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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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konnte durch eine Verfassung, welche die Bürgerschaft zum Souverän machte,
am wenigsten unterdrückt werden, und gerade die Vermischung von Politik
und Religion, der theokratische Charakter, den Savonarola der Republik auf¬
drückte, mußte die Leidenschaften nur noch mehr erhitzen. Man erkennt dies
aus der populären Literatur, die sich in diesen Parteikämpfen entwickelte,
aus den politischen Broschüren, die damals von dem einen Lager in das
andere geschleudert wurden und deren Mittelpunkt Savonarola ist, der das
eine Mal als ein wunderthätiger Heiliger, das andere Mal als gemeiner Be¬
trüger erscheint. Dieses Treiben mußte selbst denen bedenklich sein, die in
Savonarola wirklich den untadelhafter Reformator verehrten. Es ist doch
bezeichnend, daß kaum nach Feststellung der Verfassung schon zu Anfang des
Jahrs 1496 eine Signoria im Amt ist, die gar wenig Sympathien für Sa¬
vonarola hat, und ein Gonfaloniere, der Klage darüber führt, daß der Mönch
sich in die Angelegenheiten der Regierung mische. Der Haß der Gegenpartei
gegen ihn stieg rasch dermaßen, daß er schon im Juli desselben Jahrs dem
Papst schreibt, er könne nicht mehr ausgehen ohne bewaffnete Begleitung.
Im December des folgenden Jahrs predigt er, daß man die Feinde aus dem
großen Rath vertreiben und die Anzahl der Mitglieder auf die Gutgesinnten
beschränken müsse, und als Valori, anstatt diesen gewaltthätigen Rath zu
befolgen, umgekehrt das Wahlrecht ausdehnt und das gesetzliche Alter für
die Mitglieder vom 30. auf das 24. Lebensjahr herabsetzt, so ist die Folge
die, daß die sittenlose Jugend der Arrabiati, die sogenannten Compagnacci,
welche die geschworenen Feinde der Reformen Savonarola's sind, in den
Rath dringt. So wenig ist durch die neue Verfassung die Republik im
Sinne Savonarola's gesichert, daß im März und April 1497 ein Anhänger
der Medici zum Gonfaloniere gewählt wird, und als ein Versuch Pietro's,
dies zu benutzen und mit Hilfe seiner Anhänger die Stadt wiederzugewinnen,
scheitert und seine Partei unterliegt, sind es nicht die Piagnonen, sondern
die Arrabiati, welche im Mai ans Ruder kommen. Von da an werden die
Anschläge dieser Partei immer frecher, es kommt zu Tumulten und die
Signoria erwägt bereits, ob nicht die Ordnung am besten durch die Aus¬
weisung des Mönchs wiederherzustellen sei. Zwar kommen wieder die Piagnonen
obenauf, aber nicht auf die Dauer, und als die Republik anfängt in den
Streit Savonarola's mit dem Papst verwickelt zu werden, schmilzt die Partei
immer mehr zusammen. Auch Verehrer desselben mochten sich sagen, daß
seine Agitation, anstatt den Frieden dauernd zu sichern, ihn vielmehr er-
schwerte, und es waren sicher nicht die schlechtesten Patrioten, in deren
Namen in der Pratica vom 30. März 1498, als über die Feuerprobe debattirt
wurde, Girolamo Ruccellai die Worte sprach: es scheine ihm, daß von dieser
ganzen Angelegenheit viel zu viel Aufhebens gemacht werde. Das Wesent-


Grenzboten I. 18K9. 19

konnte durch eine Verfassung, welche die Bürgerschaft zum Souverän machte,
am wenigsten unterdrückt werden, und gerade die Vermischung von Politik
und Religion, der theokratische Charakter, den Savonarola der Republik auf¬
drückte, mußte die Leidenschaften nur noch mehr erhitzen. Man erkennt dies
aus der populären Literatur, die sich in diesen Parteikämpfen entwickelte,
aus den politischen Broschüren, die damals von dem einen Lager in das
andere geschleudert wurden und deren Mittelpunkt Savonarola ist, der das
eine Mal als ein wunderthätiger Heiliger, das andere Mal als gemeiner Be¬
trüger erscheint. Dieses Treiben mußte selbst denen bedenklich sein, die in
Savonarola wirklich den untadelhafter Reformator verehrten. Es ist doch
bezeichnend, daß kaum nach Feststellung der Verfassung schon zu Anfang des
Jahrs 1496 eine Signoria im Amt ist, die gar wenig Sympathien für Sa¬
vonarola hat, und ein Gonfaloniere, der Klage darüber führt, daß der Mönch
sich in die Angelegenheiten der Regierung mische. Der Haß der Gegenpartei
gegen ihn stieg rasch dermaßen, daß er schon im Juli desselben Jahrs dem
Papst schreibt, er könne nicht mehr ausgehen ohne bewaffnete Begleitung.
Im December des folgenden Jahrs predigt er, daß man die Feinde aus dem
großen Rath vertreiben und die Anzahl der Mitglieder auf die Gutgesinnten
beschränken müsse, und als Valori, anstatt diesen gewaltthätigen Rath zu
befolgen, umgekehrt das Wahlrecht ausdehnt und das gesetzliche Alter für
die Mitglieder vom 30. auf das 24. Lebensjahr herabsetzt, so ist die Folge
die, daß die sittenlose Jugend der Arrabiati, die sogenannten Compagnacci,
welche die geschworenen Feinde der Reformen Savonarola's sind, in den
Rath dringt. So wenig ist durch die neue Verfassung die Republik im
Sinne Savonarola's gesichert, daß im März und April 1497 ein Anhänger
der Medici zum Gonfaloniere gewählt wird, und als ein Versuch Pietro's,
dies zu benutzen und mit Hilfe seiner Anhänger die Stadt wiederzugewinnen,
scheitert und seine Partei unterliegt, sind es nicht die Piagnonen, sondern
die Arrabiati, welche im Mai ans Ruder kommen. Von da an werden die
Anschläge dieser Partei immer frecher, es kommt zu Tumulten und die
Signoria erwägt bereits, ob nicht die Ordnung am besten durch die Aus¬
weisung des Mönchs wiederherzustellen sei. Zwar kommen wieder die Piagnonen
obenauf, aber nicht auf die Dauer, und als die Republik anfängt in den
Streit Savonarola's mit dem Papst verwickelt zu werden, schmilzt die Partei
immer mehr zusammen. Auch Verehrer desselben mochten sich sagen, daß
seine Agitation, anstatt den Frieden dauernd zu sichern, ihn vielmehr er-
schwerte, und es waren sicher nicht die schlechtesten Patrioten, in deren
Namen in der Pratica vom 30. März 1498, als über die Feuerprobe debattirt
wurde, Girolamo Ruccellai die Worte sprach: es scheine ihm, daß von dieser
ganzen Angelegenheit viel zu viel Aufhebens gemacht werde. Das Wesent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/157>, abgerufen am 28.09.2024.