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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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rant von der Tann, Generalmajor Fuchs, Oberst v, Boehmer, Hauptmann
Heute, ferner an die Artikel des nürnberger Anzeigers über Generallieutenant
v. Hartmann, die in der Armee umsomehr Erbitterung erzeugten, als die
deswegen eingeleiteten Untersuchungen in den meisten Fällen mit einer
Freisprechung durch die Geschworenen endeten.

Auch wo auf einen wirtlich wunden Fleck, auf eine wirklich untaug¬
liche Persönlichkeit an sich mit Recht hingedeutet wurde, geschah das in einer
so provocirenden, die Fehler eines Einzelnen so verallgemeinernden Weise,
daß auch dadurch nur böses Blut hervorgerufen wurde.

Zu diesen Angriffen in der Presse kamen fast gleichzeitig die Landwehr-
Revolten in Ober- und Niederbaiern, welche ebenfalls wenigstens indirect
eine Folge des Treibens der Ultramontanen waren.

Es war klar, daß das Vorgehen dieser Partei, welche den Hauptstock
der preußenfeindlichen Elemente in Baiern bildet, nicht nur die Ehre des
Osficierstandes schwer schädigte, sondern auch die Disciplin in der Armee zu
untergraben geeignet war. So kann es denn gar nicht Wunder nehmen,
daß wir die bairischen Officiere fast sämmtlich zu Preußen und preußischen
Institutionen sich hinneigen sehen, worunter ich natürlich nur das verstanden
wissen will, was ich oben bereits angedeutet habe. Wo sie in die Wahlen
zum Zollparlamente eingegriffen haben, geschah dies stets im Gegensatz zu
den preußenfeindlichen Parteien.

Woher nun die Abneigung eines großen Theils der Mannschaft gegen
Preußen komme, ist aus der obigen Darstellung von selbst klar. Daß die¬
selbe nicht erst durch den Krieg vom Jahre 1866 hervorgerufen wurde, ist
ganz sicher, weil sie ebenso bereits vor demselben im Heere grassirte. Nur
insofern mag sich hierin Etwas geändert haben, als die Erbitterung früher
eine Beimischung von Verachtung an sich trug, während sie nun in den
reinen Haß umgeschlagen ist. Die Ursache dieser Erscheinung ist wesentlich
darin zu suchen, daß der größte Theil der Soldaten der katholischen Land¬
bevölkerung entstammt, die sich bekanntlich fast nirgend von den ihr eingeimpf¬
ten Vorurtheilen gegen Preußen loszumachen gewußt hat; für unsere Bauern,
seien sie protestantisch oder katholisch, fällt überhaupt Preußen mit dem
Protestantismus und Oestreich mit dem Katholicismus in Eins zusammen
und die Politik dieser Leute macht sich rein vom Gesichtspunkt der Confession
des Einzelnen aus.

Hoffen wir auch hier von einer vernünftigen Einwirkung der Officiere
auf ihre Untergebenen und von den für die Mannschaften bestimmten mili¬
tärischen Bildungsanstalten das Beste. Hier wäre wirklich für die Regierung
ein Punkt gegeben, von wo aus sie die Agitation der ultramontanen Partei
ins Herz treffen könnte. Welcher Einfluß auf die ganze Denkungsart unseres


rant von der Tann, Generalmajor Fuchs, Oberst v, Boehmer, Hauptmann
Heute, ferner an die Artikel des nürnberger Anzeigers über Generallieutenant
v. Hartmann, die in der Armee umsomehr Erbitterung erzeugten, als die
deswegen eingeleiteten Untersuchungen in den meisten Fällen mit einer
Freisprechung durch die Geschworenen endeten.

Auch wo auf einen wirtlich wunden Fleck, auf eine wirklich untaug¬
liche Persönlichkeit an sich mit Recht hingedeutet wurde, geschah das in einer
so provocirenden, die Fehler eines Einzelnen so verallgemeinernden Weise,
daß auch dadurch nur böses Blut hervorgerufen wurde.

Zu diesen Angriffen in der Presse kamen fast gleichzeitig die Landwehr-
Revolten in Ober- und Niederbaiern, welche ebenfalls wenigstens indirect
eine Folge des Treibens der Ultramontanen waren.

Es war klar, daß das Vorgehen dieser Partei, welche den Hauptstock
der preußenfeindlichen Elemente in Baiern bildet, nicht nur die Ehre des
Osficierstandes schwer schädigte, sondern auch die Disciplin in der Armee zu
untergraben geeignet war. So kann es denn gar nicht Wunder nehmen,
daß wir die bairischen Officiere fast sämmtlich zu Preußen und preußischen
Institutionen sich hinneigen sehen, worunter ich natürlich nur das verstanden
wissen will, was ich oben bereits angedeutet habe. Wo sie in die Wahlen
zum Zollparlamente eingegriffen haben, geschah dies stets im Gegensatz zu
den preußenfeindlichen Parteien.

