Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.das Betragen von oft mehr als hundert Knaben überwachen, sich schon in Dazu kam, daß man an manchen Gymnasien dem Magister zwei Classen Waren diese abgelaufen, so mußte der Magister seinen kaum begonnenen das Betragen von oft mehr als hundert Knaben überwachen, sich schon in Dazu kam, daß man an manchen Gymnasien dem Magister zwei Classen Waren diese abgelaufen, so mußte der Magister seinen kaum begonnenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117587"/> <p xml:id="ID_178" prev="#ID_177"> das Betragen von oft mehr als hundert Knaben überwachen, sich schon in<lb/> der Frühe davon überzeugen, ob alle zur festgesetzten Zeit aufgestanden; unter<lb/> Tags mußte er sie im gemeinsamen Arbeitszimmer überraschen, um zu sehen,<lb/> ob sie auch die zum Studiren bestimmte Zeit gehörig anwandten, sie auf<lb/> Spaziergängen begleiten u. s, w. Der Magister konnte also, auch wenn er<lb/> wollte, nicht einmal seine Mußestunden der Vorbereitung für seinen neuen<lb/> Beruf widmen. Wann sollte er vollends die Schulaufgaben entwerfen, wann<lb/> die Arbeiten der Schüler corrigiren, zumal man ihm die wenigen Stunden,<lb/> welche er seinen andern Beschäftigungen für seinen eigentlichen Beruf abrin¬<lb/> gen konnte, mit Comödienschreiber füllte.</p><lb/> <p xml:id="ID_179"> Dazu kam, daß man an manchen Gymnasien dem Magister zwei Classen<lb/> zuwies. In der Regel hatte freilich jede Classe ihren eignen Lehrer. Und um<lb/> ein festes Band zwischen Lehrer und Schülern zu knüpfen, blieben beide Theile<lb/> vier Jahre lang durch alle Classen beisammen, eine Einrichtung, welche ihre<lb/> guten Seiten haben mag, von Nachtheilen aber um so weniger freigesprochen<lb/> werden kann, als durch den Umstand, daß jeder Lehrer werden mußte,<lb/> Schüler möglicherweise dazu verurtheilt wurden, vier Jahre lang von<lb/> einem Manne unterrichtet zu werden, welcher weder Liebe noch Vorbereitung<lb/> zum Lehrerstande hatte. Namentlich seit der Reform unter Maria Theresia<lb/> kam der Orden von diesem Gebrauch zurück, der indeß nach Aushebung der<lb/> Jesuiten l.776 in den untern Classen wieder eingeführt wurde; man ließ jeden<lb/> Lehrer in der Classe, welche ihm einmal zugewiesen worden, und beschränkte<lb/> die Zeit, welche ein Magister im Lehramte thätig war, überhaupt auf drei<lb/> Jahre. —</p><lb/> <p xml:id="ID_180" next="#ID_181"> Waren diese abgelaufen, so mußte der Magister seinen kaum begonnenen<lb/> Beruf wieder aufgeben, — um fich dem Studium der Theologie zu<lb/> widmen. Vier Jahre lang mußte er sich mit Hintansetzung aller seiner<lb/> bisherigen Arbeiten und Thätigkeiten diesem Studium hingeben, und hatte<lb/> er es zurückgelegt, so mußte er, für den Fall, daß er nicht zum Predigtamt,<lb/> oder zu theologischen oder philosophischen Studien bestimmt wurde, das<lb/> Gymnasiallehramt von neuem beginnen, in der Regel allerdings in den<lb/> beiden oberen Classen, manchmal aber auch wieder in den vier unteren.<lb/> Zuvor hatte er noch ein neues, von ascetischen Uebungen begleitetes Probe¬<lb/> jahr zu bestehen. Dieses sollte ihn mit seinen Oberen so genau bekannt<lb/> machen, daß dieselben über seinen Lebenslauf entscheiden konnten. Daß aber<lb/> bei dieser Wahl des Lebensberufes ebensowenig wie bei früheren Dispositio¬<lb/> nen die besondere Befähigung des Einzelnen oder seine Neigung entscheiden<lb/> konnte, verstand sich nach dem Geiste des Ordens von selbst. Es wurde über den<lb/> Mann verfügt, ohne klare Absicht, ohne eigentlichen Plan, ohne Rücksicht aus<lb/> seine Befähigung und Individualität und lediglich Zufall war es, der einen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
