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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Heinrich Laube über das Burgtheater.

Das Burgtheater. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. VonHeinrich
Laube. Mit dem Portrait des Verfassers in Stahlstich. Leipzig. I. I. Weber.
1868. (1869.)

Daß die Schicksale der deutschen dramatischen Kunst nicht durch das
Theaterleben einer Hauptstadt bestimmt werden, wie in Frankreich und
.England, das hat zu Zeiten deutscher Kunst das Gedeihen beeinträchtigt und
wieder ihren Verfall aufgehalten; es hat Dichtern und Schauspielern wie dem
Publicum die Sicherheit und Continuität der Kunstbildung vermindert, es ist
auch eine Schutzwehr geworden gegen die schädlichen Einwirkungen, welche
zeitweiser Verfall großer Bühnen auf das Streben der Schaffenden und die
Theilnahme der Genießenden ausübte. Seit es in Deutschland ein ästhe.
tisches Urtheil über dramatische Leistungen der Bühne gibt, also seit etwa
120 Jahren, hat bald die eine, bald die andere Stadt im Vordergrunde
des Theaterlebens gestanden; unter der Neuberin Leipzig, unter Eckhoff und
Schröder Hamburg, daneben wenige Jahre unter Eckyoff Gotha, unter
Dalberg Mannheim, unter Goethe und Schiller Weimar, unter Jffland
Berlin. Auch als die breitere Entwickelung des Bühnenlebens, welche die
Traditionen von Hamburg, Weimar und Berlin in größeren Häusern zu
bewahren suchte, unter unkünstlerischer Jntendantenwirthschaft und den pecu-
niären Bedrängnissen der Stadttheater eine Verwilderung herbeizuführen
drohte, und als neue reale Culturinteressen die Theilnahme der Deutschen an
ihrer Bühne in aufgeregten Jahren verminderten, hat sich während öder Theater¬
zeit die unsicher dahinflatternde Kunst, bald hier bald dort auf kurze Zeit
ein Nest gebaut, zuweilen unter den schwierigsten Verhältnissen, wie durch
Immermann in Düsseldorf. Und wir dürfen sagen, zu keiner Zeit hat es
ganz an Männern gefehlt, welche für sich und die Bühne Besseres erstrebten,
als pecuniären Gewinn und rohe Handwerksarbeit.

Seit 28 Jahren hat Heinrich Laube sein Talent vorzugsweise dem
Theater gewidmet; bis zum Jahre 1848 in Leipzig als Dichter und Kritiker,
in den letzten 18 Jahren als Leiter der altberühmten Hofbühne von Wien.


Grenzboten I. 18t,9. 26
Heinrich Laube über das Burgtheater.

Das Burgtheater. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. VonHeinrich
Laube. Mit dem Portrait des Verfassers in Stahlstich. Leipzig. I. I. Weber.
1868. (1869.)

Daß die Schicksale der deutschen dramatischen Kunst nicht durch das
Theaterleben einer Hauptstadt bestimmt werden, wie in Frankreich und
.England, das hat zu Zeiten deutscher Kunst das Gedeihen beeinträchtigt und
wieder ihren Verfall aufgehalten; es hat Dichtern und Schauspielern wie dem
Publicum die Sicherheit und Continuität der Kunstbildung vermindert, es ist
auch eine Schutzwehr geworden gegen die schädlichen Einwirkungen, welche
zeitweiser Verfall großer Bühnen auf das Streben der Schaffenden und die
Theilnahme der Genießenden ausübte. Seit es in Deutschland ein ästhe.
tisches Urtheil über dramatische Leistungen der Bühne gibt, also seit etwa
120 Jahren, hat bald die eine, bald die andere Stadt im Vordergrunde
des Theaterlebens gestanden; unter der Neuberin Leipzig, unter Eckhoff und
Schröder Hamburg, daneben wenige Jahre unter Eckyoff Gotha, unter
Dalberg Mannheim, unter Goethe und Schiller Weimar, unter Jffland
Berlin. Auch als die breitere Entwickelung des Bühnenlebens, welche die
Traditionen von Hamburg, Weimar und Berlin in größeren Häusern zu
bewahren suchte, unter unkünstlerischer Jntendantenwirthschaft und den pecu-
niären Bedrängnissen der Stadttheater eine Verwilderung herbeizuführen
drohte, und als neue reale Culturinteressen die Theilnahme der Deutschen an
ihrer Bühne in aufgeregten Jahren verminderten, hat sich während öder Theater¬
zeit die unsicher dahinflatternde Kunst, bald hier bald dort auf kurze Zeit
ein Nest gebaut, zuweilen unter den schwierigsten Verhältnissen, wie durch
Immermann in Düsseldorf. Und wir dürfen sagen, zu keiner Zeit hat es
ganz an Männern gefehlt, welche für sich und die Bühne Besseres erstrebten,
als pecuniären Gewinn und rohe Handwerksarbeit.

