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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Soviel von der neuen Organisation und deren Durchführung.

Es ist indessen bekannt, daß nicht nur die Organisationsfrage, sondern
auch die Frage nach der Bewaffnung der Infanterie im Sinn der Annäherung
an Preußen der Erledigung harrte.

Die bairische Armee war im Jahre 1866 mit einem als Vorderlader
ausgezeichneten gezogenen Gewehre nach dem System des Obersten Podewils
bewaffnet, dem man, Angesichts der beiderseits fast gleichen Verluste im
Kriege von 1866, die Anerkennung nicht wird versagen können. Trotzdem
machte sich das Bedürfniß nach einem Hinterlader, wenn auch nicht so drin¬
gend, wie anderswo, auch in der bairischen Armee geltend und man beschloß
nach langen Berathungen, vor der Hand das vorhandene Gewehr in einen
solchen umzuändern. Mit diesem zu einem Hinterlader umgeänderten Pode-
wilsgewehre ist gegenwärtig die ganze bairische Armee bewaffnet, ohne daß
man demselben in seinem jetzigen Zustande besondere Vorzüge nachrühmen
könnte. Die neue Waffe hat keine Einheitspatrone, sondern bedarf einer
Zündkapsel, und schießt nun zwar in der Minute 4--5 Mal, hat aber auf
der andern Seite an Tragkraft und Treffsicherheit gegen früher bedeutend ein-
gebüßt. Auch wird der Verschlußapparat von Kennern keineswegs für hin¬
reichend solid gehalten.

Jedoch wird dasselbe allgemein, und zugestandener Maßen auch von
Seite unseres Kriegsministeriums, nur als ein Nothbehelf angesehen, dessen
man sich vor der Hand in der Erwägung bedient, daß auch das preußische
Zündnadelgewehr bereits seinen Meister gefunden hat und entweder einer
bedeutenden Umänderung und Verbesserung oder seiner gänzlichen Verdrängung
in nicht zu ferner Zeit entgegengeht. Für diesen Zwischenraum war denn
der von Baiern gewählte Ausweg allerdings der billigste.

Die Artillerie ist nunmehr durchgehends mit gezogenen Geschützen
nach preußischem Modell bewaffnet.

Nach alledem dürfen wir wohl die Hoffnung aussprechen, daß die bai-
risckie Armee sich würdig dem erprobten Heere des norddeutschen Bundes an¬
reihen wird, wenn die Allianzverträge vom September 1866 einstmals prak-
tisch werden sollten.




Zum Schlüsse über die Stimmung des bairischen Heeres noch einige
Worte vom nationalen Standpunkte aus.

In dieser Richtung ist nun merkwürdiger Weise genau zwischen dem
Officiercorps und der Mannschaft zu unterscheiden.

Während letztere zu einem großen Theil von einem für den Unein¬
geweihten völlig unbegreiflichen Haß gegen Preußen erfüllt ist, findet sich


Soviel von der neuen Organisation und deren Durchführung.

Es ist indessen bekannt, daß nicht nur die Organisationsfrage, sondern
auch die Frage nach der Bewaffnung der Infanterie im Sinn der Annäherung
an Preußen der Erledigung harrte.

Die bairische Armee war im Jahre 1866 mit einem als Vorderlader
ausgezeichneten gezogenen Gewehre nach dem System des Obersten Podewils
bewaffnet, dem man, Angesichts der beiderseits fast gleichen Verluste im
Kriege von 1866, die Anerkennung nicht wird versagen können. Trotzdem
machte sich das Bedürfniß nach einem Hinterlader, wenn auch nicht so drin¬
gend, wie anderswo, auch in der bairischen Armee geltend und man beschloß
nach langen Berathungen, vor der Hand das vorhandene Gewehr in einen
solchen umzuändern. Mit diesem zu einem Hinterlader umgeänderten Pode-
wilsgewehre ist gegenwärtig die ganze bairische Armee bewaffnet, ohne daß
man demselben in seinem jetzigen Zustande besondere Vorzüge nachrühmen
könnte. Die neue Waffe hat keine Einheitspatrone, sondern bedarf einer
Zündkapsel, und schießt nun zwar in der Minute 4—5 Mal, hat aber auf
der andern Seite an Tragkraft und Treffsicherheit gegen früher bedeutend ein-
gebüßt. Auch wird der Verschlußapparat von Kennern keineswegs für hin¬
reichend solid gehalten.

