Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.kirchliche Gleichgiltigkeit der Bewohner Berlins ziehen zu können. Allein Bei der Verabschiedung ist u. a. im Ausschuß auch die Absicht ausge¬ Literatur. Ch. H. Weiße. Kleine Schriften zur Aesthetik etc. Aus dem Nachlasse zusammen¬ gestellt von Prof. Rudolph Seydel. Leipzig, Breitkopf und Härtel. Ders. Beiträge zur Kritik der paulinischen Briefe, herausgegeben von E. Sülze. Leipzig, S. Hirzel. . Als im Herbste 1866. nicht unähnlich seinem ersten Lehrer Hegel. Christian kirchliche Gleichgiltigkeit der Bewohner Berlins ziehen zu können. Allein Bei der Verabschiedung ist u. a. im Ausschuß auch die Absicht ausge¬ Literatur. Ch. H. Weiße. Kleine Schriften zur Aesthetik etc. Aus dem Nachlasse zusammen¬ gestellt von Prof. Rudolph Seydel. Leipzig, Breitkopf und Härtel. Ders. Beiträge zur Kritik der paulinischen Briefe, herausgegeben von E. Sülze. Leipzig, S. Hirzel. . Als im Herbste 1866. nicht unähnlich seinem ersten Lehrer Hegel. Christian <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118014"/> <p xml:id="ID_1513" prev="#ID_1512"> kirchliche Gleichgiltigkeit der Bewohner Berlins ziehen zu können. Allein<lb/> man hat sich allem Anschein nach doch verrechnet: die Wechsel werden protestirt<lb/> zurückkommen. Das Pflichtgefühl von Familienvätern, das Selbstbewußtsein<lb/> denkender Männer und die Umsicht thätiger Politiker, denen die Solidarität<lb/> alles geistigen Fortschrittes aufgegangen ist, erheben sich gleichzeitig gegen<lb/> die Anmaßung einer Anzahl beschränkter Fanatiker oder herrschsüchtiger<lb/> KirchendeSpoten. und man kann mit großer Zuversicht prophezeien, daß weder<lb/> das Kraal'sche Ordinations-Formular noch das Bachmann'sche Gesangbuch<lb/> zu thatsächlicher Geltung gelangen, wohl aber wird im Gegentheil die ge¬<lb/> flissentlich aufgehaltene Entwickelung des kirchlichen Repräsentativsystems einen<lb/> einen neuen unwiderstehlichen Anstoß erhalten. So schickt sich denn der Geist<lb/> des Protestantentags bereits an, in die ihm bisher nicht recht zugängliche<lb/> evangelische Hauptstadt Deutschlands siegend einzuziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1514"> Bei der Verabschiedung ist u. a. im Ausschuß auch die Absicht ausge¬<lb/> sprochen worden, den Weg dorthin über Sachsen, speciell über Leipzig zu<lb/> nehmen, wo seit kurzem ebenfalls ein Zweigverein besteht. Wir wünschen<lb/> das umsomehr, da hier eine Erschütterung der geistlichen Atmosphäre<lb/> nicht minder von Nöthen ist. Fast in denselben Tagen, in welchen der Prote¬<lb/> stanten-Verein in Bremen berieth, fand sich in Leipzig in Gestalt der<lb/> Pastoralconferenz ein dem berlinischen in vielen Stücken geistesverwandter<lb/> Protest-Verein zusammen, welcher der altlutherischen Tradition Kursachsens<lb/> alle Ehre macht. Was aber bei dieser Solidarität der orthodoxen Interessen<lb/> tröstlich sein kann, ist die heftige Frontstellung, welche diesmal wie im vorigen<lb/> Jahre die leipziger Versammlung dem Gewissenszwang der preußischen Union,<lb/> namentlich den neuen Provinzen gegenüber einnahm. Ehe sich jene beiden<lb/> Lager darüber geeinigt haben werden, ob der Zwang zur Freiheit, d. h. die<lb/> Union, oder die Freiheit zum Zwange, d. h. confessionelle Sonderkirche, vor¬<lb/> zuziehen ist, wird hoffentlich schon genügende Bresche in die feindliche Beste<lb/> gelegt sein. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <list> <item> Ch. H. Weiße. Kleine Schriften zur Aesthetik etc. Aus dem Nachlasse zusammen¬<lb/> gestellt von Prof. Rudolph Seydel. Leipzig, Breitkopf und Härtel.</item> <item> Ders. Beiträge zur Kritik der paulinischen Briefe, herausgegeben von E. Sülze.<lb/> Leipzig, S. Hirzel. .