Seit 28 Jahren hat Heinrich Laube sein Talent vorzugsweise dem
Theater gewidmet; bis zum Jahre 1848 in Leipzig als Dichter und Kritiker,
in den letzten 18 Jahren als Leiter der altberühmten Hofbühne von Wien.


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[0213] Heinrich Laube über das Burgtheater. Das Burgtheater. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. VonHeinrich Laube. Mit dem Portrait des Verfassers in Stahlstich. Leipzig. I. I. Weber. 1868. (1869.) Daß die Schicksale der deutschen dramatischen Kunst nicht durch das Theaterleben einer Hauptstadt bestimmt werden, wie in Frankreich und .England, das hat zu Zeiten deutscher Kunst das Gedeihen beeinträchtigt und wieder ihren Verfall aufgehalten; es hat Dichtern und Schauspielern wie dem Publicum die Sicherheit und Continuität der Kunstbildung vermindert, es ist auch eine Schutzwehr geworden gegen die schädlichen Einwirkungen, welche zeitweiser Verfall großer Bühnen auf das Streben der Schaffenden und die Theilnahme der Genießenden ausübte. Seit es in Deutschland ein ästhe. tisches Urtheil über dramatische Leistungen der Bühne gibt, also seit etwa 120 Jahren, hat bald die eine, bald die andere Stadt im Vordergrunde des Theaterlebens gestanden; unter der Neuberin Leipzig, unter Eckhoff und Schröder Hamburg, daneben wenige Jahre unter Eckyoff Gotha, unter Dalberg Mannheim, unter Goethe und Schiller Weimar, unter Jffland Berlin. Auch als die breitere Entwickelung des Bühnenlebens, welche die Traditionen von Hamburg, Weimar und Berlin in größeren Häusern zu bewahren suchte, unter unkünstlerischer Jntendantenwirthschaft und den pecu- niären Bedrängnissen der Stadttheater eine Verwilderung herbeizuführen drohte, und als neue reale Culturinteressen die Theilnahme der Deutschen an ihrer Bühne in aufgeregten Jahren verminderten, hat sich während öder Theater¬ zeit die unsicher dahinflatternde Kunst, bald hier bald dort auf kurze Zeit ein Nest gebaut, zuweilen unter den schwierigsten Verhältnissen, wie durch Immermann in Düsseldorf. Und wir dürfen sagen, zu keiner Zeit hat es ganz an Männern gefehlt, welche für sich und die Bühne Besseres erstrebten, als pecuniären Gewinn und rohe Handwerksarbeit. Seit 28 Jahren hat Heinrich Laube sein Talent vorzugsweise dem Theater gewidmet; bis zum Jahre 1848 in Leipzig als Dichter und Kritiker, in den letzten 18 Jahren als Leiter der altberühmten Hofbühne von Wien. Grenzboten I. 18t,9. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/213>, abgerufen am 28.09.2024.