Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und es erschien eines Tages, vom Magistrate gesandt und durch Brief und
Siegel beglaubigt, ein neuer Parchim'scher Vertreter, der Senator Stege¬
mann, um das Recht der Stadt auf Sitz und Stimme auszuüben. In¬
dessen wollte es diesem, trotz des Documentes und des Stadtsiegels, nicht ge¬
lingen, sich in dieser Eigenschaft zur vollen Anerkennung zu bringen, da der
Bürgermeister Sommer hartnäckig den einmal eingenommenen Platz be¬
hauptete und vom Landtagsdirectorium bei der Ausübung der Stimmführung
geschützt wurde. Dem neuen Vertreter wurde nur ein Sitz, aber, so lange
der erstere dem von ihm behaupteten Rechte nicht entsagt haben würde, keine
Stimme zugestanden. Der Parchim'sche Magistrat ließ es an keinem Versuche
fehlen, seinem Abberufungsschreiben Nachachtung zu verschaffen. Er be¬
drohet? sein renitentes Mitglied mit einer Geldstrafe von 200 Thlr. für den
Fall, daß es nicht ungesäumt sich zurückziehen und die Heimreise antreten
würde, und kündigte ihm schließlich an, daß er die Hilfe des Gerichtes nach¬
zusuchen Willens sei. um seine Entfernung aus der Landtagsversammlung zu
bewirken. Der Bürgermeister Sommer ließ sich aber dadurch nicht irre
machen, er hielt an Sitz und Stimme fest und kehrte in seine Vaterstadt
erst zurück, als der Landtag geschlossen war.

Den Hauptgegenstand der Verhandlungendes Landtags bildete die Re¬
form des Steuermodus.

Das mecklenburgische Steuerwesen zerfällt, nach der Bestimmung und Be¬
handlung der erhobenen Steuern, in zwei getrennte Systeme: ein altes und
ein neueres. Die Steuern nach ven alten System werden dem Großherzog als
aversioneller Hilfsbeitrag zur Bestreitung gewisser, durch die Führung des
Landesregiments bedingter Kosten entrichtet, in erster Linie ruhet die Ver¬
pflichtung zur Bestreitung dieser Kosten auf den Einkünften aus dem Domanial-
besitz. Die zu diesem Systeme gehörigen Steuern, die sogenannte ordent¬
liche Contribution, bestehen im Domanium und in der Ritterschaft aus einer
nach festen Sätzen zu entrichtenden Hufensteuer, welche jedoch im Domanium
in neuerer Zeit auf eine Quote des Pachterbegriffes zurückgeführt ist, und
einer Nebensteuer, welche von denjenigen Personen erhoben wird, die von
der Hufensteuer nicht ergriffen werden. In den Domanial- und ritterschaft-
lichen Flecken liegt der städtische Steuermodus ganz oder theilweise zu
Grunde. In den Städten wurde neben der Grund-, Vieh- und Erwerb¬
steuer früher eine Handelssteuer, von der eingeführten Handelswaare nach
dem Werth, eine Mahlsteuer und eine Schlachtsteuer für die landesherrliche
Casse erhoben. Diese indirecten Steuern wurden jedoch in neuerer Zeit in
Fixsteuern umgewandelt: die Handelssteuer in eine Handelsclassensteuer,
welche von den Kaufleuten und handeltreibenden Handwerkern nach Mittel¬
sätzen entrichtet wird, die nach der Größe der Städte verschieden sind, die


und es erschien eines Tages, vom Magistrate gesandt und durch Brief und
Siegel beglaubigt, ein neuer Parchim'scher Vertreter, der Senator Stege¬
mann, um das Recht der Stadt auf Sitz und Stimme auszuüben. In¬
dessen wollte es diesem, trotz des Documentes und des Stadtsiegels, nicht ge¬
lingen, sich in dieser Eigenschaft zur vollen Anerkennung zu bringen, da der
Bürgermeister Sommer hartnäckig den einmal eingenommenen Platz be¬
hauptete und vom Landtagsdirectorium bei der Ausübung der Stimmführung
geschützt wurde. Dem neuen Vertreter wurde nur ein Sitz, aber, so lange
der erstere dem von ihm behaupteten Rechte nicht entsagt haben würde, keine
Stimme zugestanden. Der Parchim'sche Magistrat ließ es an keinem Versuche
fehlen, seinem Abberufungsschreiben Nachachtung zu verschaffen. Er be¬
drohet? sein renitentes Mitglied mit einer Geldstrafe von 200 Thlr. für den
Fall, daß es nicht ungesäumt sich zurückziehen und die Heimreise antreten
würde, und kündigte ihm schließlich an, daß er die Hilfe des Gerichtes nach¬
zusuchen Willens sei. um seine Entfernung aus der Landtagsversammlung zu
bewirken. Der Bürgermeister Sommer ließ sich aber dadurch nicht irre
machen, er hielt an Sitz und Stimme fest und kehrte in seine Vaterstadt
erst zurück, als der Landtag geschlossen war.

