Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sind in Uebereinstimmung damit diese Inschriften im dorischen Dialect abge¬
faßt. Wir sind also berechtigt, diese ganze durch Technik, Stil. Orthographie,
Dialect genau zusammengehörige Classe der Vasen einem dorischen Fabrik-
ort, zunächst Corcyra oder Corinth zuzuweisen, und dazu paßt es sehr
Wohl, daß Corinth als alter Sitz der Thonbildnerei und Malerei, wie als
Handelsort bekannt ist. Eine zweite Gruppe, dem alten Stil angehörig, aber
schon weiter ausgebildet, weist ein etwas verschiedenes Alphabet auf, das
nach seinen charakteristischen Buchstaben als den chalcidischen Colomen,
von denen Cumä in Unteritalien ein Hauptplatz war, angehörig nach¬
gewiesen ist; auch hier kommt dazu, daß die, Inschriften in dem dort heim-
schen ionischen Dialect abgefaßt sind. In Euböa also oder in den Co-
lonien ist die Fabrik dieser Vasen zu suchen. Von da an aber weist die
weit überwiegende Masse der Vaseninschriften nach Attica hin. Durch die
große Menge der zum guten Theil officiellen und sicher datirten atMen
Steinschriften sind wir über die Ausbildung der dortigen Schrift- und Recht¬
schreibung verhältnißmäßig genau unterrichtet. Die Vaseninschriften folgen
dem sonsther bekannten Wandel des attischen Alphabets in den Zügen ein¬
zelner Buchstaben, in der Unterscheidung der langen und kurzen Vocale,
im Ausschreiben der Diphthonge u. dergl. in.. natürlich mit den Freiheiten
der Laune und mangelhaften Schulbildung, welche Privatpersonen im Ge¬
gensatz zu officiellen Vorschriften für öffentliche Documente in Anspruch ney-
wen. Natürlich findet sich dabei der attische Dialect angewendet, welcher
^in Theil in Eigenthümlichkeiten sich zeigt, die. wie wir wissen, nicht der ge¬
bildeten Schriftsprache, sondern der Volkssprache angehörten. Und gerade das
verleiht diesen Inschriften noch einen besonderen Reiz, daß sie acht aus litera-
"sah gebildeten Kreisen herrühren, sondern aus den ungebildeten und haw-
gebildeten Schichten des Publicums. von dessen Jncorrectheiten sie belehrende
Beispiele geben. Uebrigens entspricht die ganze Erscheinung durchau dem
allgemeinen Entwickelungsgange der griechischen Cultur, ^n der Potttt in
der Literatur und Kunst tritt Attica zuletzt in den Vordergrund, in^
Achtung nimmt es das, was die anderen Stämme bis zu einem g wissen
Grade ausgebildet haben, auf, um es von jeder Einseitigkeit fre.. u d
H°he harmonischer Vollendung zu führen. Erst in der letzten Zeü ho t der
^ne Atticismus der Inschriften auf, der Dialect wird s^an end es s n n
^ einzelne Buchstabenformen, die nicht in Attica. sondern in Und 'ta
lien im Gebrauch waren. Es bedarf keiner Ausführung, wie w ehe'g d^
diesem Wege gewonnenen localen und historischen Firmungen sind um
^ Beobachtungen über die allmähliche Entwickelung der TeHmk "ut ^s
Stils, der poetischen und künstlerischen Auffassung feste Haltpunkte und Stutzen
zu geben.


Grenjbotm II. 1868.

