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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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kaum mehr zweifelhaft sein, daß an die in der Folge durchgesetzte fran¬
zösische Auslegung der Präliminarien zur Zeit des Abschlusses von keiner
Seite und am wenigsten von Thugut gedacht worden. Sandoz' Berichte
entwerfen gerade von dem Umschwung in den Ansichten der Franzosen ein
höchst interessantes Bild. Die Sache stand bekanntlich so, daß Frankreich die
Integrität des deutschen Reichs, Oestreich die Grenzen der Republik anerkannt
hatte. Seit Mitte des Maimonats stellten die Franzosen im Widerspruch zu
ihrer früheren Erklärung das Verhältniß so dar, als könnten unter den "kon¬
stitutionellen Grenzen" Frankreichs auch die Länder links vom Rhein verstan¬
den werden. "Sie behaupten immer", sagte im Juli 1797 Sandoz am Schluß
eines längeren Gespräches zu Carnot, "die Grenzen Frankreichs seien noch
ungewiß und Gegenstand der Verhandlungen, während der Kaiser in seiner
Eröffnung an den Reichstag von der Reichsintegrität wie von einer fest¬
stehenden Thatsache spricht. Wie läßt sich das vereinigen?" "Das wiener
Cabinet," erwiederte der Director, "hat nicht erwogen, daß es durch die An¬
erkennung der konstitutionellen Grenzen zugleich das linke Rheinufer bewil¬
ligte. Selbst Mainz könnte, wenn man es ganz genau nehmen wollte, in
diese Grenzen einbegriffen sein." "Nicht blos der Kaiser," versetzte Sandoz,
"hat es nicht so verstanden, sondern ebensowenig der gesetzgebende Körper und
kein Politiker in der Welt. Carnot erwiderte nichts darauf, er fing
an zu lachen." -- Nach einem Zeugniß so durchschlagender Art. können
wir nur unterschreiben, wenn der Verfasser im weiteren Verlauf sagt: "Was
in Leoben nicht durchgesetzt werden konnte, suchte man auf einem anderen
Wege zu erhalten, indem man den Präliminarien eine fremde Bedeutung
unterlegte; und leider hatten sich die Verhältnisse während des Sommers in
der Weise gestaltet, daß die Franzosen ihren Willen durchsetzten."

Auf den dritten Abschnitt unseres Buchs, die Geschichte des Friedens
von Campo Formio, brauchen wir nicht näher einzugehen; die veränderte
Auffassung der Präliminarien von Leoben bedingt mit Nothwendigkeit ver¬
änderte Gesichtspunkte für die Beurtheilung dieses wichtigen Vertrages. Er¬
wähnt muß aber noch werden -- und das ist für die gesammte Geschichte der
I. 1794--1797 von durchschlagender Wichtigkeit, -- daß Hüffer den Minister
Thugut überhaupt ganz anders beurtheilt, als die überwiegende Mehrzahl
seiner Vorgänger. Der Glaube an die Gewissenlosigkeit, Verlogenheit und
Frivolität dieses Staatsmanns bildete so zu sagen die Reserve jener ge¬
schichtlichen Auffassung, welche die Räumung Belgiens, den Vertrag von
Leoben und den Frieden von Campo Formio zu Fäden eines östreichischen
Jntriguenshstems verband; wo die aus der Betrachtung der Verhältnisse und
den vorhandenen Urkunden geschöpften Argumente nicht vollständig ausreich¬
ten, mußte die Ueberzeugung, daß Thugut zu allem fähig gewesen sei, bei-


kaum mehr zweifelhaft sein, daß an die in der Folge durchgesetzte fran¬
zösische Auslegung der Präliminarien zur Zeit des Abschlusses von keiner
Seite und am wenigsten von Thugut gedacht worden. Sandoz' Berichte
entwerfen gerade von dem Umschwung in den Ansichten der Franzosen ein
höchst interessantes Bild. Die Sache stand bekanntlich so, daß Frankreich die
Integrität des deutschen Reichs, Oestreich die Grenzen der Republik anerkannt
hatte. Seit Mitte des Maimonats stellten die Franzosen im Widerspruch zu
ihrer früheren Erklärung das Verhältniß so dar, als könnten unter den „kon¬
stitutionellen Grenzen" Frankreichs auch die Länder links vom Rhein verstan¬
den werden. „Sie behaupten immer", sagte im Juli 1797 Sandoz am Schluß
eines längeren Gespräches zu Carnot, „die Grenzen Frankreichs seien noch
ungewiß und Gegenstand der Verhandlungen, während der Kaiser in seiner
Eröffnung an den Reichstag von der Reichsintegrität wie von einer fest¬
stehenden Thatsache spricht. Wie läßt sich das vereinigen?" „Das wiener
Cabinet," erwiederte der Director, „hat nicht erwogen, daß es durch die An¬
erkennung der konstitutionellen Grenzen zugleich das linke Rheinufer bewil¬
ligte. Selbst Mainz könnte, wenn man es ganz genau nehmen wollte, in
diese Grenzen einbegriffen sein." „Nicht blos der Kaiser," versetzte Sandoz,
„hat es nicht so verstanden, sondern ebensowenig der gesetzgebende Körper und
kein Politiker in der Welt. Carnot erwiderte nichts darauf, er fing
an zu lachen." — Nach einem Zeugniß so durchschlagender Art. können
wir nur unterschreiben, wenn der Verfasser im weiteren Verlauf sagt: „Was
in Leoben nicht durchgesetzt werden konnte, suchte man auf einem anderen
Wege zu erhalten, indem man den Präliminarien eine fremde Bedeutung
unterlegte; und leider hatten sich die Verhältnisse während des Sommers in
der Weise gestaltet, daß die Franzosen ihren Willen durchsetzten."

Auf den dritten Abschnitt unseres Buchs, die Geschichte des Friedens
von Campo Formio, brauchen wir nicht näher einzugehen; die veränderte
Auffassung der Präliminarien von Leoben bedingt mit Nothwendigkeit ver¬
änderte Gesichtspunkte für die Beurtheilung dieses wichtigen Vertrages. Er¬
wähnt muß aber noch werden — und das ist für die gesammte Geschichte der
I. 1794—1797 von durchschlagender Wichtigkeit, — daß Hüffer den Minister
Thugut überhaupt ganz anders beurtheilt, als die überwiegende Mehrzahl
seiner Vorgänger. Der Glaube an die Gewissenlosigkeit, Verlogenheit und
Frivolität dieses Staatsmanns bildete so zu sagen die Reserve jener ge¬
schichtlichen Auffassung, welche die Räumung Belgiens, den Vertrag von
Leoben und den Frieden von Campo Formio zu Fäden eines östreichischen
Jntriguenshstems verband; wo die aus der Betrachtung der Verhältnisse und
den vorhandenen Urkunden geschöpften Argumente nicht vollständig ausreich¬
ten, mußte die Ueberzeugung, daß Thugut zu allem fähig gewesen sei, bei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/508>, abgerufen am 15.01.2025.