Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.würden. Es ist aber undenkbar, daß auf solche Weise ein Staat entstehen In gewissem Sinn gilt a^tho noch heute, was Paul Pfizer vor 23 Jah¬ Sind nur erst jene irrigen Vorstellungen beseitigt, so kann man sich würden. Es ist aber undenkbar, daß auf solche Weise ein Staat entstehen In gewissem Sinn gilt a^tho noch heute, was Paul Pfizer vor 23 Jah¬ Sind nur erst jene irrigen Vorstellungen beseitigt, so kann man sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117998"/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> würden. Es ist aber undenkbar, daß auf solche Weise ein Staat entstehen<lb/> kann. Es ist doch eine höchst unklare und phantastische Vorstellung, daß<lb/> der Zollverein durch Häufung der Befugnisse seiner Vertretung etwas werden<lb/> könne, was er seiner Natur nach gar nicht ist, nämlich ein staatlicher Körper.<lb/> Im glücklichsten Falle ständen wir vor einer Reihe von Experimenten,<lb/> zu welchen auch den Deutschen die Geduld nicht ausreichen möchte. Wir<lb/> wären an einem neuen Anfang, neben demjenigen Anfang, der sicher und<lb/> erfolgverheißend längst gemacht ist. Es hieße, während die Grundmauern<lb/> eines Baus bereits stattlich aus der Erde steigen, daneben wieder ein anderes<lb/> Fundament ausgraben. Es hieße um eines Ungewissen willen das Gewisse<lb/> aufopfern, ein verhängnißvolles Verlassen des geraden Wegs, der seit der<lb/> Gründung des Nordbunds vorgezeichnet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466"> In gewissem Sinn gilt a^tho noch heute, was Paul Pfizer vor 23 Jah¬<lb/> ren freilich vom damaligen Zollverein geschrieben hat: „der Zollverein in<lb/> seiner jetzigen Gestalt ist auch nur eines von den Surrogaten, welche die<lb/> Sache selbst niemals ersetzen können, und je länger derselbe besteht, desto<lb/> entschiedener muß diese Wahrheit ans Licht treten. Aber gerade die mit der<lb/> Zeit erlangte Einsicht von der Unmöglichkeit, die Einheit deutscher Nation<lb/> auf einen bloßen Handelsbund zu gründen, wird in nationaler Beziehung<lb/> vielleicht eine der segensreichsten Wirkungen der deutschen Handelseini¬<lb/> gung sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_1467" next="#ID_1468"> Sind nur erst jene irrigen Vorstellungen beseitigt, so kann man sich<lb/> umso unbefangener dessen erfreuen, was das Zollparlament — abgesehen von<lb/> seinen nächsten Aufgaben — wirklich bedeutet und besonders für uns Süd¬<lb/> deutsche bedeutet. Ein Mitglied der süddeutschen Fraction hat dasselbe in<lb/> der ihm eigenthümlichen Ausdrucksweise eine „Judenschule" genannt. Wahr<lb/> ist daran soviel, daß es allerdings eine Schule ist: es ist wesentlich eine pä¬<lb/> dagogische Anstalt für den Süden, so lang dieser am deutschen Staat noch<lb/> keinen Antheil hat. Es ist das Mittel, die süddeutsche Bevölkerung aus<lb/> ihrem glücklichen Genügen herauszuheben und in das politische Leben der<lb/> Nation einzuführen. Schon die Wahlbewegung, fo unerfreulich ihr Ausgang<lb/> auch war, hatte doch wenigstens den Erfolg, das politische Interesse über die<lb/> engen Wände des Particularstaats hinaufzutragen und dem Norden d. h. dem<lb/> jetzigen Centrum der Nation zuzuwenden. Das war es, was den doetn-<lb/> nären Theil der Volkspartei in richtigem Jnstinct zu dem Entschluß veran¬<lb/> laßt hatte, dem schwäbischen Volk die Theilnahme an den Wahlen zu verbie¬<lb/> ten, und schon damals war es ein erster Erfolg der nationalen Sache, daß<lb/> das Volk, dieses Verbot seiner Führer mißachtend, aufs lebhafteste in den<lb/> Kampf eintrat und die Führer selbst mit sich fortriß. Die nationale Frage<lb/> ist von nun an das beherrschende Moment für das politische Leben des S»'</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0466]
würden. Es ist aber undenkbar, daß auf solche Weise ein Staat entstehen
kann. Es ist doch eine höchst unklare und phantastische Vorstellung, daß
der Zollverein durch Häufung der Befugnisse seiner Vertretung etwas werden
könne, was er seiner Natur nach gar nicht ist, nämlich ein staatlicher Körper.
Im glücklichsten Falle ständen wir vor einer Reihe von Experimenten,
zu welchen auch den Deutschen die Geduld nicht ausreichen möchte. Wir
wären an einem neuen Anfang, neben demjenigen Anfang, der sicher und
erfolgverheißend längst gemacht ist. Es hieße, während die Grundmauern
eines Baus bereits stattlich aus der Erde steigen, daneben wieder ein anderes
Fundament ausgraben. Es hieße um eines Ungewissen willen das Gewisse
aufopfern, ein verhängnißvolles Verlassen des geraden Wegs, der seit der
Gründung des Nordbunds vorgezeichnet ist.
In gewissem Sinn gilt a^tho noch heute, was Paul Pfizer vor 23 Jah¬
ren freilich vom damaligen Zollverein geschrieben hat: „der Zollverein in
seiner jetzigen Gestalt ist auch nur eines von den Surrogaten, welche die
Sache selbst niemals ersetzen können, und je länger derselbe besteht, desto
entschiedener muß diese Wahrheit ans Licht treten. Aber gerade die mit der
Zeit erlangte Einsicht von der Unmöglichkeit, die Einheit deutscher Nation
auf einen bloßen Handelsbund zu gründen, wird in nationaler Beziehung
vielleicht eine der segensreichsten Wirkungen der deutschen Handelseini¬
gung sein."
Sind nur erst jene irrigen Vorstellungen beseitigt, so kann man sich
umso unbefangener dessen erfreuen, was das Zollparlament — abgesehen von
seinen nächsten Aufgaben — wirklich bedeutet und besonders für uns Süd¬
deutsche bedeutet. Ein Mitglied der süddeutschen Fraction hat dasselbe in
der ihm eigenthümlichen Ausdrucksweise eine „Judenschule" genannt. Wahr
ist daran soviel, daß es allerdings eine Schule ist: es ist wesentlich eine pä¬
dagogische Anstalt für den Süden, so lang dieser am deutschen Staat noch
keinen Antheil hat. Es ist das Mittel, die süddeutsche Bevölkerung aus
ihrem glücklichen Genügen herauszuheben und in das politische Leben der
Nation einzuführen. Schon die Wahlbewegung, fo unerfreulich ihr Ausgang
auch war, hatte doch wenigstens den Erfolg, das politische Interesse über die
engen Wände des Particularstaats hinaufzutragen und dem Norden d. h. dem
jetzigen Centrum der Nation zuzuwenden. Das war es, was den doetn-
nären Theil der Volkspartei in richtigem Jnstinct zu dem Entschluß veran¬
laßt hatte, dem schwäbischen Volk die Theilnahme an den Wahlen zu verbie¬
ten, und schon damals war es ein erster Erfolg der nationalen Sache, daß
das Volk, dieses Verbot seiner Führer mißachtend, aufs lebhafteste in den
Kampf eintrat und die Führer selbst mit sich fortriß. Die nationale Frage
ist von nun an das beherrschende Moment für das politische Leben des S»'
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