sind in Uebereinstimmung damit diese Inschriften im dorischen Dialect abge¬
faßt. Wir sind also berechtigt, diese ganze durch Technik, Stil. Orthographie,
Dialect genau zusammengehörige Classe der Vasen einem dorischen Fabrik-
ort, zunächst Corcyra oder Corinth zuzuweisen, und dazu paßt es sehr
Wohl, daß Corinth als alter Sitz der Thonbildnerei und Malerei, wie als
Handelsort bekannt ist. Eine zweite Gruppe, dem alten Stil angehörig, aber
schon weiter ausgebildet, weist ein etwas verschiedenes Alphabet auf, das
nach seinen charakteristischen Buchstaben als den chalcidischen Colomen,
von denen Cumä in Unteritalien ein Hauptplatz war, angehörig nach¬
gewiesen ist; auch hier kommt dazu, daß die, Inschriften in dem dort heim-
schen ionischen Dialect abgefaßt sind. In Euböa also oder in den Co-
lonien ist die Fabrik dieser Vasen zu suchen. Von da an aber weist die
weit überwiegende Masse der Vaseninschriften nach Attica hin. Durch die
große Menge der zum guten Theil officiellen und sicher datirten atMen
Steinschriften sind wir über die Ausbildung der dortigen Schrift- und Recht¬
schreibung verhältnißmäßig genau unterrichtet. Die Vaseninschriften folgen
dem sonsther bekannten Wandel des attischen Alphabets in den Zügen ein¬
zelner Buchstaben, in der Unterscheidung der langen und kurzen Vocale,
im Ausschreiben der Diphthonge u. dergl. in.. natürlich mit den Freiheiten
der Laune und mangelhaften Schulbildung, welche Privatpersonen im Ge¬
gensatz zu officiellen Vorschriften für öffentliche Documente in Anspruch ney-
wen. Natürlich findet sich dabei der attische Dialect angewendet, welcher
^in Theil in Eigenthümlichkeiten sich zeigt, die. wie wir wissen, nicht der ge¬
bildeten Schriftsprache, sondern der Volkssprache angehörten. Und gerade das
verleiht diesen Inschriften noch einen besonderen Reiz, daß sie acht aus litera-
"sah gebildeten Kreisen herrühren, sondern aus den ungebildeten und haw-
gebildeten Schichten des Publicums. von dessen Jncorrectheiten sie belehrende
Beispiele geben. Uebrigens entspricht die ganze Erscheinung durchau dem
allgemeinen Entwickelungsgange der griechischen Cultur, ^n der Potttt in
der Literatur und Kunst tritt Attica zuletzt in den Vordergrund, in^
Achtung nimmt es das, was die anderen Stämme bis zu einem g wissen
Grade ausgebildet haben, auf, um es von jeder Einseitigkeit fre.. u d
H°he harmonischer Vollendung zu führen. Erst in der letzten Zeü ho t der
^ne Atticismus der Inschriften auf, der Dialect wird s^an end es s n n
^ einzelne Buchstabenformen, die nicht in Attica. sondern in Und 'ta
lien im Gebrauch waren. Es bedarf keiner Ausführung, wie w ehe'g d^
diesem Wege gewonnenen localen und historischen Firmungen sind um
^ Beobachtungen über die allmähliche Entwickelung der TeHmk »ut ^s
Stils, der poetischen und künstlerischen Auffassung feste Haltpunkte und Stutzen
zu geben.


Grenjbotm II. 1868.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118025"/>
          <p xml:id="ID_1537" prev="#ID_1536"> sind in Uebereinstimmung damit diese Inschriften im dorischen Dialect abge¬<lb/>
faßt. Wir sind also berechtigt, diese ganze durch Technik, Stil. Orthographie,<lb/>
Dialect genau zusammengehörige Classe der Vasen einem dorischen Fabrik-<lb/>
ort, zunächst Corcyra oder Corinth zuzuweisen, und dazu paßt es sehr<lb/>
Wohl, daß Corinth als alter Sitz der Thonbildnerei und Malerei, wie als<lb/>
Handelsort bekannt ist. Eine zweite Gruppe, dem alten Stil angehörig, aber<lb/>
schon weiter ausgebildet, weist ein etwas verschiedenes Alphabet auf, das<lb/>
nach seinen charakteristischen Buchstaben als den chalcidischen Colomen,<lb/>
von denen Cumä in Unteritalien ein Hauptplatz war, angehörig nach¬<lb/>
gewiesen ist; auch hier kommt dazu, daß die, Inschriften in dem dort heim-<lb/>
schen ionischen Dialect abgefaßt sind. In Euböa also oder in den Co-<lb/>
lonien ist die Fabrik dieser Vasen zu suchen. Von da an aber weist die<lb/>
weit überwiegende Masse der Vaseninschriften nach Attica hin. Durch die<lb/>
große Menge der zum guten Theil officiellen und sicher datirten atMen<lb/>
Steinschriften sind wir über die Ausbildung der dortigen Schrift- und Recht¬<lb/>
schreibung verhältnißmäßig genau unterrichtet. Die Vaseninschriften folgen<lb/>
dem sonsther bekannten Wandel des attischen Alphabets in den Zügen ein¬<lb/>
zelner Buchstaben, in der Unterscheidung der langen und kurzen Vocale,<lb/>
im Ausschreiben der Diphthonge u. dergl. in.. natürlich mit den Freiheiten<lb/>
der Laune und mangelhaften Schulbildung, welche Privatpersonen im Ge¬<lb/>