</item> </list><lb/> <p xml:id="ID_1515" next="#ID_1516"> Als im Herbste 1866. nicht unähnlich seinem ersten Lehrer Hegel. Christian<lb/> Hermann Weiße der furchtbaren Krankheit erlag, die als Nachfolgerin des<lb/> Krieges die Friedfertigen heimsuchte, da ward ein Leben zerrissen, das den Jahren<lb/> zum Trotz noch in voller Blüthe großer Entwürfe stand. Was die Natur an<lb/> diesem Manne ganz besonders feiern zu wollen schien, was er sich verdient hatte<lb/> durch stolze Enthaltsamkeit und tapfere, oft spartanische Lebensführung: ein ge¬<lb/> ruhiges Greisenalter, bewußtes allmähliches Scheiden von dem Kunstwerke eines<lb/> reifen Daseins, — gerade das war ihm versagt. Und mehr noch: wer ZU<lb/> den Seinigen zählte, nahm von diesem Grabe die schmerzliche Erinnerung hinweg,<lb/> daß die Nachwelt nachzuholen habe, was die Zeitgenossen in vielen Stücken ver¬<lb/> säumten. Denn so reich die Arbeitsernte auch ist, die in seinen wissenschaftlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
kirchliche Gleichgiltigkeit der Bewohner Berlins ziehen zu können. Allein
man hat sich allem Anschein nach doch verrechnet: die Wechsel werden protestirt
zurückkommen. Das Pflichtgefühl von Familienvätern, das Selbstbewußtsein
denkender Männer und die Umsicht thätiger Politiker, denen die Solidarität
alles geistigen Fortschrittes aufgegangen ist, erheben sich gleichzeitig gegen
die Anmaßung einer Anzahl beschränkter Fanatiker oder herrschsüchtiger
KirchendeSpoten. und man kann mit großer Zuversicht prophezeien, daß weder
das Kraal'sche Ordinations-Formular noch das Bachmann'sche Gesangbuch
zu thatsächlicher Geltung gelangen, wohl aber wird im Gegentheil die ge¬
flissentlich aufgehaltene Entwickelung des kirchlichen Repräsentativsystems einen
einen neuen unwiderstehlichen Anstoß erhalten. So schickt sich denn der Geist
des Protestantentags bereits an, in die ihm bisher nicht recht zugängliche
evangelische Hauptstadt Deutschlands siegend einzuziehen.
Bei der Verabschiedung ist u. a. im Ausschuß auch die Absicht ausge¬
sprochen worden, den Weg dorthin über Sachsen, speciell über Leipzig zu
nehmen, wo seit kurzem ebenfalls ein Zweigverein besteht. Wir wünschen
das umsomehr, da hier eine Erschütterung der geistlichen Atmosphäre
nicht minder von Nöthen ist. Fast in denselben Tagen, in welchen der Prote¬
stanten-Verein in Bremen berieth, fand sich in Leipzig in Gestalt der
Pastoralconferenz ein dem berlinischen in vielen Stücken geistesverwandter
Protest-Verein zusammen, welcher der altlutherischen Tradition Kursachsens
alle Ehre macht. Was aber bei dieser Solidarität der orthodoxen Interessen
tröstlich sein kann, ist die heftige Frontstellung, welche diesmal wie im vorigen
Jahre die leipziger Versammlung dem Gewissenszwang der preußischen Union,
namentlich den neuen Provinzen gegenüber einnahm. Ehe sich jene beiden
Lager darüber geeinigt haben werden, ob der Zwang zur Freiheit, d. h. die
Union, oder die Freiheit zum Zwange, d. h. confessionelle Sonderkirche, vor¬
zuziehen ist, wird hoffentlich schon genügende Bresche in die feindliche Beste
gelegt sein. —
Literatur.
Ch. H. Weiße. Kleine Schriften zur Aesthetik etc. Aus dem Nachlasse zusammen¬
gestellt von Prof. Rudolph Seydel. Leipzig, Breitkopf und Härtel.
Ders. Beiträge zur Kritik der paulinischen Briefe, herausgegeben von E. Sülze.
Leipzig, S. Hirzel. .
Als im Herbste 1866. nicht unähnlich seinem ersten Lehrer Hegel. Christian
Hermann Weiße der furchtbaren Krankheit erlag, die als Nachfolgerin des
Krieges die Friedfertigen heimsuchte, da ward ein Leben zerrissen, das den Jahren
zum Trotz noch in voller Blüthe großer Entwürfe stand. Was die Natur an
diesem Manne ganz besonders feiern zu wollen schien, was er sich verdient hatte
durch stolze Enthaltsamkeit und tapfere, oft spartanische Lebensführung: ein ge¬
ruhiges Greisenalter, bewußtes allmähliches Scheiden von dem Kunstwerke eines
reifen Daseins, — gerade das war ihm versagt. Und mehr noch: wer ZU
den Seinigen zählte, nahm von diesem Grabe die schmerzliche Erinnerung hinweg,
daß die Nachwelt nachzuholen habe, was die Zeitgenossen in vielen Stücken ver¬
säumten. Denn so reich die Arbeitsernte auch ist, die in seinen wissenschaftlichen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |