,300 Thlr. auf 1,311,000 Thlr. oder um 87^ Procent zu
steigern. Ein naives Zeugniß sür die Art der Behandlung der Bedürfni߬
frage stellte später die Landschaft sich selbst aus, indem sie den Vorbehalt
hinzuzufügen für dienlich hielt, daß die Anerkennung des Bedürfnisses nur
unter der Voraussetzung erfolgt sei, daß man sich über den Ausbringungs¬
modus einigen werde.

Der Hauptgrund, weshalb die Stände es vermieden, tiefer in die Be¬
dürfnißfrage einzugehen, lag ohne Zweifel darin, daß sie fürchteten, dadurch
auf den bedenklichen Weg zum constitutionellen Staat zu gerathen. Das
Verlangen nach einem Budgetsystem war bereits in mehreren Bürgervertre¬
tungen (Rostock, Parchim, Güstrow) wiederholt laut geworden und in Form
von Jnstructionen den Landtagsdeputirten mitgegeben worden. Auch der
im December gegründete mecklenburgische Handelsverein war mit einer dahin
gehenden Petition an den Landtag gegangen. Aber in den Plenarver-
sammlungen des Landtags kam diese Frage gar nicht zur Verhandlung,
in einer Versammlung der Landschaft wurde der Antrag auf Ein¬
führung des Budgetsystems mit 24 gegen 7 Stimmen und in einer Ver¬
sammlung der Ritterschaft ohne Abstimmung zurückgewiesen. Es sei Schade
um die schöne Dinte -- bemerkte in letzterer Herr Ulrich von Dewitz auf
Groß-Miltzow -- welche auf den Antrag verwendet worden sei. Ließe man sich
auf das Budgetsystem ein, so würde es den Ständen ergehen, wie den Vor¬
eltern im Paradiese, mit flammendem Schwerte würden sie aus dem Heilig-
thume der ehrwürdigen Verfassung vertrieben werden. -- Die Unvereinbar¬
keit der feudalen Verfassung mit dem Budgetsystem ist unbestreitbar, und da
den Ständen daran liegt, die alte Verfassung zu erhalten, so sträuben sie
sich gegen eine Neuerung, welche unmittelbar zum Untergange der jetzigen
Vertretung führen müßte. Auch vielen Privatinteressen liegt an der Erhal¬
tung einer Einrichtung, bei welcher der Landesherr gleichsam in der Stellung
eines Unternehmers der Staatsanstalt erscheint und gegen eine vereinbarte


Abminderung desselben unter den Betrag von 200.000 Thlr. eine neue Ver¬
einbarung über die Höhe der Aversionalzahlung vorbehielt. Man statuirte
hiernach ein Bedürfniß der landesherrlichen Casse von 366.000 Thlr., gleich¬
viel, ob die Ausgaben derselben an Matricularbeitrag 400,000 Thlr. mehr
oder weniger betragen, Bei so geringem Aufwands von Mühe in der Er-
gründung des Bedürfnisses wird man sich nicht wundern, wenn andrerseits
auch die Frage unerörtert blieb, ob denn auch die Bevölkerung im Stande
sein werde, neben der Aufbringung an Zöllen und Verbrauchssteuern für
die Bundescasse noch die Mittel zur Deckung jenes angeblichen Bedürfnisses
zu erschwingen und dadurch die bisherige Zahlung an ordentlicher Contri-
bution von 698,300 Thlr. auf 1,311,000 Thlr. oder um 87^ Procent zu
steigern. Ein naives Zeugniß sür die Art der Behandlung der Bedürfni߬
frage stellte später die Landschaft sich selbst aus, indem sie den Vorbehalt
hinzuzufügen für dienlich hielt, daß die Anerkennung des Bedürfnisses nur
unter der Voraussetzung erfolgt sei, daß man sich über den Ausbringungs¬
modus einigen werde.

Der Hauptgrund, weshalb die Stände es vermieden, tiefer in die Be¬
dürfnißfrage einzugehen, lag ohne Zweifel darin, daß sie fürchteten, dadurch
auf den bedenklichen Weg zum constitutionellen Staat zu gerathen. Das
Verlangen nach einem Budgetsystem war bereits in mehreren Bürgervertre¬
tungen (Rostock, Parchim, Güstrow) wiederholt laut geworden und in Form
von Jnstructionen den Landtagsdeputirten mitgegeben worden. Auch der
im December gegründete mecklenburgische Handelsverein war mit einer dahin
gehenden Petition an den Landtag gegangen. Aber in den Plenarver-
sammlungen des Landtags kam diese Frage gar nicht zur Verhandlung,
in einer Versammlung der Landschaft wurde der Antrag auf Ein¬
führung des Budgetsystems mit 24 gegen 7 Stimmen und in einer Ver¬
sammlung der Ritterschaft ohne Abstimmung zurückgewiesen. Es sei Schade
um die schöne Dinte — bemerkte in letzterer Herr Ulrich von Dewitz auf
Groß-Miltzow — welche auf den Antrag verwendet worden sei. Ließe man sich
auf das Budgetsystem ein, so würde es den Ständen ergehen, wie den Vor¬
eltern im Paradiese, mit flammendem Schwerte würden sie aus dem Heilig-
thume der ehrwürdigen Verfassung vertrieben werden. — Die Unvereinbar¬
keit der feudalen Verfassung mit dem Budgetsystem ist unbestreitbar, und da
den Ständen daran liegt, die alte Verfassung zu erhalten, so sträuben sie
sich gegen eine Neuerung, welche unmittelbar zum Untergange der jetzigen
Vertretung führen müßte. Auch vielen Privatinteressen liegt an der Erhal¬
tung einer Einrichtung, bei welcher der Landesherr gleichsam in der Stellung
eines Unternehmers der Staatsanstalt erscheint und gegen eine vereinbarte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/226>, abgerufen am 28.09.2024.