gensatz zu officiellen Vorschriften für öffentliche Documente in Anspruch ney-<lb/>
wen. Natürlich findet sich dabei der attische Dialect angewendet, welcher<lb/>
^in Theil in Eigenthümlichkeiten sich zeigt, die. wie wir wissen, nicht der ge¬<lb/>
bildeten Schriftsprache, sondern der Volkssprache angehörten. Und gerade das<lb/>
verleiht diesen Inschriften noch einen besonderen Reiz, daß sie acht aus litera-<lb/>
"sah gebildeten Kreisen herrühren, sondern aus den ungebildeten und haw-<lb/>
gebildeten Schichten des Publicums. von dessen Jncorrectheiten sie belehrende<lb/>
Beispiele geben. Uebrigens entspricht die ganze Erscheinung durchau dem<lb/>
allgemeinen Entwickelungsgange der griechischen Cultur, ^n der Potttt in<lb/>
der Literatur und Kunst tritt Attica zuletzt in den Vordergrund, in^<lb/>
Achtung nimmt es das, was die anderen Stämme bis zu einem g wissen<lb/>
Grade ausgebildet haben, auf, um es von jeder Einseitigkeit fre..  u d<lb/>
H°he harmonischer Vollendung zu führen. Erst in der letzten Zeü ho t der<lb/>
^ne Atticismus der Inschriften auf, der Dialect wird s^an end es s n n<lb/>
^ einzelne Buchstabenformen, die nicht in Attica. sondern in Und 'ta<lb/>
lien im Gebrauch waren. Es bedarf keiner Ausführung, wie w ehe'g d^<lb/>
diesem Wege gewonnenen localen und historischen Firmungen sind um<lb/>
^ Beobachtungen über die allmähliche Entwickelung der TeHmk »ut ^s<lb/>
Stils, der poetischen und künstlerischen Auffassung feste Haltpunkte und Stutzen<lb/>
zu geben.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenjbotm II. 1868.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] sind in Uebereinstimmung damit diese Inschriften im dorischen Dialect abge¬ faßt. Wir sind also berechtigt, diese ganze durch Technik, Stil. Orthographie, Dialect genau zusammengehörige Classe der Vasen einem dorischen Fabrik- ort, zunächst Corcyra oder Corinth zuzuweisen, und dazu paßt es sehr Wohl, daß Corinth als alter Sitz der Thonbildnerei und Malerei, wie als Handelsort bekannt ist. Eine zweite Gruppe, dem alten Stil angehörig, aber schon weiter ausgebildet, weist ein etwas verschiedenes Alphabet auf, das nach seinen charakteristischen Buchstaben als den chalcidischen Colomen, von denen Cumä in Unteritalien ein Hauptplatz war, angehörig nach¬ gewiesen ist; auch hier kommt dazu, daß die, Inschriften in dem dort heim- schen ionischen Dialect abgefaßt sind. In Euböa also oder in den Co- lonien ist die Fabrik dieser Vasen zu suchen. Von da an aber weist die weit überwiegende Masse der Vaseninschriften nach Attica hin. Durch die große Menge der zum guten Theil officiellen und sicher datirten atMen Steinschriften sind wir über die Ausbildung der dortigen Schrift- und Recht¬ schreibung verhältnißmäßig genau unterrichtet. Die Vaseninschriften folgen dem sonsther bekannten Wandel des attischen Alphabets in den Zügen ein¬ zelner Buchstaben, in der Unterscheidung der langen und kurzen Vocale, im Ausschreiben der Diphthonge u. dergl. in.. natürlich mit den Freiheiten der Laune und mangelhaften Schulbildung, welche Privatpersonen im Ge¬ gensatz zu officiellen Vorschriften für öffentliche Documente in Anspruch ney- wen. Natürlich findet sich dabei der attische Dialect angewendet, welcher ^in Theil in Eigenthümlichkeiten sich zeigt, die. wie wir wissen, nicht der ge¬ bildeten Schriftsprache, sondern der Volkssprache angehörten. Und gerade das verleiht diesen Inschriften noch einen besonderen Reiz, daß sie acht aus litera- "sah gebildeten Kreisen herrühren, sondern aus den ungebildeten und haw- gebildeten Schichten des Publicums. von dessen Jncorrectheiten sie belehrende Beispiele geben. Uebrigens entspricht die ganze Erscheinung durchau dem allgemeinen Entwickelungsgange der griechischen Cultur, ^n der Potttt in der Literatur und Kunst tritt Attica zuletzt in den Vordergrund, in^ Achtung nimmt es das, was die anderen Stämme bis zu einem g wissen Grade ausgebildet haben, auf, um es von jeder Einseitigkeit fre.. u d H°he harmonischer Vollendung zu führen. Erst in der letzten Zeü ho t der ^ne Atticismus der Inschriften auf, der Dialect wird s^an end es s n n ^ einzelne Buchstabenformen, die nicht in Attica. sondern in Und 'ta lien im Gebrauch waren. Es bedarf keiner Ausführung, wie w ehe'g d^ diesem Wege gewonnenen localen und historischen Firmungen sind um ^ Beobachtungen über die allmähliche Entwickelung der TeHmk »ut ^s Stils, der poetischen und künstlerischen Auffassung feste Haltpunkte und Stutzen zu geben. Grenjbotm II. 1868.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/493>, abgerufen am 15.01.2025.