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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Landvolkes stünde in Aussicht, wenn der gediente Soldat mit nur einiger¬
maßen gereinigten und aufgeklärten Ansichten in sein heimathliches Dorf
zurückkehren würde! Mit Recht stützt sich die Regierung in ihrem Kampf
mit der ultramontanen Partei auf die Volksschule; aber es ist dies nur ein
sehr weitaussehendes Mittel; die Militärschule wirkt drastischer und schneller!




Die Conferenz.

Die Conferenz, welche dem türkisch-griechischen Conflict ein Ende machen
soll, hat ihre Sitzungen begonnen; die Gesandten hatten ihre Vollmachten in
größter Eile erhalten, alle Großmächte bemühen sich ehrlich oder gezwungen,
ihre Friedliche zu bethätigen; noch sind die Beschlüsse der Conferenz ein Ge¬
heimniß, aber der Börsentelegraph berichtet von allen Seiten: Course steigend
bei lebhaftem Geschäft.

Freilich der Zusammentritt der Conferenz wurde nur ermöglicht, weil
die Großmächte von der Voraussetzung ausgingen, oder sich den Anschein
der Ueberzeugung gaben, daß ihre ausgesprochene Sentenz genügen werde,
die Kriegsfunken im Orient aufzublasen. Diese Annahme scheint uns wenig
Berechtigung zu haben. Zunächst wird man die Dispositionen der beiden
streitenden Theile im Auge behalten müssen, und diese gehen keineswegs auf
friedliche Beilegung des Zwistes. In Constantinopel war man natürlich so
wenig als zu Athen in der Lage eine von den Großmächten vorgeschlagene
Conferenz abzulehnen, aber man fährt fort sich auf den Bruch vorzubereiten,
welchen man im Grunde will. Griechenland, weil es nicht wehr zurückkann
ohne eine innere Krisis der ernstesten Art heraufzubeschwören; die Pforte,
weil sie endlich den Wühlereien ein Ende machen möchte, die fast in allen
Provinzen auf ihren Sturz arbeiten, und weil sie den Zeitpunkt dazu für
günstig hält.

In Athen hat die Regierung sich einen großen Credit von der Kammer
bewilligen lassen und eine Proclamation an das hellenische Volk erlassen, in
der sie versichert, sie sei unablässig beschäftigt die Mittel zu finden, welche
zur Wahrung der Rechte des Landes und der nationalen Ehre nöthig seien;
die unterzeichneten Minister hätten überall Comites gebildet um von Seiten
des Volks auch die materiellen Mittel herbeizuschaffen, welche für jede Action
unentbehrlich seien. Diese Proclamation wurde, wie der Osuirier Ä'^eueres
meldet, "mit unbeschreiblicher Begeisterung" aufgenommen, "da alle Welt den


Landvolkes stünde in Aussicht, wenn der gediente Soldat mit nur einiger¬
maßen gereinigten und aufgeklärten Ansichten in sein heimathliches Dorf
zurückkehren würde! Mit Recht stützt sich die Regierung in ihrem Kampf
mit der ultramontanen Partei auf die Volksschule; aber es ist dies nur ein
sehr weitaussehendes Mittel; die Militärschule wirkt drastischer und schneller!




Die Conferenz.

Die Conferenz, welche dem türkisch-griechischen Conflict ein Ende machen
soll, hat ihre Sitzungen begonnen; die Gesandten hatten ihre Vollmachten in
größter Eile erhalten, alle Großmächte bemühen sich ehrlich oder gezwungen,
ihre Friedliche zu bethätigen; noch sind die Beschlüsse der Conferenz ein Ge¬
heimniß, aber der Börsentelegraph berichtet von allen Seiten: Course steigend
bei lebhaftem Geschäft.