Den Hauptgegenstand der Verhandlungendes Landtags bildete die Re¬
form des Steuermodus.

Das mecklenburgische Steuerwesen zerfällt, nach der Bestimmung und Be¬
handlung der erhobenen Steuern, in zwei getrennte Systeme: ein altes und
ein neueres. Die Steuern nach ven alten System werden dem Großherzog als
aversioneller Hilfsbeitrag zur Bestreitung gewisser, durch die Führung des
Landesregiments bedingter Kosten entrichtet, in erster Linie ruhet die Ver¬
pflichtung zur Bestreitung dieser Kosten auf den Einkünften aus dem Domanial-
besitz. Die zu diesem Systeme gehörigen Steuern, die sogenannte ordent¬
liche Contribution, bestehen im Domanium und in der Ritterschaft aus einer
nach festen Sätzen zu entrichtenden Hufensteuer, welche jedoch im Domanium
in neuerer Zeit auf eine Quote des Pachterbegriffes zurückgeführt ist, und
einer Nebensteuer, welche von denjenigen Personen erhoben wird, die von
der Hufensteuer nicht ergriffen werden. In den Domanial- und ritterschaft-
lichen Flecken liegt der städtische Steuermodus ganz oder theilweise zu
Grunde. In den Städten wurde neben der Grund-, Vieh- und Erwerb¬
steuer früher eine Handelssteuer, von der eingeführten Handelswaare nach
dem Werth, eine Mahlsteuer und eine Schlachtsteuer für die landesherrliche
Casse erhoben. Diese indirecten Steuern wurden jedoch in neuerer Zeit in
Fixsteuern umgewandelt: die Handelssteuer in eine Handelsclassensteuer,
welche von den Kaufleuten und handeltreibenden Handwerkern nach Mittel¬
sätzen entrichtet wird, die nach der Größe der Städte verschieden sind, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120409"/>
          <p xml:id="ID_628" prev="#ID_627"> und es erschien eines Tages, vom Magistrate gesandt und durch Brief und<lb/>
Siegel beglaubigt, ein neuer Parchim'scher Vertreter, der Senator Stege¬<lb/>
mann, um das Recht der Stadt auf Sitz und Stimme auszuüben. In¬<lb/>
dessen wollte es diesem, trotz des Documentes und des Stadtsiegels, nicht ge¬<lb/>
lingen, sich in dieser Eigenschaft zur vollen Anerkennung zu bringen, da der<lb/>
Bürgermeister Sommer hartnäckig den einmal eingenommenen Platz be¬<lb/>
hauptete und vom Landtagsdirectorium bei der Ausübung der Stimmführung<lb/>
geschützt wurde. Dem neuen Vertreter wurde nur ein Sitz, aber, so lange<lb/>
der erstere dem von ihm behaupteten Rechte nicht entsagt haben würde, keine<lb/>
Stimme zugestanden. Der Parchim'sche Magistrat ließ es an keinem Versuche<lb/>
fehlen, seinem Abberufungsschreiben Nachachtung zu verschaffen. Er be¬<lb/>
drohet? sein renitentes Mitglied mit einer Geldstrafe von 200 Thlr. für den<lb/>
Fall, daß es nicht ungesäumt sich zurückziehen und die Heimreise antreten<lb/>
würde, und kündigte ihm schließlich an, daß er die Hilfe des Gerichtes nach¬<lb/>
zusuchen Willens sei. um seine Entfernung aus der Landtagsversammlung zu<lb/>
bewirken. Der Bürgermeister Sommer ließ sich aber dadurch nicht irre<lb/>
machen, er hielt an Sitz und Stimme fest und kehrte in seine Vaterstadt<lb/>
erst zurück, als der Landtag geschlossen war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_629"> Den Hauptgegenstand der Verhandlungendes Landtags bildete die Re¬<lb/>
form des Steuermodus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_630" next="#ID_631"> Das mecklenburgische Steuerwesen zerfällt, nach der Bestimmung und Be¬<lb/>
handlung der erhobenen Steuern, in zwei getrennte Systeme: ein altes und<lb/>
ein neueres. Die Steuern nach ven alten System werden dem Großherzog als<lb/>
aversioneller Hilfsbeitrag zur Bestreitung gewisser, durch die Führung des<lb/>
Landesregiments bedingter Kosten entrichtet, in erster Linie ruhet die Ver¬<lb/>
pflichtung zur Bestreitung dieser Kosten auf den Einkünften aus dem Domanial-<lb/>
besitz. Die zu diesem Systeme gehörigen Steuern, die sogenannte ordent¬<lb/>
liche Contribution, bestehen im Domanium und in der Ritterschaft aus einer<lb/>
