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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Namentlich die dritte dieser Academien wurde oft mit allem Prunk aus¬
gestattet und unterschied sich nur wenig von den eigentlichen Schulkomödien.
In einer Academie, welche 1637 "zu Ehren und Wohlgefallen" Ihrer kaiser¬
lichen Majestät Ferdinand des dritten aufgeführt wurde, und den Titel führt:
"Die Andacht und Gerechtigkeit oder David durch die Andacht zum Reich
erhoben und durch dieselbe, wie auch- durch die Gerechtigkeit im königlichen
Sitz bekräftigt", spielten über 300 Schüler aus den verschiedensten Classen
des Gymnasiums, ja sogar aus den sogenannten philosophischen Jahr¬
gängen.

Unter Maria Theresia (1768) wurden die Comödien allenthalben und auch
bei den Academien abgeschafft. Es blieben dafür die Prüfungen, welche mit
einer durch einen Schüler gesprochenen, lateinischen Rede eröffnet wurden, und
stets, auch nach Aufhebung der Comödien, mit Borlesung der Ordnung endeten,
in welche die Schüler nach dem Erfolg eines in der Schule ausgearbeiteten
Pensums gesetzt zu werden pflegten, sowie mit Vertheilung von Preisen --
Ehrenpfennigen -- an die Schüler'der vier unteren Classen.

Was nun diese öffentlichen Prüfungen selbst anbelangt, so mochte
denselben der auch später noch nicht aufgegebene Gedanke zum Grunde liegen,
daß durch Oeffentlichkeit der Prüfung der wahre Werth des Schülers nicht
nur von den Lehrern, sondern auch von anderen um so leichter durchschaut
werden könnte, als der Schüler, dem nichts ferner liegt als die Idee, daß
er nach seinen Antworten etwa classificirt werden könnte, und der da meint,
alles sei nur darauf berechnet, die anwesenden Gäste zu ehren, ohne jede
Aengstlichkeit mit Unbefangenheit und Freimüthigkeit antwortete. Leider aber
wurde dieser Gedanke bald völlig außer Acht gelassen, und eben, um den
Gast zu ehren, die Prüfung selbst zu einer Comödie herabgewürdigt. Denn
Comödie war es doch offenbar, wenn man, damit ja keinerlei Anstoß vorkam,
den Schülern alle Fragen aus allen Lehrgegenständen in die Feder oictirte.
Was war nun natürlicher, als daß der Schüler die Antworten hierauf eben¬
falls schriftlich entwarf, oder sich von anderen entwerfen ließ, und dann aus¬
wendig lernte. Manchmal trug man auch den Schülern selbst auf, die
Fragen unter einander nach Willkür zu stellen, wodurch man die Sache noch
merklich erleichterte, denn der Fragende und Antwortende konnten sich schon
im voraus verständigen. Natürlich folgte dann Frage und Antwort zur
Bewunderung und.Freude aller Anwesenden in überraschender Weise und
groß war der Ruhm der Schule, wenn alles recht Ordentlich ablief. Wie
wenig aber die Schüler daraus wissenschaftlichen Nutzen zogen, ja wie groß
der moralische Nachtheil eines solchen Verfahrens sein mußte, --bedarf nicht
erst der Ausführung. Ein großes Glück war es daher, daß endlich, freilich
erst nach Aufhebung des Ordens, diese Prüfungen, -- seit Wegfall der Co-


Namentlich die dritte dieser Academien wurde oft mit allem Prunk aus¬
gestattet und unterschied sich nur wenig von den eigentlichen Schulkomödien.
In einer Academie, welche 1637 „zu Ehren und Wohlgefallen" Ihrer kaiser¬
lichen Majestät Ferdinand des dritten aufgeführt wurde, und den Titel führt:
„Die Andacht und Gerechtigkeit oder David durch die Andacht zum Reich
erhoben und durch dieselbe, wie auch- durch die Gerechtigkeit im königlichen
Sitz bekräftigt", spielten über 300 Schüler aus den verschiedensten Classen
des Gymnasiums, ja sogar aus den sogenannten philosophischen Jahr¬
gängen.

Unter Maria Theresia (1768) wurden die Comödien allenthalben und auch
bei den Academien abgeschafft. Es blieben dafür die Prüfungen, welche mit
einer durch einen Schüler gesprochenen, lateinischen Rede eröffnet wurden, und
stets, auch nach Aufhebung der Comödien, mit Borlesung der Ordnung endeten,
in welche die Schüler nach dem Erfolg eines in der Schule ausgearbeiteten
Pensums gesetzt zu werden pflegten, sowie mit Vertheilung von Preisen —
Ehrenpfennigen — an die Schüler'der vier unteren Classen.