Woher nun die Abneigung eines großen Theils der Mannschaft gegen
Preußen komme, ist aus der obigen Darstellung von selbst klar. Daß die¬
selbe nicht erst durch den Krieg vom Jahre 1866 hervorgerufen wurde, ist
ganz sicher, weil sie ebenso bereits vor demselben im Heere grassirte. Nur
insofern mag sich hierin Etwas geändert haben, als die Erbitterung früher
eine Beimischung von Verachtung an sich trug, während sie nun in den
reinen Haß umgeschlagen ist. Die Ursache dieser Erscheinung ist wesentlich
darin zu suchen, daß der größte Theil der Soldaten der katholischen Land¬
bevölkerung entstammt, die sich bekanntlich fast nirgend von den ihr eingeimpf¬
ten Vorurtheilen gegen Preußen loszumachen gewußt hat; für unsere Bauern,
seien sie protestantisch oder katholisch, fällt überhaupt Preußen mit dem
Protestantismus und Oestreich mit dem Katholicismus in Eins zusammen
und die Politik dieser Leute macht sich rein vom Gesichtspunkt der Confession
des Einzelnen aus.

Hoffen wir auch hier von einer vernünftigen Einwirkung der Officiere
auf ihre Untergebenen und von den für die Mannschaften bestimmten mili¬
tärischen Bildungsanstalten das Beste. Hier wäre wirklich für die Regierung
ein Punkt gegeben, von wo aus sie die Agitation der ultramontanen Partei
ins Herz treffen könnte. Welcher Einfluß auf die ganze Denkungsart unseres


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[0121] rant von der Tann, Generalmajor Fuchs, Oberst v, Boehmer, Hauptmann Heute, ferner an die Artikel des nürnberger Anzeigers über Generallieutenant v. Hartmann, die in der Armee umsomehr Erbitterung erzeugten, als die deswegen eingeleiteten Untersuchungen in den meisten Fällen mit einer Freisprechung durch die Geschworenen endeten. Auch wo auf einen wirtlich wunden Fleck, auf eine wirklich untaug¬ liche Persönlichkeit an sich mit Recht hingedeutet wurde, geschah das in einer so provocirenden, die Fehler eines Einzelnen so verallgemeinernden Weise, daß auch dadurch nur böses Blut hervorgerufen wurde. Zu diesen Angriffen in der Presse kamen fast gleichzeitig die Landwehr- Revolten in Ober- und Niederbaiern, welche ebenfalls wenigstens indirect eine Folge des Treibens der Ultramontanen waren. Es war klar, daß das Vorgehen dieser Partei, welche den Hauptstock der preußenfeindlichen Elemente in Baiern bildet, nicht nur die Ehre des Osficierstandes schwer schädigte, sondern auch die Disciplin in der Armee zu untergraben geeignet war. So kann es denn gar nicht Wunder nehmen, daß wir die bairischen Officiere fast sämmtlich zu Preußen und preußischen Institutionen sich hinneigen sehen, worunter ich natürlich nur das verstanden wissen will, was ich oben bereits angedeutet habe. Wo sie in die Wahlen zum Zollparlamente eingegriffen haben, geschah dies stets im Gegensatz zu den preußenfeindlichen Parteien. Woher nun die Abneigung eines großen Theils der Mannschaft gegen Preußen komme, ist aus der obigen Darstellung von selbst klar. Daß die¬ selbe nicht erst durch den Krieg vom Jahre 1866 hervorgerufen wurde, ist ganz sicher, weil sie ebenso bereits vor demselben im Heere grassirte. Nur insofern mag sich hierin Etwas geändert haben, als die Erbitterung früher eine Beimischung von Verachtung an sich trug, während sie nun in den reinen Haß umgeschlagen ist. Die Ursache dieser Erscheinung ist wesentlich darin zu suchen, daß der größte Theil der Soldaten der katholischen Land¬ bevölkerung entstammt, die sich bekanntlich fast nirgend von den ihr eingeimpf¬ ten Vorurtheilen gegen Preußen loszumachen gewußt hat; für unsere Bauern, seien sie protestantisch oder katholisch, fällt überhaupt Preußen mit dem Protestantismus und Oestreich mit dem Katholicismus in Eins zusammen und die Politik dieser Leute macht sich rein vom Gesichtspunkt der Confession des Einzelnen aus. Hoffen wir auch hier von einer vernünftigen Einwirkung der Officiere auf ihre Untergebenen und von den für die Mannschaften bestimmten mili¬ tärischen Bildungsanstalten das Beste. Hier wäre wirklich für die Regierung ein Punkt gegeben, von wo aus sie die Agitation der ultramontanen Partei ins Herz treffen könnte. Welcher Einfluß auf die ganze Denkungsart unseres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/121>, abgerufen am 28.09.2024.