nach festen Sätzen zu entrichtenden Hufensteuer, welche jedoch im Domanium<lb/>
in neuerer Zeit auf eine Quote des Pachterbegriffes zurückgeführt ist, und<lb/>
einer Nebensteuer, welche von denjenigen Personen erhoben wird, die von<lb/>
der Hufensteuer nicht ergriffen werden. In den Domanial- und ritterschaft-<lb/>
lichen Flecken liegt der städtische Steuermodus ganz oder theilweise zu<lb/>
Grunde. In den Städten wurde neben der Grund-, Vieh- und Erwerb¬<lb/>
steuer früher eine Handelssteuer, von der eingeführten Handelswaare nach<lb/>
dem Werth, eine Mahlsteuer und eine Schlachtsteuer für die landesherrliche<lb/>
Casse erhoben. Diese indirecten Steuern wurden jedoch in neuerer Zeit in<lb/>
Fixsteuern umgewandelt: die Handelssteuer in eine Handelsclassensteuer,<lb/>
welche von den Kaufleuten und handeltreibenden Handwerkern nach Mittel¬<lb/>
sätzen entrichtet wird, die nach der Größe der Städte verschieden sind, die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0220] und es erschien eines Tages, vom Magistrate gesandt und durch Brief und Siegel beglaubigt, ein neuer Parchim'scher Vertreter, der Senator Stege¬ mann, um das Recht der Stadt auf Sitz und Stimme auszuüben. In¬ dessen wollte es diesem, trotz des Documentes und des Stadtsiegels, nicht ge¬ lingen, sich in dieser Eigenschaft zur vollen Anerkennung zu bringen, da der Bürgermeister Sommer hartnäckig den einmal eingenommenen Platz be¬ hauptete und vom Landtagsdirectorium bei der Ausübung der Stimmführung geschützt wurde. Dem neuen Vertreter wurde nur ein Sitz, aber, so lange der erstere dem von ihm behaupteten Rechte nicht entsagt haben würde, keine Stimme zugestanden. Der Parchim'sche Magistrat ließ es an keinem Versuche fehlen, seinem Abberufungsschreiben Nachachtung zu verschaffen. Er be¬ drohet? sein renitentes Mitglied mit einer Geldstrafe von 200 Thlr. für den Fall, daß es nicht ungesäumt sich zurückziehen und die Heimreise antreten würde, und kündigte ihm schließlich an, daß er die Hilfe des Gerichtes nach¬ zusuchen Willens sei. um seine Entfernung aus der Landtagsversammlung zu bewirken. Der Bürgermeister Sommer ließ sich aber dadurch nicht irre machen, er hielt an Sitz und Stimme fest und kehrte in seine Vaterstadt erst zurück, als der Landtag geschlossen war. Den Hauptgegenstand der Verhandlungendes Landtags bildete die Re¬ form des Steuermodus. Das mecklenburgische Steuerwesen zerfällt, nach der Bestimmung und Be¬ handlung der erhobenen Steuern, in zwei getrennte Systeme: ein altes und ein neueres. Die Steuern nach ven alten System werden dem Großherzog als aversioneller Hilfsbeitrag zur Bestreitung gewisser, durch die Führung des Landesregiments bedingter Kosten entrichtet, in erster Linie ruhet die Ver¬ pflichtung zur Bestreitung dieser Kosten auf den Einkünften aus dem Domanial- besitz. Die zu diesem Systeme gehörigen Steuern, die sogenannte ordent¬ liche Contribution, bestehen im Domanium und in der Ritterschaft aus einer nach festen Sätzen zu entrichtenden Hufensteuer, welche jedoch im Domanium in neuerer Zeit auf eine Quote des Pachterbegriffes zurückgeführt ist, und einer Nebensteuer, welche von denjenigen Personen erhoben wird, die von der Hufensteuer nicht ergriffen werden. In den Domanial- und ritterschaft- lichen Flecken liegt der städtische Steuermodus ganz oder theilweise zu Grunde. In den Städten wurde neben der Grund-, Vieh- und Erwerb¬ steuer früher eine Handelssteuer, von der eingeführten Handelswaare nach dem Werth, eine Mahlsteuer und eine Schlachtsteuer für die landesherrliche Casse erhoben. Diese indirecten Steuern wurden jedoch in neuerer Zeit in Fixsteuern umgewandelt: die Handelssteuer in eine Handelsclassensteuer, welche von den Kaufleuten und handeltreibenden Handwerkern nach Mittel¬ sätzen entrichtet wird, die nach der Größe der Städte verschieden sind, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/220
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/220>, abgerufen am 28.09.2024.