Was nun diese öffentlichen Prüfungen selbst anbelangt, so mochte
denselben der auch später noch nicht aufgegebene Gedanke zum Grunde liegen,
daß durch Oeffentlichkeit der Prüfung der wahre Werth des Schülers nicht
nur von den Lehrern, sondern auch von anderen um so leichter durchschaut
werden könnte, als der Schüler, dem nichts ferner liegt als die Idee, daß
er nach seinen Antworten etwa classificirt werden könnte, und der da meint,
alles sei nur darauf berechnet, die anwesenden Gäste zu ehren, ohne jede
Aengstlichkeit mit Unbefangenheit und Freimüthigkeit antwortete. Leider aber
wurde dieser Gedanke bald völlig außer Acht gelassen, und eben, um den
Gast zu ehren, die Prüfung selbst zu einer Comödie herabgewürdigt. Denn
Comödie war es doch offenbar, wenn man, damit ja keinerlei Anstoß vorkam,
den Schülern alle Fragen aus allen Lehrgegenständen in die Feder oictirte.
Was war nun natürlicher, als daß der Schüler die Antworten hierauf eben¬
falls schriftlich entwarf, oder sich von anderen entwerfen ließ, und dann aus¬
wendig lernte. Manchmal trug man auch den Schülern selbst auf, die
Fragen unter einander nach Willkür zu stellen, wodurch man die Sache noch
merklich erleichterte, denn der Fragende und Antwortende konnten sich schon
im voraus verständigen. Natürlich folgte dann Frage und Antwort zur
Bewunderung und.Freude aller Anwesenden in überraschender Weise und
groß war der Ruhm der Schule, wenn alles recht Ordentlich ablief. Wie
wenig aber die Schüler daraus wissenschaftlichen Nutzen zogen, ja wie groß
der moralische Nachtheil eines solchen Verfahrens sein mußte, —bedarf nicht
erst der Ausführung. Ein großes Glück war es daher, daß endlich, freilich
erst nach Aufhebung des Ordens, diese Prüfungen, -- seit Wegfall der Co-


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[0059] Namentlich die dritte dieser Academien wurde oft mit allem Prunk aus¬ gestattet und unterschied sich nur wenig von den eigentlichen Schulkomödien. In einer Academie, welche 1637 „zu Ehren und Wohlgefallen" Ihrer kaiser¬ lichen Majestät Ferdinand des dritten aufgeführt wurde, und den Titel führt: „Die Andacht und Gerechtigkeit oder David durch die Andacht zum Reich erhoben und durch dieselbe, wie auch- durch die Gerechtigkeit im königlichen Sitz bekräftigt", spielten über 300 Schüler aus den verschiedensten Classen des Gymnasiums, ja sogar aus den sogenannten philosophischen Jahr¬ gängen. Unter Maria Theresia (1768) wurden die Comödien allenthalben und auch bei den Academien abgeschafft. Es blieben dafür die Prüfungen, welche mit einer durch einen Schüler gesprochenen, lateinischen Rede eröffnet wurden, und stets, auch nach Aufhebung der Comödien, mit Borlesung der Ordnung endeten, in welche die Schüler nach dem Erfolg eines in der Schule ausgearbeiteten Pensums gesetzt zu werden pflegten, sowie mit Vertheilung von Preisen — Ehrenpfennigen — an die Schüler'der vier unteren Classen. Was nun diese öffentlichen Prüfungen selbst anbelangt, so mochte denselben der auch später noch nicht aufgegebene Gedanke zum Grunde liegen, daß durch Oeffentlichkeit der Prüfung der wahre Werth des Schülers nicht nur von den Lehrern, sondern auch von anderen um so leichter durchschaut werden könnte, als der Schüler, dem nichts ferner liegt als die Idee, daß er nach seinen Antworten etwa classificirt werden könnte, und der da meint, alles sei nur darauf berechnet, die anwesenden Gäste zu ehren, ohne jede Aengstlichkeit mit Unbefangenheit und Freimüthigkeit antwortete. Leider aber wurde dieser Gedanke bald völlig außer Acht gelassen, und eben, um den Gast zu ehren, die Prüfung selbst zu einer Comödie herabgewürdigt. Denn Comödie war es doch offenbar, wenn man, damit ja keinerlei Anstoß vorkam, den Schülern alle Fragen aus allen Lehrgegenständen in die Feder oictirte. Was war nun natürlicher, als daß der Schüler die Antworten hierauf eben¬ falls schriftlich entwarf, oder sich von anderen entwerfen ließ, und dann aus¬ wendig lernte. Manchmal trug man auch den Schülern selbst auf, die Fragen unter einander nach Willkür zu stellen, wodurch man die Sache noch merklich erleichterte, denn der Fragende und Antwortende konnten sich schon im voraus verständigen. Natürlich folgte dann Frage und Antwort zur Bewunderung und.Freude aller Anwesenden in überraschender Weise und groß war der Ruhm der Schule, wenn alles recht Ordentlich ablief. Wie wenig aber die Schüler daraus wissenschaftlichen Nutzen zogen, ja wie groß der moralische Nachtheil eines solchen Verfahrens sein mußte, —bedarf nicht erst der Ausführung. Ein großes Glück war es daher, daß endlich, freilich erst nach Aufhebung des Ordens, diese Prüfungen, -- seit Wegfall der Co-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/59>, abgerufen am 15.01.2025.