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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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bunten zu sein, vor die beiden Häuser des Parlaments (Staatenhaus und
Volkshaus) gebracht werden und durch Mehrheitsbeschlüsse Gesetzeskraft er¬
langen sollten. Auch in dieser Beschränkung hatten die neuen Organe Gelegen¬
heit, wichtige und bedeutende Gesetzesarbeiten vorzunehmen, so insbesondere die
Fragen über die Uebergangsabgaben und eine rationelle Reform des Tarifs,
die Steuer auf Rübenzucker, die Gegenstände der Zollordnung und Ver-
" waltung. Ohne daß nun der Verfasser einem allzuraschen Wachsthum der
Competenz der Bundesorgane das Wort redet, ist er doch der Ansicht, daß
dieselbe sowohl aus Gründen der Zweckmäßigkeit als aus allgemein natio¬
nalen Motiven nothwendig auf eine Reihe weiterer Gegenstände der Han¬
delspolitik und des Verkehrs ausgedehnt werden müsse. Ohne Zweifel werde
sich die bundesstaatliche Ausbildung des Vereins, die einheitliche Zusammen¬
fassung der wirklich gemeinsamen Lebensgebiete der Nation nur allmählich
durchsetzen, sie werde sich Schritt für Schritt den ihr nothwendigen Boden
erst erkämpfen müssen. Aber "eben in diesem Kampf wird die Bürgschaft
liegen, daß sie auf das wahre Bedürfniß beschränkt bleibe, daß aber auch
das, was infolge wahrhaften Bedürfnisses centralisirt wird, der Gemeinsam¬
keit nicht wieder entrissen werden kann, mit anderen Worten: daß der Bun¬
desstaat, soweit er wirklich eingerichtet wird, nicht mehr umgestoßen werden
kann." Es wird dann eine ganze Reihe von Gegenständen aufgezählt, welche
entweder auf einmal oder nach und nach der gemeinsamen Gesetzgebung zu¬
gewiesen werden müssen, und der Verfasser meinte, es sollte in den Ver¬
trägen ausdrücklich für die Möglichkeit einer Erweiterung der Competenz
gesorgt und hiefür ein bestimmter Weg festgesetzt werden. Am Ziele dieser
Entwickelung steht dann die Befriedigung derjenigen Einheitsbedürfnisse,
welche zwar auch in erster Linie der Handelspolitik angehören, zugleich aber
in die höhere Politik übergreifen: die Schöpfung einer deutschen Flotte,
deutsche Consulate, gemeinsame diplomatische Vertretung. Endlich aber werde
sich das Bedürfniß einer Weiterbildung der deutschen Centralorgane über
den Kreis der handelspolitischen Competenz hinaus noch fühlbar machen und
seine Befriedigung nur finden, wenn den Zollvereinsorganen, nachdem sie
sich dauerhaft und fruchtbar erwiesen haben, schließlich die letzten und wesent¬
lichsten Attribute einer bundesstaatlichen Gewalt: oberste militärische Gesetz¬
gebung und diplomatisch-militärische Oberleitung der vereinigten denk-schert
Staaten in Krieg und Frieden beigelegt werden.

So.also dachte sich ein patriotischer Mann sechs Jahre vor Königgrätz
den Gang der deutschen Entwickelung. In einem reinlichen Programm waren
die einzelnen Etappen verzeichnet. Langsam aber stetig sollte sich aus einem
anfangs dürftig ausgestatteten Körper durch allmähliche Ausdehnung der
Befugnisse der nationale Bundesstaat entpuppen. Noch im Augenblick, als


bunten zu sein, vor die beiden Häuser des Parlaments (Staatenhaus und
Volkshaus) gebracht werden und durch Mehrheitsbeschlüsse Gesetzeskraft er¬
langen sollten. Auch in dieser Beschränkung hatten die neuen Organe Gelegen¬
heit, wichtige und bedeutende Gesetzesarbeiten vorzunehmen, so insbesondere die
Fragen über die Uebergangsabgaben und eine rationelle Reform des Tarifs,
die Steuer auf Rübenzucker, die Gegenstände der Zollordnung und Ver-
" waltung. Ohne daß nun der Verfasser einem allzuraschen Wachsthum der
Competenz der Bundesorgane das Wort redet, ist er doch der Ansicht, daß
dieselbe sowohl aus Gründen der Zweckmäßigkeit als aus allgemein natio¬
nalen Motiven nothwendig auf eine Reihe weiterer Gegenstände der Han¬
delspolitik und des Verkehrs ausgedehnt werden müsse. Ohne Zweifel werde
sich die bundesstaatliche Ausbildung des Vereins, die einheitliche Zusammen¬
fassung der wirklich gemeinsamen Lebensgebiete der Nation nur allmählich
durchsetzen, sie werde sich Schritt für Schritt den ihr nothwendigen Boden
erst erkämpfen müssen. Aber „eben in diesem Kampf wird die Bürgschaft
liegen, daß sie auf das wahre Bedürfniß beschränkt bleibe, daß aber auch
das, was infolge wahrhaften Bedürfnisses centralisirt wird, der Gemeinsam¬
keit nicht wieder entrissen werden kann, mit anderen Worten: daß der Bun¬
desstaat, soweit er wirklich eingerichtet wird, nicht mehr umgestoßen werden
kann." Es wird dann eine ganze Reihe von Gegenständen aufgezählt, welche
entweder auf einmal oder nach und nach der gemeinsamen Gesetzgebung zu¬
gewiesen werden müssen, und der Verfasser meinte, es sollte in den Ver¬
trägen ausdrücklich für die Möglichkeit einer Erweiterung der Competenz
gesorgt und hiefür ein bestimmter Weg festgesetzt werden. Am Ziele dieser
Entwickelung steht dann die Befriedigung derjenigen Einheitsbedürfnisse,
welche zwar auch in erster Linie der Handelspolitik angehören, zugleich aber
in die höhere Politik übergreifen: die Schöpfung einer deutschen Flotte,
deutsche Consulate, gemeinsame diplomatische Vertretung. Endlich aber werde
sich das Bedürfniß einer Weiterbildung der deutschen Centralorgane über
den Kreis der handelspolitischen Competenz hinaus noch fühlbar machen und
seine Befriedigung nur finden, wenn den Zollvereinsorganen, nachdem sie
sich dauerhaft und fruchtbar erwiesen haben, schließlich die letzten und wesent¬
lichsten Attribute einer bundesstaatlichen Gewalt: oberste militärische Gesetz¬
gebung und diplomatisch-militärische Oberleitung der vereinigten denk-schert
Staaten in Krieg und Frieden beigelegt werden.

So.also dachte sich ein patriotischer Mann sechs Jahre vor Königgrätz
den Gang der deutschen Entwickelung. In einem reinlichen Programm waren
die einzelnen Etappen verzeichnet. Langsam aber stetig sollte sich aus einem
anfangs dürftig ausgestatteten Körper durch allmähliche Ausdehnung der
Befugnisse der nationale Bundesstaat entpuppen. Noch im Augenblick, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/464>, abgerufen am 15.01.2025.