Jedoch wird dasselbe allgemein, und zugestandener Maßen auch von
Seite unseres Kriegsministeriums, nur als ein Nothbehelf angesehen, dessen
man sich vor der Hand in der Erwägung bedient, daß auch das preußische
Zündnadelgewehr bereits seinen Meister gefunden hat und entweder einer
bedeutenden Umänderung und Verbesserung oder seiner gänzlichen Verdrängung
in nicht zu ferner Zeit entgegengeht. Für diesen Zwischenraum war denn
der von Baiern gewählte Ausweg allerdings der billigste.

Die Artillerie ist nunmehr durchgehends mit gezogenen Geschützen
nach preußischem Modell bewaffnet.

Nach alledem dürfen wir wohl die Hoffnung aussprechen, daß die bai-
risckie Armee sich würdig dem erprobten Heere des norddeutschen Bundes an¬
reihen wird, wenn die Allianzverträge vom September 1866 einstmals prak-
tisch werden sollten.




Zum Schlüsse über die Stimmung des bairischen Heeres noch einige
Worte vom nationalen Standpunkte aus.

In dieser Richtung ist nun merkwürdiger Weise genau zwischen dem
Officiercorps und der Mannschaft zu unterscheiden.

Während letztere zu einem großen Theil von einem für den Unein¬
geweihten völlig unbegreiflichen Haß gegen Preußen erfüllt ist, findet sich


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[0119] Soviel von der neuen Organisation und deren Durchführung. Es ist indessen bekannt, daß nicht nur die Organisationsfrage, sondern auch die Frage nach der Bewaffnung der Infanterie im Sinn der Annäherung an Preußen der Erledigung harrte. Die bairische Armee war im Jahre 1866 mit einem als Vorderlader ausgezeichneten gezogenen Gewehre nach dem System des Obersten Podewils bewaffnet, dem man, Angesichts der beiderseits fast gleichen Verluste im Kriege von 1866, die Anerkennung nicht wird versagen können. Trotzdem machte sich das Bedürfniß nach einem Hinterlader, wenn auch nicht so drin¬ gend, wie anderswo, auch in der bairischen Armee geltend und man beschloß nach langen Berathungen, vor der Hand das vorhandene Gewehr in einen solchen umzuändern. Mit diesem zu einem Hinterlader umgeänderten Pode- wilsgewehre ist gegenwärtig die ganze bairische Armee bewaffnet, ohne daß man demselben in seinem jetzigen Zustande besondere Vorzüge nachrühmen könnte. Die neue Waffe hat keine Einheitspatrone, sondern bedarf einer Zündkapsel, und schießt nun zwar in der Minute 4—5 Mal, hat aber auf der andern Seite an Tragkraft und Treffsicherheit gegen früher bedeutend ein- gebüßt. Auch wird der Verschlußapparat von Kennern keineswegs für hin¬ reichend solid gehalten. Jedoch wird dasselbe allgemein, und zugestandener Maßen auch von Seite unseres Kriegsministeriums, nur als ein Nothbehelf angesehen, dessen man sich vor der Hand in der Erwägung bedient, daß auch das preußische Zündnadelgewehr bereits seinen Meister gefunden hat und entweder einer bedeutenden Umänderung und Verbesserung oder seiner gänzlichen Verdrängung in nicht zu ferner Zeit entgegengeht. Für diesen Zwischenraum war denn der von Baiern gewählte Ausweg allerdings der billigste. Die Artillerie ist nunmehr durchgehends mit gezogenen Geschützen nach preußischem Modell bewaffnet. Nach alledem dürfen wir wohl die Hoffnung aussprechen, daß die bai- risckie Armee sich würdig dem erprobten Heere des norddeutschen Bundes an¬ reihen wird, wenn die Allianzverträge vom September 1866 einstmals prak- tisch werden sollten. Zum Schlüsse über die Stimmung des bairischen Heeres noch einige Worte vom nationalen Standpunkte aus. In dieser Richtung ist nun merkwürdiger Weise genau zwischen dem Officiercorps und der Mannschaft zu unterscheiden. Während letztere zu einem großen Theil von einem für den Unein¬ geweihten völlig unbegreiflichen Haß gegen Preußen erfüllt ist, findet sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/119>, abgerufen am 28.09.2024.