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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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beschluß vertheidigte. Unbezweifelt aber sind die Verdienste, welche er sich
auf socialem Gebiete und als Schriftsteller erworben. Was Ersteres anlangt,
so ist seiner Initiative wesentlich die Errichtung der Handwerksherbergen
"Zur Heimath" zu denken, welche dermalen schon in großer Anzahl in den
verschiedensten deutschen Städten bestehen und einen segensreichen Einfluß
geübt haben. Auf dem Gebiete der Literatur liegen uns drei Werke vor,
welche seinem Namen eine ehrenvolle Stellung sichern. Das erste ist das
wenigstgekannte: "Das deutsche Staatsleben vor der Revolution", obwohl es
ein höchst anschauliches, auf tüchtigen Studien beruhendes Bild jener Zeit
gibt, von der wir schon so weit getrennt sind, in der aber doch unsere Gro߬
väter noch lebten und mit der wir, trotz der Revolution, die sich scheidend zwi¬
schen uns und sie gelagert, doch mit so starken Fäden verknüpft sind. Weit
größeren Einfluß gewann das "Leben von Friedrich Perthes", welches von
1848--1855 in drei Bänden erschien. Es muß zugegeben werden, daß die
liebevolle Hand des Sohnes Manches in dem Bilde des Vaters idealisirt hat;
aber derselbe bleibt eine bedeutende Persönlichkeit, sowohl durch den thätigen
Antheil, den er an der Erhebung Deutschlands und speciell Hamburgs gegen
die Fremdherrschaft nahm, als durch die hervorragende Stellung, die ihm
in der Geschichte und Entwickelung des deutschen Buchhandels gebührt;
namentlich hat auch der Verfasser in dem Buche seiner Mutter Caroline Perthes
ein Denkmal gesetzt, welches ihr einen Platz in der Geschichte edler deutscher
Frauen sichert. Indeß die eigentliche Bedeutung der Biographie liegt in
ihren wichtigen Beiträgen zur Zeitgeschichte; Friedrich Perthes hatte die aus-
gebreitetsten persönlichen Beziehungen, kaum ein bedeutender Mann lebte in
Deutschland den er nicht kannte oder mit dem er nicht correspondirte; dabei
war er bet aller Tüchtigkeit eine Natur von fast weiblicher Empfänglichkeit,
gleichsam "ein Ohr der Zeit". Der Sohn hat, um nirgend anzustoßen, bei
der Mehrzahl der mitgetheilten Briefe die Namen der Verfasser weggelassen
und doch fühlen wir jedesmal, daß der Betreffende ein Recht hatte als Re¬
präsentant einer Richtung so zu sprechen. Es hängt das mit dem großen
Verdienste des Werkes zusammen, daß es ein wirklich künstlerisch durchge¬
arbeitetes Ganze ist, keine bloße Materialiensammlung oder Memoiren über
den Mann. Wie anders hätte noch Stein's Leben wirken können, wenn ihm
eine ähnliche Bearbeitung zu Theil geworden wäre! Abgesehen von den Barn-
hagen'schen Schriften hat von den Helden jener großen Zeit nur Uork in
Droysen einen wirklichen Biographen gefunden. Wenn wir daneben das Buch
über Friedrich Perthes nennen dürfen, von dem z. B. der verewigte Tocque-
ville uns einmal sagte, daß er für die deutsche Geschichte der Zeit daraus
am meisten gelernt habe, so ist das wesentlich das Verdienst des Sohnes.

Nach Vollendung desselben faßte Perthes jenes Werk über die Geschichte


beschluß vertheidigte. Unbezweifelt aber sind die Verdienste, welche er sich
auf socialem Gebiete und als Schriftsteller erworben. Was Ersteres anlangt,
so ist seiner Initiative wesentlich die Errichtung der Handwerksherbergen
»Zur Heimath" zu denken, welche dermalen schon in großer Anzahl in den
verschiedensten deutschen Städten bestehen und einen segensreichen Einfluß
geübt haben. Auf dem Gebiete der Literatur liegen uns drei Werke vor,
welche seinem Namen eine ehrenvolle Stellung sichern. Das erste ist das
wenigstgekannte: „Das deutsche Staatsleben vor der Revolution", obwohl es
ein höchst anschauliches, auf tüchtigen Studien beruhendes Bild jener Zeit
gibt, von der wir schon so weit getrennt sind, in der aber doch unsere Gro߬
väter noch lebten und mit der wir, trotz der Revolution, die sich scheidend zwi¬
schen uns und sie gelagert, doch mit so starken Fäden verknüpft sind. Weit
größeren Einfluß gewann das „Leben von Friedrich Perthes", welches von
1848—1855 in drei Bänden erschien. Es muß zugegeben werden, daß die
liebevolle Hand des Sohnes Manches in dem Bilde des Vaters idealisirt hat;
aber derselbe bleibt eine bedeutende Persönlichkeit, sowohl durch den thätigen
Antheil, den er an der Erhebung Deutschlands und speciell Hamburgs gegen
die Fremdherrschaft nahm, als durch die hervorragende Stellung, die ihm
in der Geschichte und Entwickelung des deutschen Buchhandels gebührt;
namentlich hat auch der Verfasser in dem Buche seiner Mutter Caroline Perthes
ein Denkmal gesetzt, welches ihr einen Platz in der Geschichte edler deutscher
Frauen sichert. Indeß die eigentliche Bedeutung der Biographie liegt in
ihren wichtigen Beiträgen zur Zeitgeschichte; Friedrich Perthes hatte die aus-
gebreitetsten persönlichen Beziehungen, kaum ein bedeutender Mann lebte in
Deutschland den er nicht kannte oder mit dem er nicht correspondirte; dabei
war er bet aller Tüchtigkeit eine Natur von fast weiblicher Empfänglichkeit,
gleichsam „ein Ohr der Zeit". Der Sohn hat, um nirgend anzustoßen, bei
der Mehrzahl der mitgetheilten Briefe die Namen der Verfasser weggelassen
und doch fühlen wir jedesmal, daß der Betreffende ein Recht hatte als Re¬
präsentant einer Richtung so zu sprechen. Es hängt das mit dem großen
Verdienste des Werkes zusammen, daß es ein wirklich künstlerisch durchge¬
arbeitetes Ganze ist, keine bloße Materialiensammlung oder Memoiren über
den Mann. Wie anders hätte noch Stein's Leben wirken können, wenn ihm
eine ähnliche Bearbeitung zu Theil geworden wäre! Abgesehen von den Barn-
hagen'schen Schriften hat von den Helden jener großen Zeit nur Uork in
Droysen einen wirklichen Biographen gefunden. Wenn wir daneben das Buch
über Friedrich Perthes nennen dürfen, von dem z. B. der verewigte Tocque-
ville uns einmal sagte, daß er für die deutsche Geschichte der Zeit daraus
am meisten gelernt habe, so ist das wesentlich das Verdienst des Sohnes.