das Betragen von oft mehr als hundert Knaben überwachen, sich schon in
der Frühe davon überzeugen, ob alle zur festgesetzten Zeit aufgestanden; unter
Tags mußte er sie im gemeinsamen Arbeitszimmer überraschen, um zu sehen,
ob sie auch die zum Studiren bestimmte Zeit gehörig anwandten, sie auf
Spaziergängen begleiten u. s, w. Der Magister konnte also, auch wenn er
wollte, nicht einmal seine Mußestunden der Vorbereitung für seinen neuen
Beruf widmen. Wann sollte er vollends die Schulaufgaben entwerfen, wann
die Arbeiten der Schüler corrigiren, zumal man ihm die wenigen Stunden,
welche er seinen andern Beschäftigungen für seinen eigentlichen Beruf abrin¬
gen konnte, mit Comödienschreiber füllte.
Dazu kam, daß man an manchen Gymnasien dem Magister zwei Classen
zuwies. In der Regel hatte freilich jede Classe ihren eignen Lehrer. Und um
ein festes Band zwischen Lehrer und Schülern zu knüpfen, blieben beide Theile
vier Jahre lang durch alle Classen beisammen, eine Einrichtung, welche ihre
guten Seiten haben mag, von Nachtheilen aber um so weniger freigesprochen
werden kann, als durch den Umstand, daß jeder Lehrer werden mußte,
Schüler möglicherweise dazu verurtheilt wurden, vier Jahre lang von
einem Manne unterrichtet zu werden, welcher weder Liebe noch Vorbereitung
zum Lehrerstande hatte. Namentlich seit der Reform unter Maria Theresia
kam der Orden von diesem Gebrauch zurück, der indeß nach Aushebung der
Jesuiten l.776 in den untern Classen wieder eingeführt wurde; man ließ jeden
Lehrer in der Classe, welche ihm einmal zugewiesen worden, und beschränkte
die Zeit, welche ein Magister im Lehramte thätig war, überhaupt auf drei
Jahre. —
Waren diese abgelaufen, so mußte der Magister seinen kaum begonnenen
Beruf wieder aufgeben, — um fich dem Studium der Theologie zu
widmen. Vier Jahre lang mußte er sich mit Hintansetzung aller seiner
bisherigen Arbeiten und Thätigkeiten diesem Studium hingeben, und hatte
er es zurückgelegt, so mußte er, für den Fall, daß er nicht zum Predigtamt,
oder zu theologischen oder philosophischen Studien bestimmt wurde, das
Gymnasiallehramt von neuem beginnen, in der Regel allerdings in den
beiden oberen Classen, manchmal aber auch wieder in den vier unteren.
Zuvor hatte er noch ein neues, von ascetischen Uebungen begleitetes Probe¬
jahr zu bestehen. Dieses sollte ihn mit seinen Oberen so genau bekannt
machen, daß dieselben über seinen Lebenslauf entscheiden konnten. Daß aber
bei dieser Wahl des Lebensberufes ebensowenig wie bei früheren Dispositio¬
nen die besondere Befähigung des Einzelnen oder seine Neigung entscheiden
konnte, verstand sich nach dem Geiste des Ordens von selbst. Es wurde über den
Mann verfügt, ohne klare Absicht, ohne eigentlichen Plan, ohne Rücksicht aus
seine Befähigung und Individualität und lediglich Zufall war es, der einen
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