Freilich der Zusammentritt der Conferenz wurde nur ermöglicht, weil
die Großmächte von der Voraussetzung ausgingen, oder sich den Anschein
der Ueberzeugung gaben, daß ihre ausgesprochene Sentenz genügen werde,
die Kriegsfunken im Orient aufzublasen. Diese Annahme scheint uns wenig
Berechtigung zu haben. Zunächst wird man die Dispositionen der beiden
streitenden Theile im Auge behalten müssen, und diese gehen keineswegs auf
friedliche Beilegung des Zwistes. In Constantinopel war man natürlich so
wenig als zu Athen in der Lage eine von den Großmächten vorgeschlagene
Conferenz abzulehnen, aber man fährt fort sich auf den Bruch vorzubereiten,
welchen man im Grunde will. Griechenland, weil es nicht wehr zurückkann
ohne eine innere Krisis der ernstesten Art heraufzubeschwören; die Pforte,
weil sie endlich den Wühlereien ein Ende machen möchte, die fast in allen
Provinzen auf ihren Sturz arbeiten, und weil sie den Zeitpunkt dazu für
günstig hält.

In Athen hat die Regierung sich einen großen Credit von der Kammer
bewilligen lassen und eine Proclamation an das hellenische Volk erlassen, in
der sie versichert, sie sei unablässig beschäftigt die Mittel zu finden, welche
zur Wahrung der Rechte des Landes und der nationalen Ehre nöthig seien;
die unterzeichneten Minister hätten überall Comites gebildet um von Seiten
des Volks auch die materiellen Mittel herbeizuschaffen, welche für jede Action
unentbehrlich seien. Diese Proclamation wurde, wie der Osuirier Ä'^eueres
meldet, „mit unbeschreiblicher Begeisterung" aufgenommen, „da alle Welt den


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[0122] Landvolkes stünde in Aussicht, wenn der gediente Soldat mit nur einiger¬ maßen gereinigten und aufgeklärten Ansichten in sein heimathliches Dorf zurückkehren würde! Mit Recht stützt sich die Regierung in ihrem Kampf mit der ultramontanen Partei auf die Volksschule; aber es ist dies nur ein sehr weitaussehendes Mittel; die Militärschule wirkt drastischer und schneller! Die Conferenz. Die Conferenz, welche dem türkisch-griechischen Conflict ein Ende machen soll, hat ihre Sitzungen begonnen; die Gesandten hatten ihre Vollmachten in größter Eile erhalten, alle Großmächte bemühen sich ehrlich oder gezwungen, ihre Friedliche zu bethätigen; noch sind die Beschlüsse der Conferenz ein Ge¬ heimniß, aber der Börsentelegraph berichtet von allen Seiten: Course steigend bei lebhaftem Geschäft. Freilich der Zusammentritt der Conferenz wurde nur ermöglicht, weil die Großmächte von der Voraussetzung ausgingen, oder sich den Anschein der Ueberzeugung gaben, daß ihre ausgesprochene Sentenz genügen werde, die Kriegsfunken im Orient aufzublasen. Diese Annahme scheint uns wenig Berechtigung zu haben. Zunächst wird man die Dispositionen der beiden streitenden Theile im Auge behalten müssen, und diese gehen keineswegs auf friedliche Beilegung des Zwistes. In Constantinopel war man natürlich so wenig als zu Athen in der Lage eine von den Großmächten vorgeschlagene Conferenz abzulehnen, aber man fährt fort sich auf den Bruch vorzubereiten, welchen man im Grunde will. Griechenland, weil es nicht wehr zurückkann ohne eine innere Krisis der ernstesten Art heraufzubeschwören; die Pforte, weil sie endlich den Wühlereien ein Ende machen möchte, die fast in allen Provinzen auf ihren Sturz arbeiten, und weil sie den Zeitpunkt dazu für günstig hält. In Athen hat die Regierung sich einen großen Credit von der Kammer bewilligen lassen und eine Proclamation an das hellenische Volk erlassen, in der sie versichert, sie sei unablässig beschäftigt die Mittel zu finden, welche zur Wahrung der Rechte des Landes und der nationalen Ehre nöthig seien; die unterzeichneten Minister hätten überall Comites gebildet um von Seiten des Volks auch die materiellen Mittel herbeizuschaffen, welche für jede Action unentbehrlich seien. Diese Proclamation wurde, wie der Osuirier Ä'^eueres meldet, „mit unbeschreiblicher Begeisterung" aufgenommen, „da alle Welt den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/122>, abgerufen am 28.09.2024.