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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Seiten. Der Papst wiederholt die alten Mittel und ersinnt neue, um Savo¬
narola, die Seele der florentiner Politik, unschädlich zu machen. Er will
das Kloster von San Marco, dessen Unabhängigkeit er selbst genehmigt hat,
wieder in seinen früheren Verband der lombardischen Congregation einsägen,
ein Mittel um Savonarola beliebig nach anderen Orten schicken zu können.
Aber der Prior von San Marco antwortet mit einem Protest. Der Papst
gebietet ihm aufs Neue zu schweigen. Aber die Signoria selbst dringt, als
das Vaterland wieder in Gefahr ist. in ihn durch seine Predigt den Muth
des Volks aufrechtzuhalten. Der Papst will das widerspänstige Kloster unter
einen von Rom abhängigen Vicar stellen. Aber auch dagegen protestict der
Prior, denn der Papst kann Nichts verordnen, "was gegen die christliche
Liebe und das Heil unserer Seelen streitet." Endlich als die Arrabiati am
Ruder sind, läßt der Papst die Excommunieationsbulle los, es folgen end¬
lose Verhandlungen zwischen den Behörden und dem Papst, dieser droht mit
dem Interdict, mit Repressalien gegen die florentiner Kaufleute in Rom, in
Florenz wird man verdrießlich, man hat mit dem Papst noch über andere
Dinge zu verhandeln, z. B. über die Besteuerung der geistlichen Güter, wozu
man den guten Willen desselben braucht. Kurz, es läßt sich leicht voraus¬
sehen, wie schließlich der Streit enden wird. Die Sache des Mönchs und
das Wohl der Republik sind nicht mehr identisch, fallen nicht mehr in die¬
selbe Wagschale. Wird Savonarola geopfert, so bleibt doch die Ehre der
Republik damit gewahrt, daß man ihn nicht nach Rom ausliefert, sondern
in der Stadt selbst richten läßt!

Man kann über den Charakter dieses Streits nicht im Zweifel sein. An¬
statt ein Principienkampf im höchsten Stil zu sein, schrumpft er im Grund zu
recht bescheidenen Dimensionen zusammen. Nicht Glaube und Vernunft,
Autorität und Freiheit sind die Mächte die sich messen: es ist vielmehr eine
ganz persönliche Angelegenheit, eine Frage der Disciplin. Es werden Savo¬
narola wohl zuweilen Irrlehren vorgeworfen, aber sie werden nicht näher
bestimmt; sobald die Anklage untersucht wird, zerfällt stein Nichts, und der
Papst beharrt nicht auf ihr. Es ist einfach der Ungehorsam, warum dieser so
erbittert auf den Dominicaner ist. Noch in seiner letzten Anklage, dem Breve
vom März 1498, schreibt er an die Florentiner: "wir verdammen ihn nicht
um seiner Handlungen willen, die gut sein mögen, sondern wir verlangen,
daß er herkomme und wegen seines unerträglichen Hochmuths um Verzeihung
bitte, und werden ihm dieselbe gern gewähren, sobald er sich uns reuig zu
Füßen wirft." Die Befehle des Papstes aber hat Savonarola mißachtet, weil
er den politischen Charakter der ganzen Verfolgung erkennt und darum
keinen Gehorsam schuldig zu sein glaubt: "Sie wollen die Verfassung ändern,
Wollen einen Tyrannen einsetzen und kümmern sich nicht darum, ob die


Seiten. Der Papst wiederholt die alten Mittel und ersinnt neue, um Savo¬
narola, die Seele der florentiner Politik, unschädlich zu machen. Er will
das Kloster von San Marco, dessen Unabhängigkeit er selbst genehmigt hat,
wieder in seinen früheren Verband der lombardischen Congregation einsägen,
ein Mittel um Savonarola beliebig nach anderen Orten schicken zu können.
Aber der Prior von San Marco antwortet mit einem Protest. Der Papst
gebietet ihm aufs Neue zu schweigen. Aber die Signoria selbst dringt, als
das Vaterland wieder in Gefahr ist. in ihn durch seine Predigt den Muth
des Volks aufrechtzuhalten. Der Papst will das widerspänstige Kloster unter
einen von Rom abhängigen Vicar stellen. Aber auch dagegen protestict der
Prior, denn der Papst kann Nichts verordnen, „was gegen die christliche
Liebe und das Heil unserer Seelen streitet." Endlich als die Arrabiati am
Ruder sind, läßt der Papst die Excommunieationsbulle los, es folgen end¬
lose Verhandlungen zwischen den Behörden und dem Papst, dieser droht mit
dem Interdict, mit Repressalien gegen die florentiner Kaufleute in Rom, in
Florenz wird man verdrießlich, man hat mit dem Papst noch über andere
Dinge zu verhandeln, z. B. über die Besteuerung der geistlichen Güter, wozu
man den guten Willen desselben braucht. Kurz, es läßt sich leicht voraus¬
sehen, wie schließlich der Streit enden wird. Die Sache des Mönchs und
das Wohl der Republik sind nicht mehr identisch, fallen nicht mehr in die¬
selbe Wagschale. Wird Savonarola geopfert, so bleibt doch die Ehre der
Republik damit gewahrt, daß man ihn nicht nach Rom ausliefert, sondern
in der Stadt selbst richten läßt!

Man kann über den Charakter dieses Streits nicht im Zweifel sein. An¬
statt ein Principienkampf im höchsten Stil zu sein, schrumpft er im Grund zu
recht bescheidenen Dimensionen zusammen. Nicht Glaube und Vernunft,
Autorität und Freiheit sind die Mächte die sich messen: es ist vielmehr eine
ganz persönliche Angelegenheit, eine Frage der Disciplin. Es werden Savo¬
narola wohl zuweilen Irrlehren vorgeworfen, aber sie werden nicht näher
bestimmt; sobald die Anklage untersucht wird, zerfällt stein Nichts, und der
Papst beharrt nicht auf ihr. Es ist einfach der Ungehorsam, warum dieser so
erbittert auf den Dominicaner ist. Noch in seiner letzten Anklage, dem Breve
vom März 1498, schreibt er an die Florentiner: „wir verdammen ihn nicht
um seiner Handlungen willen, die gut sein mögen, sondern wir verlangen,
daß er herkomme und wegen seines unerträglichen Hochmuths um Verzeihung
bitte, und werden ihm dieselbe gern gewähren, sobald er sich uns reuig zu
Füßen wirft." Die Befehle des Papstes aber hat Savonarola mißachtet, weil
er den politischen Charakter der ganzen Verfolgung erkennt und darum
keinen Gehorsam schuldig zu sein glaubt: „Sie wollen die Verfassung ändern,
Wollen einen Tyrannen einsetzen und kümmern sich nicht darum, ob die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/161>, abgerufen am 28.09.2024.