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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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der früheren bairischen Wehrverfassung deswegen zu erkennen geglaubt, weil
hierdurch dem gebildeten Theil der Bevölkerung die Möglichkeit geboten
wurde, sich dem Heerdienste zu entziehen.

In der That machte jedoch der Kostspieligkeit halber hiervon nur ein
sehr geringer Theil der gebildeten Elemente (Studenten. Polytechniker)
Gebrauch.

Dieselben wurden vielmehr auf einem ganz anderen Wege der Armee
entzogen.

In der Erwägung, daß für einen in seinen Vorstudien begriffenen jungen
Mann die Militärpflicht in ganz anderer Weise drückend sein müsse, als
für einen Handwerksgesellen oder Bauernsohn, war man bei dieser Institution
gegen Erstere in einer Weise connivent, daß thatsächlich mit zwei verschiedenen
Maßen gemessen wurde, je nachdem der Conscribirte den gebildeten Classen
angehörte oder nicht.

War aber aus diese Art dem jungen Manne noch nicht beizuspringen,
so wurde derselbe unter die bereits erwähnten Unmontirt-Assentirten verwiesen,
woselbst er ebenfalls militärisch nicht ausgebildet wurde.

Man kann demnach füglich behaupten, daß unter der Herrschaft des Ge¬
setzes vom 13. August 1828 in Friedenszeiten kaum ein gebildeter Mann
diente, er müßte denn Officiersadspirant gewesen sein. Dies war jedoch noch
keineswegs der größte Fehler der alten bairischen Armeeverfassung; derselbe
bestand vielmehr darin, daß sie die Reserven völlig unorganisirt ließ, sodaß
dieselben erst beim Ausbruch des Krieges formirt und exercirt werden mußten.

Bei dem Mangel aller Cadres war auch nicht annähernd der Bedarf
von Officieren für die Reservebataillone (4. und S. Bataillon) vorhanden,
sodaß die Regierung im letzten Kriege zu dem verzweifelten Mittel greifen
mußte, junge Leute ohne jede militärische Vergangenheit.'Studenten, Poly¬
techniker. Commis, Schreiber. Schullehrer und selbst frühere Handwerksgesellen.
Wenn sie nur überhaupt die Hoffnung zuließen, je zu Officieren ausgebildet
werden zu können, auf Kriegsdauer zu solchen zu ernennen.

Konnten die vierten Bataillone, zumeist aus erst abzuerercirenden Assentirten
kurz vor Ausbruch des Krieges gebildet, durch Versetzungen aus den 3 ersten
Bataillonen und durch massenhafte Beförderungen von Unterofficieren noch
nothdürftig mit brauchbaren Officieren versehen werden, so befanden sich die
fünften mit ihren sogenannten "Kriegsbedauerlichen" in einem wahrhaft kläg¬
lichen Zustande. Auch bei der Artillerie und Cavalerie wurden in Folge der
Einberufung der Reserven solche Officiere aus Kriegsdauer nothwendig, wo¬
selbst ihre Rolle noch um ein Entsprechendes lächerlicher wurde.

Es ist klar, daß bet dieser Organisation die bereits ausgebildeten Be¬
standtheile des Heeres durch Einschübe unbrauchbarer Mannschaften und


der früheren bairischen Wehrverfassung deswegen zu erkennen geglaubt, weil
hierdurch dem gebildeten Theil der Bevölkerung die Möglichkeit geboten
wurde, sich dem Heerdienste zu entziehen.

In der That machte jedoch der Kostspieligkeit halber hiervon nur ein
sehr geringer Theil der gebildeten Elemente (Studenten. Polytechniker)
Gebrauch.

Dieselben wurden vielmehr auf einem ganz anderen Wege der Armee
entzogen.

In der Erwägung, daß für einen in seinen Vorstudien begriffenen jungen
Mann die Militärpflicht in ganz anderer Weise drückend sein müsse, als
für einen Handwerksgesellen oder Bauernsohn, war man bei dieser Institution
gegen Erstere in einer Weise connivent, daß thatsächlich mit zwei verschiedenen
Maßen gemessen wurde, je nachdem der Conscribirte den gebildeten Classen
angehörte oder nicht.

War aber aus diese Art dem jungen Manne noch nicht beizuspringen,
so wurde derselbe unter die bereits erwähnten Unmontirt-Assentirten verwiesen,
woselbst er ebenfalls militärisch nicht ausgebildet wurde.

Man kann demnach füglich behaupten, daß unter der Herrschaft des Ge¬
setzes vom 13. August 1828 in Friedenszeiten kaum ein gebildeter Mann
diente, er müßte denn Officiersadspirant gewesen sein. Dies war jedoch noch
keineswegs der größte Fehler der alten bairischen Armeeverfassung; derselbe
bestand vielmehr darin, daß sie die Reserven völlig unorganisirt ließ, sodaß
dieselben erst beim Ausbruch des Krieges formirt und exercirt werden mußten.

Bei dem Mangel aller Cadres war auch nicht annähernd der Bedarf
von Officieren für die Reservebataillone (4. und S. Bataillon) vorhanden,
sodaß die Regierung im letzten Kriege zu dem verzweifelten Mittel greifen
mußte, junge Leute ohne jede militärische Vergangenheit.'Studenten, Poly¬
techniker. Commis, Schreiber. Schullehrer und selbst frühere Handwerksgesellen.
Wenn sie nur überhaupt die Hoffnung zuließen, je zu Officieren ausgebildet
werden zu können, auf Kriegsdauer zu solchen zu ernennen.

Konnten die vierten Bataillone, zumeist aus erst abzuerercirenden Assentirten
kurz vor Ausbruch des Krieges gebildet, durch Versetzungen aus den 3 ersten
Bataillonen und durch massenhafte Beförderungen von Unterofficieren noch
nothdürftig mit brauchbaren Officieren versehen werden, so befanden sich die
fünften mit ihren sogenannten „Kriegsbedauerlichen" in einem wahrhaft kläg¬
lichen Zustande. Auch bei der Artillerie und Cavalerie wurden in Folge der
Einberufung der Reserven solche Officiere aus Kriegsdauer nothwendig, wo¬
selbst ihre Rolle noch um ein Entsprechendes lächerlicher wurde.

Es ist klar, daß bet dieser Organisation die bereits ausgebildeten Be¬
standtheile des Heeres durch Einschübe unbrauchbarer Mannschaften und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/114>, abgerufen am 28.09.2024.