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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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liebe sei, daß man das Frate und Nicht-Frate. Arrabiato und Nicht-Arra-
biato beseitige und endlich einmal dafür sorge, die Eintracht in der Stadt
herzustellen. Wenn man glaube, daß dies durch eine Feuerprobe geschehen
könne, so möge man die Mönche getrost nicht blos ins Feuer, sondern auch
ins Wasser, in die Luft und in die Erde gehen lassen; wenn aber nicht, so
solle man sich um die Stadt bekümmern und nicht um die Mönche.

Wie Ebbe und Fluth geht es einige Jahre mit der Popularität des
Mönchs auf und nieder. Sieht man genauer zu, so steht sie immer in
Wechselwirkung mit den politischen Schicksalen der Stadt. So oft eine große
Gefahr droht, die Republik von der Zahl ihrer Feinde erdrückt zu werden
scheint, oder im Innern Noth und Seuche ganz unerträglichen Grad erreicht,
so umdrängt Alles angstvoll den bewährten Propheten, der diese Strafen
vorausgesagt, der jetzt allein helfen kann, er wird bestürmt, die Kanzel zu
besteigen, auch ein Verbot des Papstes wird in solchen Augenblicken für
Nichts geachtet, in den berauschenden Worten des Frate sucht die Menge
Trost, und wenn nun, wie bei damaliger Art der Kriegführung und bei der Un-
zuverlässigkeit der Bündnisse häufig vorkam, eine jener plötzlichen Wendungen
eintritt, welche der bedrängten Republik wieder Luft schafft, so sind die An¬
hänger des Frate, der geholfen hat, wieder allmächtig in der Stadt. Lange
ließ der Rückschlag nie auf sich warten.

Florenz war fast diese ganze Zeit über in einer anscheinend verzweifelten
Lage. Anders als zu Lorenzo's Zeiten, dessen geschickte Diplomatie vom
Mittelpunkt aus die anderen Mächte der Halbinsel im Schach gehalten hatte,
war die Stadt seit Pietro's Vertreibung das Ziel des vereinigten Hasses
Aller, Gegenstand ewiger Befehdung von Seite Neapels und Mailands,
Venedigs und Pisas, des Papstes und des Kaisers, und nur die Zwietracht
und Jnteressenverschiedenhett dieser Liga ließ die Republik immer wieder
ihren Gefahren entrinnen. Die Motive dieses Hasses waren zusammengesetzter
Art. Florenz war auf keine Weise dazu zu bringen, vom französischen Bündniß
abzustehen und der nationalen Liga beizutreten, die im März 149S zur Auf¬
rechthaltung der Integrität Italiens und zur Vertreibung der Barbaren ge¬
schlossen wurde. In der Freundschaft des Königs von Frankreich sah die
Republik die einzige Garantie ihrer Unabhängigkeit, und sie ließ von ihm
nicht, auch als er sich fortwährend aufs Treuloseste gegen sie benahm. auch
dann nicht, als die Liga ausdrücklich die republicanische Staatsform an¬
erkennen wollte, wenn Florenz beiträte, ein Versprechen, dem die Florentiner
allerdings mit gutem Grund nicht trauen mochten. Pietro trieb sich fort¬
während bei den feindlichen Heeren herum, obwohl es Niemand mit seiner
Einsetzung rechter Ernst war. Denn Moro selbst streckte die Hand nach der
Republik aus und auch Borgia suchte eine Gelegenheit, für seine Söhne im


liebe sei, daß man das Frate und Nicht-Frate. Arrabiato und Nicht-Arra-
biato beseitige und endlich einmal dafür sorge, die Eintracht in der Stadt
herzustellen. Wenn man glaube, daß dies durch eine Feuerprobe geschehen
könne, so möge man die Mönche getrost nicht blos ins Feuer, sondern auch
ins Wasser, in die Luft und in die Erde gehen lassen; wenn aber nicht, so
solle man sich um die Stadt bekümmern und nicht um die Mönche.

Wie Ebbe und Fluth geht es einige Jahre mit der Popularität des
Mönchs auf und nieder. Sieht man genauer zu, so steht sie immer in
Wechselwirkung mit den politischen Schicksalen der Stadt. So oft eine große
Gefahr droht, die Republik von der Zahl ihrer Feinde erdrückt zu werden
scheint, oder im Innern Noth und Seuche ganz unerträglichen Grad erreicht,
so umdrängt Alles angstvoll den bewährten Propheten, der diese Strafen
vorausgesagt, der jetzt allein helfen kann, er wird bestürmt, die Kanzel zu
besteigen, auch ein Verbot des Papstes wird in solchen Augenblicken für
Nichts geachtet, in den berauschenden Worten des Frate sucht die Menge
Trost, und wenn nun, wie bei damaliger Art der Kriegführung und bei der Un-
zuverlässigkeit der Bündnisse häufig vorkam, eine jener plötzlichen Wendungen
eintritt, welche der bedrängten Republik wieder Luft schafft, so sind die An¬
hänger des Frate, der geholfen hat, wieder allmächtig in der Stadt. Lange
ließ der Rückschlag nie auf sich warten.

Florenz war fast diese ganze Zeit über in einer anscheinend verzweifelten
Lage. Anders als zu Lorenzo's Zeiten, dessen geschickte Diplomatie vom
Mittelpunkt aus die anderen Mächte der Halbinsel im Schach gehalten hatte,
war die Stadt seit Pietro's Vertreibung das Ziel des vereinigten Hasses
Aller, Gegenstand ewiger Befehdung von Seite Neapels und Mailands,
Venedigs und Pisas, des Papstes und des Kaisers, und nur die Zwietracht
und Jnteressenverschiedenhett dieser Liga ließ die Republik immer wieder
ihren Gefahren entrinnen. Die Motive dieses Hasses waren zusammengesetzter
Art. Florenz war auf keine Weise dazu zu bringen, vom französischen Bündniß
abzustehen und der nationalen Liga beizutreten, die im März 149S zur Auf¬
rechthaltung der Integrität Italiens und zur Vertreibung der Barbaren ge¬
schlossen wurde. In der Freundschaft des Königs von Frankreich sah die
Republik die einzige Garantie ihrer Unabhängigkeit, und sie ließ von ihm
nicht, auch als er sich fortwährend aufs Treuloseste gegen sie benahm. auch
dann nicht, als die Liga ausdrücklich die republicanische Staatsform an¬
erkennen wollte, wenn Florenz beiträte, ein Versprechen, dem die Florentiner
allerdings mit gutem Grund nicht trauen mochten. Pietro trieb sich fort¬
während bei den feindlichen Heeren herum, obwohl es Niemand mit seiner
Einsetzung rechter Ernst war. Denn Moro selbst streckte die Hand nach der
Republik aus und auch Borgia suchte eine Gelegenheit, für seine Söhne im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/158>, abgerufen am 28.09.2024.