Nach Vollendung desselben faßte Perthes jenes Werk über die Geschichte


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[0135] beschluß vertheidigte. Unbezweifelt aber sind die Verdienste, welche er sich auf socialem Gebiete und als Schriftsteller erworben. Was Ersteres anlangt, so ist seiner Initiative wesentlich die Errichtung der Handwerksherbergen »Zur Heimath" zu denken, welche dermalen schon in großer Anzahl in den verschiedensten deutschen Städten bestehen und einen segensreichen Einfluß geübt haben. Auf dem Gebiete der Literatur liegen uns drei Werke vor, welche seinem Namen eine ehrenvolle Stellung sichern. Das erste ist das wenigstgekannte: „Das deutsche Staatsleben vor der Revolution", obwohl es ein höchst anschauliches, auf tüchtigen Studien beruhendes Bild jener Zeit gibt, von der wir schon so weit getrennt sind, in der aber doch unsere Gro߬ väter noch lebten und mit der wir, trotz der Revolution, die sich scheidend zwi¬ schen uns und sie gelagert, doch mit so starken Fäden verknüpft sind. Weit größeren Einfluß gewann das „Leben von Friedrich Perthes", welches von 1848—1855 in drei Bänden erschien. Es muß zugegeben werden, daß die liebevolle Hand des Sohnes Manches in dem Bilde des Vaters idealisirt hat; aber derselbe bleibt eine bedeutende Persönlichkeit, sowohl durch den thätigen Antheil, den er an der Erhebung Deutschlands und speciell Hamburgs gegen die Fremdherrschaft nahm, als durch die hervorragende Stellung, die ihm in der Geschichte und Entwickelung des deutschen Buchhandels gebührt; namentlich hat auch der Verfasser in dem Buche seiner Mutter Caroline Perthes ein Denkmal gesetzt, welches ihr einen Platz in der Geschichte edler deutscher Frauen sichert. Indeß die eigentliche Bedeutung der Biographie liegt in ihren wichtigen Beiträgen zur Zeitgeschichte; Friedrich Perthes hatte die aus- gebreitetsten persönlichen Beziehungen, kaum ein bedeutender Mann lebte in Deutschland den er nicht kannte oder mit dem er nicht correspondirte; dabei war er bet aller Tüchtigkeit eine Natur von fast weiblicher Empfänglichkeit, gleichsam „ein Ohr der Zeit". Der Sohn hat, um nirgend anzustoßen, bei der Mehrzahl der mitgetheilten Briefe die Namen der Verfasser weggelassen und doch fühlen wir jedesmal, daß der Betreffende ein Recht hatte als Re¬ präsentant einer Richtung so zu sprechen. Es hängt das mit dem großen Verdienste des Werkes zusammen, daß es ein wirklich künstlerisch durchge¬ arbeitetes Ganze ist, keine bloße Materialiensammlung oder Memoiren über den Mann. Wie anders hätte noch Stein's Leben wirken können, wenn ihm eine ähnliche Bearbeitung zu Theil geworden wäre! Abgesehen von den Barn- hagen'schen Schriften hat von den Helden jener großen Zeit nur Uork in Droysen einen wirklichen Biographen gefunden. Wenn wir daneben das Buch über Friedrich Perthes nennen dürfen, von dem z. B. der verewigte Tocque- ville uns einmal sagte, daß er für die deutsche Geschichte der Zeit daraus am meisten gelernt habe, so ist das wesentlich das Verdienst des Sohnes. Nach Vollendung desselben faßte Perthes jenes Werk über die Geschichte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/135>, abgerufen am 28.09.2024.